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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Maria Stuart von keiner Seite her eine Warnung erhielt, so schließt Hoscick
(I. 135) sehr mit Unrecht daraus, daß Elisabeth den Mord gebilligt habe.
Andererseits geht Fronde wiederum zu weit, wenn er Morton's Betheiligung,
für den er eine ganz besondere Verehrung zeigt, zu entschuldigen versucht.
Morton habe, bemerkt er beschönigend, nur "in einem Paroxismus von Aerger
unterzeichnet". Auch ist nichts darüber bekannt, daß die Königin, wie derselbe
Schriftsteller behauptet, Riccio zum Minister und Kanzler des Reiches habe
ernennen wollen.




Die Katastrophe in Afghanistan im Zähre 1841.*)
V or. Wilhelm Henkel. on

Vincent Eyre's vortreffliches und sofort bei seinem Erscheinen mit all¬
gemeinem Beifall aufgenommenes Tagebuch gibt in schlichter Sprache und
anspruchsloser Form eine getreue und fesselnde Schilderung der mannichfachen
Schicksale und furchtbaren Leiden jener kleinen Schaar von Engländern, die
auf dein Rückzüge aus Afghanistan mit Ausnahme von einigen Wenigen, unter
denen sich auch der Verfasser befand, elendiglich umkamen. Es ist bekannt,
mit welcher unbegreiflichen Verblendung und Kopflosigkeit die Engländer sich
selbst in's Verderben stürzten. Nach einer überraschend leichten Eroberung des
Laudes wähnte man, dasselbe ohne Schwierigkeiten besetzt halten zu können,
und überließ sich mitten in einem völlig unbekannten und in keiner Hinsicht
durchforschten Lande einer sträflichen Sorglosigkeit, die überhaupt nur bei der
eigenthümlichen Konstituirung des damaligen englischen Offizierkorps möglich
war und die schlimmsten Sünden der französischen Heerführung im letzten
Kriege hinter sich zurückläßt. Hatte doch der Oberbefehlshaber Lord Keane,
als er die Hälfte des Okkupativnsheeres aus Afghanistan wegführte, nicht ein¬
mal zur Unterhaltung der Kommunikation mit Indien eine Militärpostenlinie
angelegt, sich dagegen sobald als möglich nach London begeben, um auf den
leichterworbenen Lorbeeren auszuruhen. Und doch lagen zwischen dem engli¬
schen Hauptquartier bei Cabul bis zur ersten indischen Station über ein halbes
Tausend englischer Meilen, das Fünfstromland und ein fast unübersteigliches
Alpenland!



*) 5onrn"I ok "in ^kAlumistan xrisoner I.isntsn"ut Vinosnt Nzvs. -- Novae
Okux-Avr<Je8, vom Is. Febr. 1843 -- ssournkl ach 0öl>g,es, vom 12- Oktober 1878.

Maria Stuart von keiner Seite her eine Warnung erhielt, so schließt Hoscick
(I. 135) sehr mit Unrecht daraus, daß Elisabeth den Mord gebilligt habe.
Andererseits geht Fronde wiederum zu weit, wenn er Morton's Betheiligung,
für den er eine ganz besondere Verehrung zeigt, zu entschuldigen versucht.
Morton habe, bemerkt er beschönigend, nur „in einem Paroxismus von Aerger
unterzeichnet". Auch ist nichts darüber bekannt, daß die Königin, wie derselbe
Schriftsteller behauptet, Riccio zum Minister und Kanzler des Reiches habe
ernennen wollen.




Die Katastrophe in Afghanistan im Zähre 1841.*)
V or. Wilhelm Henkel. on

Vincent Eyre's vortreffliches und sofort bei seinem Erscheinen mit all¬
gemeinem Beifall aufgenommenes Tagebuch gibt in schlichter Sprache und
anspruchsloser Form eine getreue und fesselnde Schilderung der mannichfachen
Schicksale und furchtbaren Leiden jener kleinen Schaar von Engländern, die
auf dein Rückzüge aus Afghanistan mit Ausnahme von einigen Wenigen, unter
denen sich auch der Verfasser befand, elendiglich umkamen. Es ist bekannt,
mit welcher unbegreiflichen Verblendung und Kopflosigkeit die Engländer sich
selbst in's Verderben stürzten. Nach einer überraschend leichten Eroberung des
Laudes wähnte man, dasselbe ohne Schwierigkeiten besetzt halten zu können,
und überließ sich mitten in einem völlig unbekannten und in keiner Hinsicht
durchforschten Lande einer sträflichen Sorglosigkeit, die überhaupt nur bei der
eigenthümlichen Konstituirung des damaligen englischen Offizierkorps möglich
war und die schlimmsten Sünden der französischen Heerführung im letzten
Kriege hinter sich zurückläßt. Hatte doch der Oberbefehlshaber Lord Keane,
als er die Hälfte des Okkupativnsheeres aus Afghanistan wegführte, nicht ein¬
mal zur Unterhaltung der Kommunikation mit Indien eine Militärpostenlinie
angelegt, sich dagegen sobald als möglich nach London begeben, um auf den
leichterworbenen Lorbeeren auszuruhen. Und doch lagen zwischen dem engli¬
schen Hauptquartier bei Cabul bis zur ersten indischen Station über ein halbes
Tausend englischer Meilen, das Fünfstromland und ein fast unübersteigliches
Alpenland!



*) 5onrn»I ok «in ^kAlumistan xrisoner I.isntsn»ut Vinosnt Nzvs. — Novae
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[0378] Maria Stuart von keiner Seite her eine Warnung erhielt, so schließt Hoscick (I. 135) sehr mit Unrecht daraus, daß Elisabeth den Mord gebilligt habe. Andererseits geht Fronde wiederum zu weit, wenn er Morton's Betheiligung, für den er eine ganz besondere Verehrung zeigt, zu entschuldigen versucht. Morton habe, bemerkt er beschönigend, nur „in einem Paroxismus von Aerger unterzeichnet". Auch ist nichts darüber bekannt, daß die Königin, wie derselbe Schriftsteller behauptet, Riccio zum Minister und Kanzler des Reiches habe ernennen wollen. Die Katastrophe in Afghanistan im Zähre 1841.*) V or. Wilhelm Henkel. on Vincent Eyre's vortreffliches und sofort bei seinem Erscheinen mit all¬ gemeinem Beifall aufgenommenes Tagebuch gibt in schlichter Sprache und anspruchsloser Form eine getreue und fesselnde Schilderung der mannichfachen Schicksale und furchtbaren Leiden jener kleinen Schaar von Engländern, die auf dein Rückzüge aus Afghanistan mit Ausnahme von einigen Wenigen, unter denen sich auch der Verfasser befand, elendiglich umkamen. Es ist bekannt, mit welcher unbegreiflichen Verblendung und Kopflosigkeit die Engländer sich selbst in's Verderben stürzten. Nach einer überraschend leichten Eroberung des Laudes wähnte man, dasselbe ohne Schwierigkeiten besetzt halten zu können, und überließ sich mitten in einem völlig unbekannten und in keiner Hinsicht durchforschten Lande einer sträflichen Sorglosigkeit, die überhaupt nur bei der eigenthümlichen Konstituirung des damaligen englischen Offizierkorps möglich war und die schlimmsten Sünden der französischen Heerführung im letzten Kriege hinter sich zurückläßt. Hatte doch der Oberbefehlshaber Lord Keane, als er die Hälfte des Okkupativnsheeres aus Afghanistan wegführte, nicht ein¬ mal zur Unterhaltung der Kommunikation mit Indien eine Militärpostenlinie angelegt, sich dagegen sobald als möglich nach London begeben, um auf den leichterworbenen Lorbeeren auszuruhen. Und doch lagen zwischen dem engli¬ schen Hauptquartier bei Cabul bis zur ersten indischen Station über ein halbes Tausend englischer Meilen, das Fünfstromland und ein fast unübersteigliches Alpenland! *) 5onrn»I ok «in ^kAlumistan xrisoner I.isntsn»ut Vinosnt Nzvs. — Novae Okux-Avr<Je8, vom Is. Febr. 1843 — ssournkl ach 0öl>g,es, vom 12- Oktober 1878.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/378>, abgerufen am 29.04.2024.