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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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reiche Abgeordnete denn eigentlich wolle. Er gab darüber keine Antwort und
stellte trotzdem wieder in Abrede, daß er sich in der Negative befinde. Hobrecht
hätte gewiß auf die tausenderlei von Richter berührten Punkte Vieles erwidern
können; es machte sich ganz gut, daß er blos zeigte, wie jene Absichten der
Regierung sich im Etat nicht wiederspiegelten. Dem ultramontanen Dauzen-
berg schuldet seine Partei den Dank, als der Erste den Kulturkampf wieder in
fremde Dinge gezogen zu haben; er bringt natürlich das Defizit mit der Ein¬
setzung des kirchlichen Gerichtshofs und dergleichen zusammen. Rickert ver¬
langte ein bestimmtes Fiuanzprogramm der Regierung, worauf Hobrecht nur
Mf frühere Erklärungen im Reichstage verwies. Der Beschluß, die einfachen
Punkte des Etats gleich im Plenum zu erledigen, kürzt die Verhandlungen an¬
gemessen ab, die grundsätzlichen Fragen der Finanzpolitik aber werden sicherlich
bei erster Gelegenheit wieder aufgenommen werden. Sie sind beim Etat nur
abgebrochen. Auffallend ist übrigens, daß der Stellvertreter des Ministerprä¬
sidenten selbst in solchen Fragen sich schweigend verhielt.

Am 26. November hat von Schorlemer die Frage der Aufhebung der
Wuchergesetze zur Sprache gebracht. Es sieht dies so harmlos aus und läuft
doch im Grunde so stark, wie nur je eine Kulturkcunpffrage, auf eine Aufhetzung
i^gen die Regierung und die Liberalen hinaus. Schorlemer hat mit großem
befehlet einen wunden Punkt herausgefunden; es ist wahr, der Wucher ist
wie Landplage geworden, aber mit der einfachen Wiederaufhebung der Wncher-
sreiheit hat es doch auch seinen Haken. Die Sache bedarf einer reiflicher
Ueberlegung und wird, wie Leonhardt erklärte, von der Regierung reiflich er¬
wogen; die dolose Art, wie das Zentrum sich zum Organe des "Nothschreies
aus Stadt und Land" machte, kann nur zur Steigerung des Parteihasses
dienen. An Anklängen daran hat es bei der Besprechung dieser Jnterpellation
wahrlich uicht gefehlt.


L.


Literatur.

Unk Sunnawend', Neue Gedichte in oberbayrischer Mundart von Karl Stiel er.
(Stuttgart, Meyer und Zeller, 1878, 2. Auflage.)

Die erste poetische Gabe, die der beliebteste Dichter in oberbayrischer
Mundart nach langer schwerer Krankheit wieder geboten hat. Daß er die
Gunst der Leser nicht verloren, und die gottbegnadete Sangesfreude, die ihm


reiche Abgeordnete denn eigentlich wolle. Er gab darüber keine Antwort und
stellte trotzdem wieder in Abrede, daß er sich in der Negative befinde. Hobrecht
hätte gewiß auf die tausenderlei von Richter berührten Punkte Vieles erwidern
können; es machte sich ganz gut, daß er blos zeigte, wie jene Absichten der
Regierung sich im Etat nicht wiederspiegelten. Dem ultramontanen Dauzen-
berg schuldet seine Partei den Dank, als der Erste den Kulturkampf wieder in
fremde Dinge gezogen zu haben; er bringt natürlich das Defizit mit der Ein¬
setzung des kirchlichen Gerichtshofs und dergleichen zusammen. Rickert ver¬
langte ein bestimmtes Fiuanzprogramm der Regierung, worauf Hobrecht nur
Mf frühere Erklärungen im Reichstage verwies. Der Beschluß, die einfachen
Punkte des Etats gleich im Plenum zu erledigen, kürzt die Verhandlungen an¬
gemessen ab, die grundsätzlichen Fragen der Finanzpolitik aber werden sicherlich
bei erster Gelegenheit wieder aufgenommen werden. Sie sind beim Etat nur
abgebrochen. Auffallend ist übrigens, daß der Stellvertreter des Ministerprä¬
sidenten selbst in solchen Fragen sich schweigend verhielt.

Am 26. November hat von Schorlemer die Frage der Aufhebung der
Wuchergesetze zur Sprache gebracht. Es sieht dies so harmlos aus und läuft
doch im Grunde so stark, wie nur je eine Kulturkcunpffrage, auf eine Aufhetzung
i^gen die Regierung und die Liberalen hinaus. Schorlemer hat mit großem
befehlet einen wunden Punkt herausgefunden; es ist wahr, der Wucher ist
wie Landplage geworden, aber mit der einfachen Wiederaufhebung der Wncher-
sreiheit hat es doch auch seinen Haken. Die Sache bedarf einer reiflicher
Ueberlegung und wird, wie Leonhardt erklärte, von der Regierung reiflich er¬
wogen; die dolose Art, wie das Zentrum sich zum Organe des „Nothschreies
aus Stadt und Land" machte, kann nur zur Steigerung des Parteihasses
dienen. An Anklängen daran hat es bei der Besprechung dieser Jnterpellation
wahrlich uicht gefehlt.


L.


Literatur.

Unk Sunnawend', Neue Gedichte in oberbayrischer Mundart von Karl Stiel er.
(Stuttgart, Meyer und Zeller, 1878, 2. Auflage.)

Die erste poetische Gabe, die der beliebteste Dichter in oberbayrischer
Mundart nach langer schwerer Krankheit wieder geboten hat. Daß er die
Gunst der Leser nicht verloren, und die gottbegnadete Sangesfreude, die ihm


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[0399] reiche Abgeordnete denn eigentlich wolle. Er gab darüber keine Antwort und stellte trotzdem wieder in Abrede, daß er sich in der Negative befinde. Hobrecht hätte gewiß auf die tausenderlei von Richter berührten Punkte Vieles erwidern können; es machte sich ganz gut, daß er blos zeigte, wie jene Absichten der Regierung sich im Etat nicht wiederspiegelten. Dem ultramontanen Dauzen- berg schuldet seine Partei den Dank, als der Erste den Kulturkampf wieder in fremde Dinge gezogen zu haben; er bringt natürlich das Defizit mit der Ein¬ setzung des kirchlichen Gerichtshofs und dergleichen zusammen. Rickert ver¬ langte ein bestimmtes Fiuanzprogramm der Regierung, worauf Hobrecht nur Mf frühere Erklärungen im Reichstage verwies. Der Beschluß, die einfachen Punkte des Etats gleich im Plenum zu erledigen, kürzt die Verhandlungen an¬ gemessen ab, die grundsätzlichen Fragen der Finanzpolitik aber werden sicherlich bei erster Gelegenheit wieder aufgenommen werden. Sie sind beim Etat nur abgebrochen. Auffallend ist übrigens, daß der Stellvertreter des Ministerprä¬ sidenten selbst in solchen Fragen sich schweigend verhielt. Am 26. November hat von Schorlemer die Frage der Aufhebung der Wuchergesetze zur Sprache gebracht. Es sieht dies so harmlos aus und läuft doch im Grunde so stark, wie nur je eine Kulturkcunpffrage, auf eine Aufhetzung i^gen die Regierung und die Liberalen hinaus. Schorlemer hat mit großem befehlet einen wunden Punkt herausgefunden; es ist wahr, der Wucher ist wie Landplage geworden, aber mit der einfachen Wiederaufhebung der Wncher- sreiheit hat es doch auch seinen Haken. Die Sache bedarf einer reiflicher Ueberlegung und wird, wie Leonhardt erklärte, von der Regierung reiflich er¬ wogen; die dolose Art, wie das Zentrum sich zum Organe des „Nothschreies aus Stadt und Land" machte, kann nur zur Steigerung des Parteihasses dienen. An Anklängen daran hat es bei der Besprechung dieser Jnterpellation wahrlich uicht gefehlt. L. Literatur. Unk Sunnawend', Neue Gedichte in oberbayrischer Mundart von Karl Stiel er. (Stuttgart, Meyer und Zeller, 1878, 2. Auflage.) Die erste poetische Gabe, die der beliebteste Dichter in oberbayrischer Mundart nach langer schwerer Krankheit wieder geboten hat. Daß er die Gunst der Leser nicht verloren, und die gottbegnadete Sangesfreude, die ihm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/399>, abgerufen am 29.04.2024.