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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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welche eigentlich nur zur Exposition des Stoffes gehören. Dennoch verspricht
das Buch reiche Belehrung über Zustände und Ereignisse, die auch in unserem
Volke noch als größtentheils unbekannt, mindestens als ungenügend bekannt
bezeichnet werden müssen. Und diese Unkenntniß muß immer peinlicher em¬
pfunden werden in Tagen, da die Politik, die Zustände und die Geschicke
Rußland's in Aller Munde sind. Deshalb darf sich das Werk allerdings im
vollsten Maße als ein "zeitgemäßes" bezeichnen. Seine Aufgabe vollkommen
lösen wird der Verfasser freilich nur dann, wenn er seine in der Vorrede
ausgesprochene Absicht: "alle Leser von dem erfolgreichen Streben des russischen
Kaisers und seines Volkes zu überzeugen und auch die Gegner desselben zu
einer vollständigen Anerkennung der Leistungen zu bewegen" dahin erweitert,
daß er nicht blos die unleugbaren Vorzüge und Verdienste des jetzigen
russischen Regiments, sondern auch seine das russische Volk selbst und dessen
Nachbarn gefährdenden Nachtheile und Schattenseiten zur Darstellung bringt.


Von dem Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft im
deutschen Reich, herausgegeben von v. Holtzendorff und Brentano, ist das 3. und
4. Heft des 2. Jahrganges erschienen (Leipzig, Duncker u. Humblot, 1878).

Das dritte Heft bietet vor allem drei Abhandlungen, die ein lebhaftes Zeit¬
interesse befriedigen: "Das Gesetz über die Abänderung der Gewerbeordnung"
von Gensel; "zur Tabaksteuerfrage" von O. Frhr. v. Aufseß und "der fran¬
zösische Arbeiterkongreß" von Harrison. Die beiden ersten Aufsätze über den
"progressiven Strafvollzug nach den neuesten Erfahrungen in Ungarn und
Kroatien" von Emil Tauffer und den "Verein für die Reform und Kodi-
fizirung des Völkerrechts" von E, E. Wendt bieten wenigstens schätzbares Material
sür Fragen, deren Lösung im Schooße einer vielleicht nahen Zukunft ruht.

Das vierte Heft desselben Jahrbuchs bietet zunächst einen interessan¬
ten Beitrag zum Kulturkampf in der Abhandlung Th. Zorn's "Papst¬
wahl und Ausgleich". Die vielfach bestrittene Frage der "Gefängnißarbeit
und ihres Verhältnisses zum freien Gewerbe", welcher eben von Reichswegen
durch eine Enquete näher getreten wird, hat durch A. Bauer, zunächst an den
Ergebnissen der Strafanstalt Bruchsal, eine interessante Beantwortung gefunden.
"Der Pariser Post-Congreß" ist von A. v. Kirchenheim behandelt, "die öster¬
reichischen Städteordnungen" von F. v. Juraschek. A. Bulmerincq macht "Vor¬
schläge zur Reform der Prisengerichtsbarkeit", und Wilhelm Stieda endlich
entwirft ein Bild der Geschichte und Bestrebungen der "französischen Syndikats¬
kammern für Arbeitgeber und Arbeitnehmer". Sie sind nicht etwa mit unsern
Gewerbeschiedsgerichten zu verwechseln, sondern enthalten einen sehr interessanten
spontanen Versuch zur Lösung der sozialen Frage. Den Schluß des Heftes
bilden literarische Abhandlungen.


welche eigentlich nur zur Exposition des Stoffes gehören. Dennoch verspricht
das Buch reiche Belehrung über Zustände und Ereignisse, die auch in unserem
Volke noch als größtentheils unbekannt, mindestens als ungenügend bekannt
bezeichnet werden müssen. Und diese Unkenntniß muß immer peinlicher em¬
pfunden werden in Tagen, da die Politik, die Zustände und die Geschicke
Rußland's in Aller Munde sind. Deshalb darf sich das Werk allerdings im
vollsten Maße als ein „zeitgemäßes" bezeichnen. Seine Aufgabe vollkommen
lösen wird der Verfasser freilich nur dann, wenn er seine in der Vorrede
ausgesprochene Absicht: „alle Leser von dem erfolgreichen Streben des russischen
Kaisers und seines Volkes zu überzeugen und auch die Gegner desselben zu
einer vollständigen Anerkennung der Leistungen zu bewegen" dahin erweitert,
daß er nicht blos die unleugbaren Vorzüge und Verdienste des jetzigen
russischen Regiments, sondern auch seine das russische Volk selbst und dessen
Nachbarn gefährdenden Nachtheile und Schattenseiten zur Darstellung bringt.


Von dem Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft im
deutschen Reich, herausgegeben von v. Holtzendorff und Brentano, ist das 3. und
4. Heft des 2. Jahrganges erschienen (Leipzig, Duncker u. Humblot, 1878).

Das dritte Heft bietet vor allem drei Abhandlungen, die ein lebhaftes Zeit¬
interesse befriedigen: „Das Gesetz über die Abänderung der Gewerbeordnung"
von Gensel; „zur Tabaksteuerfrage" von O. Frhr. v. Aufseß und „der fran¬
zösische Arbeiterkongreß" von Harrison. Die beiden ersten Aufsätze über den
„progressiven Strafvollzug nach den neuesten Erfahrungen in Ungarn und
Kroatien" von Emil Tauffer und den „Verein für die Reform und Kodi-
fizirung des Völkerrechts" von E, E. Wendt bieten wenigstens schätzbares Material
sür Fragen, deren Lösung im Schooße einer vielleicht nahen Zukunft ruht.

Das vierte Heft desselben Jahrbuchs bietet zunächst einen interessan¬
ten Beitrag zum Kulturkampf in der Abhandlung Th. Zorn's „Papst¬
wahl und Ausgleich". Die vielfach bestrittene Frage der „Gefängnißarbeit
und ihres Verhältnisses zum freien Gewerbe", welcher eben von Reichswegen
durch eine Enquete näher getreten wird, hat durch A. Bauer, zunächst an den
Ergebnissen der Strafanstalt Bruchsal, eine interessante Beantwortung gefunden.
„Der Pariser Post-Congreß" ist von A. v. Kirchenheim behandelt, „die öster¬
reichischen Städteordnungen" von F. v. Juraschek. A. Bulmerincq macht „Vor¬
schläge zur Reform der Prisengerichtsbarkeit", und Wilhelm Stieda endlich
entwirft ein Bild der Geschichte und Bestrebungen der „französischen Syndikats¬
kammern für Arbeitgeber und Arbeitnehmer". Sie sind nicht etwa mit unsern
Gewerbeschiedsgerichten zu verwechseln, sondern enthalten einen sehr interessanten
spontanen Versuch zur Lösung der sozialen Frage. Den Schluß des Heftes
bilden literarische Abhandlungen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/243>, abgerufen am 29.04.2024.