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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Maria Stuart.
(Zur Literatur der letzten fünfzehn Jahre.)
Arnold Gaedeke. Von I.

Es gibt Persönlichkeiten, die vermöge ihrer eigenthümlichen tragischen
Schicksale von Berufenen wie von Unberufenen stets von Neuem zum Gegen¬
stande einer erbitterten Kontroverse gemacht werden. Vielleicht über keine
Persönlichkeit der neueren Geschichte ist in den letzten Dezennien so viel ge¬
schrieben worden, als über Maria Stuart. In Deutschland freilich am aller¬
wenigsten. Ranke's meisterhafte Darstellung der Hauptmomente in Maria's
Leben*) bildet noch heute die einzige gediegene deutsche Quelle, aus der sich
unser gebildetes Publikum über diesen Gegenstand Belehrung holen kann. Im
Großen und Ganzen sind aber die zahlreichen Publikationen der letzten Jahre,
obwohl mehrfach bisher ungedrucktes Material dazu verwendet werden konnte,
nicht im Stande gewesen, das Urtheil eines Mignet und Ranke wesentlich zu
modifiziren, obwohl fast alle diese Schriften mit einer gewissen Leidenschaft¬
lichkeit für Maria Stuart Partei nehmen und dazu bestimmt sind, die Königin
von der schweren Schuld, die man ihr beigemessen hat, zu entlasten. Einige
derselben sind mit einer gefährlichen Gewandtheit und Dialektik geschrieben und
Wohl im Stande, das Urtheil derjenigen, welche sich über die einzelnen Fragen
uicht aktenmüßig orientiren können, in Verwirrung zu setzen und zu trüben.
Es dürfte daher wohl geboten sein, dieselben einer unbefangenen Kritik zu
unterziehen und ihre Ergebnisse kurz zusammenzustellen. Man kann in dieser
neuesten Maria Stuart-Literatur drei Kategorien von Schriften unterscheiden.
Ueber die erste ist sehr wenig zu sagen. Es sind Schriften, welche fast gar
keinen Werth besitzen, weil sie weder auf neuem Materiale basiren, noch das



*) Englische Geschichte, B. I> (S, W, B, XIV.)
Grenzboten 1878. IV.4"
Maria Stuart.
(Zur Literatur der letzten fünfzehn Jahre.)
Arnold Gaedeke. Von I.

Es gibt Persönlichkeiten, die vermöge ihrer eigenthümlichen tragischen
Schicksale von Berufenen wie von Unberufenen stets von Neuem zum Gegen¬
stande einer erbitterten Kontroverse gemacht werden. Vielleicht über keine
Persönlichkeit der neueren Geschichte ist in den letzten Dezennien so viel ge¬
schrieben worden, als über Maria Stuart. In Deutschland freilich am aller¬
wenigsten. Ranke's meisterhafte Darstellung der Hauptmomente in Maria's
Leben*) bildet noch heute die einzige gediegene deutsche Quelle, aus der sich
unser gebildetes Publikum über diesen Gegenstand Belehrung holen kann. Im
Großen und Ganzen sind aber die zahlreichen Publikationen der letzten Jahre,
obwohl mehrfach bisher ungedrucktes Material dazu verwendet werden konnte,
nicht im Stande gewesen, das Urtheil eines Mignet und Ranke wesentlich zu
modifiziren, obwohl fast alle diese Schriften mit einer gewissen Leidenschaft¬
lichkeit für Maria Stuart Partei nehmen und dazu bestimmt sind, die Königin
von der schweren Schuld, die man ihr beigemessen hat, zu entlasten. Einige
derselben sind mit einer gefährlichen Gewandtheit und Dialektik geschrieben und
Wohl im Stande, das Urtheil derjenigen, welche sich über die einzelnen Fragen
uicht aktenmüßig orientiren können, in Verwirrung zu setzen und zu trüben.
Es dürfte daher wohl geboten sein, dieselben einer unbefangenen Kritik zu
unterziehen und ihre Ergebnisse kurz zusammenzustellen. Man kann in dieser
neuesten Maria Stuart-Literatur drei Kategorien von Schriften unterscheiden.
Ueber die erste ist sehr wenig zu sagen. Es sind Schriften, welche fast gar
keinen Werth besitzen, weil sie weder auf neuem Materiale basiren, noch das



*) Englische Geschichte, B. I> (S, W, B, XIV.)
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[0365] Maria Stuart. (Zur Literatur der letzten fünfzehn Jahre.) Arnold Gaedeke. Von I. Es gibt Persönlichkeiten, die vermöge ihrer eigenthümlichen tragischen Schicksale von Berufenen wie von Unberufenen stets von Neuem zum Gegen¬ stande einer erbitterten Kontroverse gemacht werden. Vielleicht über keine Persönlichkeit der neueren Geschichte ist in den letzten Dezennien so viel ge¬ schrieben worden, als über Maria Stuart. In Deutschland freilich am aller¬ wenigsten. Ranke's meisterhafte Darstellung der Hauptmomente in Maria's Leben*) bildet noch heute die einzige gediegene deutsche Quelle, aus der sich unser gebildetes Publikum über diesen Gegenstand Belehrung holen kann. Im Großen und Ganzen sind aber die zahlreichen Publikationen der letzten Jahre, obwohl mehrfach bisher ungedrucktes Material dazu verwendet werden konnte, nicht im Stande gewesen, das Urtheil eines Mignet und Ranke wesentlich zu modifiziren, obwohl fast alle diese Schriften mit einer gewissen Leidenschaft¬ lichkeit für Maria Stuart Partei nehmen und dazu bestimmt sind, die Königin von der schweren Schuld, die man ihr beigemessen hat, zu entlasten. Einige derselben sind mit einer gefährlichen Gewandtheit und Dialektik geschrieben und Wohl im Stande, das Urtheil derjenigen, welche sich über die einzelnen Fragen uicht aktenmüßig orientiren können, in Verwirrung zu setzen und zu trüben. Es dürfte daher wohl geboten sein, dieselben einer unbefangenen Kritik zu unterziehen und ihre Ergebnisse kurz zusammenzustellen. Man kann in dieser neuesten Maria Stuart-Literatur drei Kategorien von Schriften unterscheiden. Ueber die erste ist sehr wenig zu sagen. Es sind Schriften, welche fast gar keinen Werth besitzen, weil sie weder auf neuem Materiale basiren, noch das *) Englische Geschichte, B. I> (S, W, B, XIV.) Grenzboten 1878. IV.4»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/365>, abgerufen am 29.04.2024.