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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Ile preußischen JabrilünspeKtoren 1877.

Vor einiger Zeit (Nummer 12 des laufenden Jahrgangs) wurde an dieser
Stelle eingehender das Institut der preußischen Fabrikinspektoren geschildert.
Es wurde an den entscheidenden und glänzenden Einfluß erinnert, den die
englischen Fabrikinspektoren auf die Herbeiführung jenes leidlichen Zustandes
sozialen Friedens gehabt haben, der augenblicklich in dem industriellen Muster¬
karte herrscht, und es wurde nachzuweisen versucht, daß die preußische Ein¬
richtung zwar noch in der ersten Entwickelung begriffen sei, aber ebenfalls er¬
freuliche Ergebnisse zu zeitigen verspreche. Ein neuer Band von Jahresbe¬
richten dieser Beamten bietet willkommenen Anlaß, auf ihre segensreiche Wirk¬
samkeit zurückzukommen.Ist es an sich schon eine ernste Pflicht der Presse,
gerade in gegenwärtigen Zeitläuften die Erkenntniß unserer sozialen und wirth¬
schaftlichen Zustände in den weitesten Kreisen zu fördern, so wird diese Pflicht
in dein vorliegenden Falle noch dnrch besondere Umstände verschärft. Gemäß
der im verflossenen Frühjahre erlassenen Gewerbeordnnngsnovelle sind alle dent-
schen Staaten zur Einsetzung von Fabrikinspektoren verpflichtet, und es ist
dringend zu wünschen, daß den nen zu ernennenden Beamten die langwierigen
und mühseligen Anstrengungen erspart werden, welche ihren preußischen Kollegen
dadurch bereitet wurden, daß sie erst unzählige Mißverständnisse zerstreuen
mußten, um in allen betheiligten Schichten der Bevölkerung die richtige Kennt¬
niß von ihren Rechten und Pflichten zu verbreiten. Ferner aber haben die
bisher erschienenen Jahresberichte die öffentliche Theilnahme nicht entfernt in
dem Maße gefunden, auf welches sie den gerechtesten Anspruch haben, ein
Uebelstand, der nicht eifrig genug abgestellt werden kann.

Hier zeigt sich wirklich ein recht fauler Fleck in unserm öffentlichen Leben.
Die wissenschaftlichen Vertreter des Sozialismus pflegen darüber zu klagen,
daß selbst die gebildete Welt unendlich wenig wisse von dem, was auch nur
die Weltverbesserer der Gasse planen, aber so bedauernswerth ohne Zweifel
diese keineswegs unrichtige Thatsache ist, so tritt sie doch noch weit zurück gegen
den anderweitigen Uebelstand, daß überhaupt so geringe, geschweige denn zu¬
treffende Kunde von dem innern Organismus des sozialen Körpers verbreitet
ist. Jeder brave Patriot fühlt sich namentlich heutzutage von Gottes- und
Rechtswegen verpflichtet, seine mehr oder minder glücklichen Gedanken darüber,
wie die soziale Frage nun eigentlich zu lösen sei, auf dem Altar des Vater-



Jahresberichte der Fabrik-Jnspckwren für das Jahr 1377. Veröffentlicht im Auf¬
trage des Handclsministers. Berlin, Kirtkampf.
Ile preußischen JabrilünspeKtoren 1877.

Vor einiger Zeit (Nummer 12 des laufenden Jahrgangs) wurde an dieser
Stelle eingehender das Institut der preußischen Fabrikinspektoren geschildert.
Es wurde an den entscheidenden und glänzenden Einfluß erinnert, den die
englischen Fabrikinspektoren auf die Herbeiführung jenes leidlichen Zustandes
sozialen Friedens gehabt haben, der augenblicklich in dem industriellen Muster¬
karte herrscht, und es wurde nachzuweisen versucht, daß die preußische Ein¬
richtung zwar noch in der ersten Entwickelung begriffen sei, aber ebenfalls er¬
freuliche Ergebnisse zu zeitigen verspreche. Ein neuer Band von Jahresbe¬
richten dieser Beamten bietet willkommenen Anlaß, auf ihre segensreiche Wirk¬
samkeit zurückzukommen.Ist es an sich schon eine ernste Pflicht der Presse,
gerade in gegenwärtigen Zeitläuften die Erkenntniß unserer sozialen und wirth¬
schaftlichen Zustände in den weitesten Kreisen zu fördern, so wird diese Pflicht
in dein vorliegenden Falle noch dnrch besondere Umstände verschärft. Gemäß
der im verflossenen Frühjahre erlassenen Gewerbeordnnngsnovelle sind alle dent-
schen Staaten zur Einsetzung von Fabrikinspektoren verpflichtet, und es ist
dringend zu wünschen, daß den nen zu ernennenden Beamten die langwierigen
und mühseligen Anstrengungen erspart werden, welche ihren preußischen Kollegen
dadurch bereitet wurden, daß sie erst unzählige Mißverständnisse zerstreuen
mußten, um in allen betheiligten Schichten der Bevölkerung die richtige Kennt¬
niß von ihren Rechten und Pflichten zu verbreiten. Ferner aber haben die
bisher erschienenen Jahresberichte die öffentliche Theilnahme nicht entfernt in
dem Maße gefunden, auf welches sie den gerechtesten Anspruch haben, ein
Uebelstand, der nicht eifrig genug abgestellt werden kann.

Hier zeigt sich wirklich ein recht fauler Fleck in unserm öffentlichen Leben.
Die wissenschaftlichen Vertreter des Sozialismus pflegen darüber zu klagen,
daß selbst die gebildete Welt unendlich wenig wisse von dem, was auch nur
die Weltverbesserer der Gasse planen, aber so bedauernswerth ohne Zweifel
diese keineswegs unrichtige Thatsache ist, so tritt sie doch noch weit zurück gegen
den anderweitigen Uebelstand, daß überhaupt so geringe, geschweige denn zu¬
treffende Kunde von dem innern Organismus des sozialen Körpers verbreitet
ist. Jeder brave Patriot fühlt sich namentlich heutzutage von Gottes- und
Rechtswegen verpflichtet, seine mehr oder minder glücklichen Gedanken darüber,
wie die soziale Frage nun eigentlich zu lösen sei, auf dem Altar des Vater-



Jahresberichte der Fabrik-Jnspckwren für das Jahr 1377. Veröffentlicht im Auf¬
trage des Handclsministers. Berlin, Kirtkampf.
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[0294] Ile preußischen JabrilünspeKtoren 1877. Vor einiger Zeit (Nummer 12 des laufenden Jahrgangs) wurde an dieser Stelle eingehender das Institut der preußischen Fabrikinspektoren geschildert. Es wurde an den entscheidenden und glänzenden Einfluß erinnert, den die englischen Fabrikinspektoren auf die Herbeiführung jenes leidlichen Zustandes sozialen Friedens gehabt haben, der augenblicklich in dem industriellen Muster¬ karte herrscht, und es wurde nachzuweisen versucht, daß die preußische Ein¬ richtung zwar noch in der ersten Entwickelung begriffen sei, aber ebenfalls er¬ freuliche Ergebnisse zu zeitigen verspreche. Ein neuer Band von Jahresbe¬ richten dieser Beamten bietet willkommenen Anlaß, auf ihre segensreiche Wirk¬ samkeit zurückzukommen.Ist es an sich schon eine ernste Pflicht der Presse, gerade in gegenwärtigen Zeitläuften die Erkenntniß unserer sozialen und wirth¬ schaftlichen Zustände in den weitesten Kreisen zu fördern, so wird diese Pflicht in dein vorliegenden Falle noch dnrch besondere Umstände verschärft. Gemäß der im verflossenen Frühjahre erlassenen Gewerbeordnnngsnovelle sind alle dent- schen Staaten zur Einsetzung von Fabrikinspektoren verpflichtet, und es ist dringend zu wünschen, daß den nen zu ernennenden Beamten die langwierigen und mühseligen Anstrengungen erspart werden, welche ihren preußischen Kollegen dadurch bereitet wurden, daß sie erst unzählige Mißverständnisse zerstreuen mußten, um in allen betheiligten Schichten der Bevölkerung die richtige Kennt¬ niß von ihren Rechten und Pflichten zu verbreiten. Ferner aber haben die bisher erschienenen Jahresberichte die öffentliche Theilnahme nicht entfernt in dem Maße gefunden, auf welches sie den gerechtesten Anspruch haben, ein Uebelstand, der nicht eifrig genug abgestellt werden kann. Hier zeigt sich wirklich ein recht fauler Fleck in unserm öffentlichen Leben. Die wissenschaftlichen Vertreter des Sozialismus pflegen darüber zu klagen, daß selbst die gebildete Welt unendlich wenig wisse von dem, was auch nur die Weltverbesserer der Gasse planen, aber so bedauernswerth ohne Zweifel diese keineswegs unrichtige Thatsache ist, so tritt sie doch noch weit zurück gegen den anderweitigen Uebelstand, daß überhaupt so geringe, geschweige denn zu¬ treffende Kunde von dem innern Organismus des sozialen Körpers verbreitet ist. Jeder brave Patriot fühlt sich namentlich heutzutage von Gottes- und Rechtswegen verpflichtet, seine mehr oder minder glücklichen Gedanken darüber, wie die soziale Frage nun eigentlich zu lösen sei, auf dem Altar des Vater- Jahresberichte der Fabrik-Jnspckwren für das Jahr 1377. Veröffentlicht im Auf¬ trage des Handclsministers. Berlin, Kirtkampf.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/294>, abgerufen am 29.04.2024.