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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Interesse waren nur die Ausführungen Kiefer's aus Baden. Angenommen
wurden leider nur die 2'/s Jahre.

Am 17. Oktober ruhten die Recken. Es war eine Art Bußtag, an dem
man auf allen Seiten nochmals ernstlich in sich zu gehen hatte. In der That
wurde denn auch sehr rasch nach dem Treffen im Plenum die Verständigung
erzielt. Nur im Sinne der von Bismarck am 9. Oktober angedeuteten höheren
Gründe läßt es sich begreifen, daß die Regierungen in zweien ihrer Kardinal¬
punkte, dem der Frist bei der Zeitungsuuterorückung und dem der Dauer des
Gesetzes, nachgaben. Vielleicht trösten sie sich in Betreff des ersteren Punktes
mit der Praxis und im Uebrigen nimmt Bismarck, nach seiner Schlußrede vom
19. Oktober, eine eventuelle spätere Verlängerung in Aussicht. Die Zugeständ¬
nisse der Liberalen beschränkten sich eigentlich nur auf die freie Wahl des Vor¬
sitzenden der Rekursbehörde durch den Kaiser; die Beschränkung der Aufent-
Halts-Versagung für den Agitator in seinem Wohnsitze auf den Fall, daß er
diesen nicht schon 6 Monate inne hat, ist kaum dahin zu rechnen. Die Siche¬
rung des Gesetzes auf Grund dieser Einigung war bei Beginn der 3. Lesung
am 18. Oktober Jedermann bekannt. Gleichwohl brachte diese Sitzung eine
neue, die dritte Generaldiskusfivn mit abermals weitem Zurückfallen in Ab¬
straktionen, v. Schorlemer raffte Alles, was er an Bosheiten gegen die Regie¬
rung in den verschiedenen Lagern noch aufzulesen vermochte, zusammen und
warf es zu guter Letzt der Regierung in's Gesicht. Fast keins der mehr als
zur Genüge behandelten Themata unberührt lassend, entwickelte er ein wohl-
berechnetes Mitraillensenfeuer von Malicen gegen Bismarck und hielt auch
Nachlese auf den Spuren der gegnerischen Vorredner, um sie durch Sophismen
lächerlich zu machen. Ein würdiges Seitenstück war eine Rede Liebknecht's,
der sich in "Enthüllungen" nach Art der verunglückten Versuche Bebel's er¬
ging. Eine Feier mit Petroleum, wie sie am 12. Oktober Hasselmann wegen
seiner Rede zu Theil wurde, hat er reichlich verdient. Im Uebrigen wußte
sich nur noch Laster Anfmerksamkeit zu verschaffen durch einen Rückblick auf
die Verhandlungen und eine Darlegung feines Standpunkts.

Trotz des erschreckend hervorgetretenen Parteihaders hat sich erfreulicher
Weise eine Mehrheit von 72 Stimmen für das Gesetz ergeben. Somit ist
wenigstens die Errichtung eines Dammes gegen die sozialdemokratische Hoch-
fluth erlangt. Hinsichtlich einiger Schwächen des Gesetzes gewährte uns die
Ansprache einige Beruhigung, mit welcher Bismarck am 19. Oktober die sechs¬
wöchige Session schloß.


L.


An die Herren Verleger!
Wir bitten um baldigste Zusendung der Werke, die in unsrer Weihnachts¬
bücherschau berücksichtigt werden sollen.
Leipzig, Anfang Oktober 1878. Die Redaktion der Grenzboten.




Verantwortlicher Redakteur: Dr. Hans Blum in Leipzig.
Verlag von K. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Hüthrl Herrmann in Leipzig.

Interesse waren nur die Ausführungen Kiefer's aus Baden. Angenommen
wurden leider nur die 2'/s Jahre.

Am 17. Oktober ruhten die Recken. Es war eine Art Bußtag, an dem
man auf allen Seiten nochmals ernstlich in sich zu gehen hatte. In der That
wurde denn auch sehr rasch nach dem Treffen im Plenum die Verständigung
erzielt. Nur im Sinne der von Bismarck am 9. Oktober angedeuteten höheren
Gründe läßt es sich begreifen, daß die Regierungen in zweien ihrer Kardinal¬
punkte, dem der Frist bei der Zeitungsuuterorückung und dem der Dauer des
Gesetzes, nachgaben. Vielleicht trösten sie sich in Betreff des ersteren Punktes
mit der Praxis und im Uebrigen nimmt Bismarck, nach seiner Schlußrede vom
19. Oktober, eine eventuelle spätere Verlängerung in Aussicht. Die Zugeständ¬
nisse der Liberalen beschränkten sich eigentlich nur auf die freie Wahl des Vor¬
sitzenden der Rekursbehörde durch den Kaiser; die Beschränkung der Aufent-
Halts-Versagung für den Agitator in seinem Wohnsitze auf den Fall, daß er
diesen nicht schon 6 Monate inne hat, ist kaum dahin zu rechnen. Die Siche¬
rung des Gesetzes auf Grund dieser Einigung war bei Beginn der 3. Lesung
am 18. Oktober Jedermann bekannt. Gleichwohl brachte diese Sitzung eine
neue, die dritte Generaldiskusfivn mit abermals weitem Zurückfallen in Ab¬
straktionen, v. Schorlemer raffte Alles, was er an Bosheiten gegen die Regie¬
rung in den verschiedenen Lagern noch aufzulesen vermochte, zusammen und
warf es zu guter Letzt der Regierung in's Gesicht. Fast keins der mehr als
zur Genüge behandelten Themata unberührt lassend, entwickelte er ein wohl-
berechnetes Mitraillensenfeuer von Malicen gegen Bismarck und hielt auch
Nachlese auf den Spuren der gegnerischen Vorredner, um sie durch Sophismen
lächerlich zu machen. Ein würdiges Seitenstück war eine Rede Liebknecht's,
der sich in „Enthüllungen" nach Art der verunglückten Versuche Bebel's er¬
ging. Eine Feier mit Petroleum, wie sie am 12. Oktober Hasselmann wegen
seiner Rede zu Theil wurde, hat er reichlich verdient. Im Uebrigen wußte
sich nur noch Laster Anfmerksamkeit zu verschaffen durch einen Rückblick auf
die Verhandlungen und eine Darlegung feines Standpunkts.

Trotz des erschreckend hervorgetretenen Parteihaders hat sich erfreulicher
Weise eine Mehrheit von 72 Stimmen für das Gesetz ergeben. Somit ist
wenigstens die Errichtung eines Dammes gegen die sozialdemokratische Hoch-
fluth erlangt. Hinsichtlich einiger Schwächen des Gesetzes gewährte uns die
Ansprache einige Beruhigung, mit welcher Bismarck am 19. Oktober die sechs¬
wöchige Session schloß.


L.


An die Herren Verleger!
Wir bitten um baldigste Zusendung der Werke, die in unsrer Weihnachts¬
bücherschau berücksichtigt werden sollen.
Leipzig, Anfang Oktober 1878. Die Redaktion der Grenzboten.




Verantwortlicher Redakteur: Dr. Hans Blum in Leipzig.
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[0164] Interesse waren nur die Ausführungen Kiefer's aus Baden. Angenommen wurden leider nur die 2'/s Jahre. Am 17. Oktober ruhten die Recken. Es war eine Art Bußtag, an dem man auf allen Seiten nochmals ernstlich in sich zu gehen hatte. In der That wurde denn auch sehr rasch nach dem Treffen im Plenum die Verständigung erzielt. Nur im Sinne der von Bismarck am 9. Oktober angedeuteten höheren Gründe läßt es sich begreifen, daß die Regierungen in zweien ihrer Kardinal¬ punkte, dem der Frist bei der Zeitungsuuterorückung und dem der Dauer des Gesetzes, nachgaben. Vielleicht trösten sie sich in Betreff des ersteren Punktes mit der Praxis und im Uebrigen nimmt Bismarck, nach seiner Schlußrede vom 19. Oktober, eine eventuelle spätere Verlängerung in Aussicht. Die Zugeständ¬ nisse der Liberalen beschränkten sich eigentlich nur auf die freie Wahl des Vor¬ sitzenden der Rekursbehörde durch den Kaiser; die Beschränkung der Aufent- Halts-Versagung für den Agitator in seinem Wohnsitze auf den Fall, daß er diesen nicht schon 6 Monate inne hat, ist kaum dahin zu rechnen. Die Siche¬ rung des Gesetzes auf Grund dieser Einigung war bei Beginn der 3. Lesung am 18. Oktober Jedermann bekannt. Gleichwohl brachte diese Sitzung eine neue, die dritte Generaldiskusfivn mit abermals weitem Zurückfallen in Ab¬ straktionen, v. Schorlemer raffte Alles, was er an Bosheiten gegen die Regie¬ rung in den verschiedenen Lagern noch aufzulesen vermochte, zusammen und warf es zu guter Letzt der Regierung in's Gesicht. Fast keins der mehr als zur Genüge behandelten Themata unberührt lassend, entwickelte er ein wohl- berechnetes Mitraillensenfeuer von Malicen gegen Bismarck und hielt auch Nachlese auf den Spuren der gegnerischen Vorredner, um sie durch Sophismen lächerlich zu machen. Ein würdiges Seitenstück war eine Rede Liebknecht's, der sich in „Enthüllungen" nach Art der verunglückten Versuche Bebel's er¬ ging. Eine Feier mit Petroleum, wie sie am 12. Oktober Hasselmann wegen seiner Rede zu Theil wurde, hat er reichlich verdient. Im Uebrigen wußte sich nur noch Laster Anfmerksamkeit zu verschaffen durch einen Rückblick auf die Verhandlungen und eine Darlegung feines Standpunkts. Trotz des erschreckend hervorgetretenen Parteihaders hat sich erfreulicher Weise eine Mehrheit von 72 Stimmen für das Gesetz ergeben. Somit ist wenigstens die Errichtung eines Dammes gegen die sozialdemokratische Hoch- fluth erlangt. Hinsichtlich einiger Schwächen des Gesetzes gewährte uns die Ansprache einige Beruhigung, mit welcher Bismarck am 19. Oktober die sechs¬ wöchige Session schloß. L. An die Herren Verleger! Wir bitten um baldigste Zusendung der Werke, die in unsrer Weihnachts¬ bücherschau berücksichtigt werden sollen. Leipzig, Anfang Oktober 1878. Die Redaktion der Grenzboten. Verantwortlicher Redakteur: Dr. Hans Blum in Leipzig. Verlag von K. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthrl Herrmann in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/164>, abgerufen am 29.04.2024.