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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Ausbreiter des Christenthums und abendländischer Gesittung in Ostasien nicht
zu oft erinnert werden können. Ein Seitenstück zur Zerstörung von Magde¬
burg durch Tilly ist z. B. die Erstürmung einer Stadt von 15,000 Seelen in
Kohistan. "Die Stadt wurde zwei Tage lang unaufhörlich geplündert. Was
nicht weggeschleppt werden konnte, wurde verbrannt. Sowohl die englischen
wie die indischen Soldaten, die die Leichen ihrer Kameraden im Gebirge hatten
liegen sehen, hausten mit bestialischer Wuth und Grausamkeit. Kein Mensch,
er mochte Waffen tragen oder nicht, wurde verschont; Gefangene wurden nicht
gemacht; was vor die Klinge kam, wurde niedergestoßen. Unsere Rache war
eine vollständige. Fanden die indischen Soldaten den Leichnam eines Afghanen,
so steckten sie seine Kleider in Brand, damit "der Fluch auf Kind und Kindes¬
kind übergehe". Selbst die noch lebend vorgefundenen Verwundeten sollen
meistens wie sie waren in die Flammen geworfen sein." -- Die Hauptstadt
Cabul selbst entging ebenfalls dem Verhängniß nicht. Sie wurde mit Ausnahme
des Perserviertels von Grund aus zerstört. Auch der prachtvolle Bazar, eines
der Wunderwerke Asien's, ging in Flammen auf. Wo vorher eine der blü¬
hendsten und reichsten Städte Vorderasien's mit einer Bevölkerung von 60,000
Seelen stand, da lagen nach dem Abzüge des englischen Rachekorps nur noch
rauchende Trümmer. Ein ähnliches Geschick erfuhren Jellalabcid und Ghizni,
und das ganze Land vom Indus bis an das Hindukuhgebirge wurde mit
Feuer und Schwert aus das Furchtbarste heimgesucht. Afghanistan war un¬
haltbar, aber der der Kriegs-'und Nationalehre England's angethane Schimpf
war getilgt, der Haß und das Rachegefühl der Afghanen hatten neue Nahrung
empfangen, aber die empfangene Züchtigung hatte sie darüber belehrt, daß auch
ein europäisches Volk auf barbarische Weise Vergeltung üben kann. Was die
Engländer selbst seit jenen Tagen gelernt haben, wird der Verlauf und das
Resultat des in unserer Zeit entbrannten Kampfes zeigen. --




Aussische Ick'dzugspläne gegen Indien.

Wie kürzlich sich die Times von ihrem in russischen Dingen wohlunter¬
richteten Berliner Korrespondenten telegraphiren ließ, überreichte General von
Kauffmann in Taschkend dem Gesandten Afghanistan's, Mundscha Mohamed
Hassan, im Namen seines Souverains einen kostbaren Ehrensäbel und sprach
dabei schöne Worte von Waffenbrüderschaft und daß dem Alliirten des Zaren
kein Haar auf dem Haupte gekrümmt werden solle.


Ausbreiter des Christenthums und abendländischer Gesittung in Ostasien nicht
zu oft erinnert werden können. Ein Seitenstück zur Zerstörung von Magde¬
burg durch Tilly ist z. B. die Erstürmung einer Stadt von 15,000 Seelen in
Kohistan. „Die Stadt wurde zwei Tage lang unaufhörlich geplündert. Was
nicht weggeschleppt werden konnte, wurde verbrannt. Sowohl die englischen
wie die indischen Soldaten, die die Leichen ihrer Kameraden im Gebirge hatten
liegen sehen, hausten mit bestialischer Wuth und Grausamkeit. Kein Mensch,
er mochte Waffen tragen oder nicht, wurde verschont; Gefangene wurden nicht
gemacht; was vor die Klinge kam, wurde niedergestoßen. Unsere Rache war
eine vollständige. Fanden die indischen Soldaten den Leichnam eines Afghanen,
so steckten sie seine Kleider in Brand, damit „der Fluch auf Kind und Kindes¬
kind übergehe". Selbst die noch lebend vorgefundenen Verwundeten sollen
meistens wie sie waren in die Flammen geworfen sein." — Die Hauptstadt
Cabul selbst entging ebenfalls dem Verhängniß nicht. Sie wurde mit Ausnahme
des Perserviertels von Grund aus zerstört. Auch der prachtvolle Bazar, eines
der Wunderwerke Asien's, ging in Flammen auf. Wo vorher eine der blü¬
hendsten und reichsten Städte Vorderasien's mit einer Bevölkerung von 60,000
Seelen stand, da lagen nach dem Abzüge des englischen Rachekorps nur noch
rauchende Trümmer. Ein ähnliches Geschick erfuhren Jellalabcid und Ghizni,
und das ganze Land vom Indus bis an das Hindukuhgebirge wurde mit
Feuer und Schwert aus das Furchtbarste heimgesucht. Afghanistan war un¬
haltbar, aber der der Kriegs-'und Nationalehre England's angethane Schimpf
war getilgt, der Haß und das Rachegefühl der Afghanen hatten neue Nahrung
empfangen, aber die empfangene Züchtigung hatte sie darüber belehrt, daß auch
ein europäisches Volk auf barbarische Weise Vergeltung üben kann. Was die
Engländer selbst seit jenen Tagen gelernt haben, wird der Verlauf und das
Resultat des in unserer Zeit entbrannten Kampfes zeigen. —




Aussische Ick'dzugspläne gegen Indien.

Wie kürzlich sich die Times von ihrem in russischen Dingen wohlunter¬
richteten Berliner Korrespondenten telegraphiren ließ, überreichte General von
Kauffmann in Taschkend dem Gesandten Afghanistan's, Mundscha Mohamed
Hassan, im Namen seines Souverains einen kostbaren Ehrensäbel und sprach
dabei schöne Worte von Waffenbrüderschaft und daß dem Alliirten des Zaren
kein Haar auf dem Haupte gekrümmt werden solle.


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[0428] Ausbreiter des Christenthums und abendländischer Gesittung in Ostasien nicht zu oft erinnert werden können. Ein Seitenstück zur Zerstörung von Magde¬ burg durch Tilly ist z. B. die Erstürmung einer Stadt von 15,000 Seelen in Kohistan. „Die Stadt wurde zwei Tage lang unaufhörlich geplündert. Was nicht weggeschleppt werden konnte, wurde verbrannt. Sowohl die englischen wie die indischen Soldaten, die die Leichen ihrer Kameraden im Gebirge hatten liegen sehen, hausten mit bestialischer Wuth und Grausamkeit. Kein Mensch, er mochte Waffen tragen oder nicht, wurde verschont; Gefangene wurden nicht gemacht; was vor die Klinge kam, wurde niedergestoßen. Unsere Rache war eine vollständige. Fanden die indischen Soldaten den Leichnam eines Afghanen, so steckten sie seine Kleider in Brand, damit „der Fluch auf Kind und Kindes¬ kind übergehe". Selbst die noch lebend vorgefundenen Verwundeten sollen meistens wie sie waren in die Flammen geworfen sein." — Die Hauptstadt Cabul selbst entging ebenfalls dem Verhängniß nicht. Sie wurde mit Ausnahme des Perserviertels von Grund aus zerstört. Auch der prachtvolle Bazar, eines der Wunderwerke Asien's, ging in Flammen auf. Wo vorher eine der blü¬ hendsten und reichsten Städte Vorderasien's mit einer Bevölkerung von 60,000 Seelen stand, da lagen nach dem Abzüge des englischen Rachekorps nur noch rauchende Trümmer. Ein ähnliches Geschick erfuhren Jellalabcid und Ghizni, und das ganze Land vom Indus bis an das Hindukuhgebirge wurde mit Feuer und Schwert aus das Furchtbarste heimgesucht. Afghanistan war un¬ haltbar, aber der der Kriegs-'und Nationalehre England's angethane Schimpf war getilgt, der Haß und das Rachegefühl der Afghanen hatten neue Nahrung empfangen, aber die empfangene Züchtigung hatte sie darüber belehrt, daß auch ein europäisches Volk auf barbarische Weise Vergeltung üben kann. Was die Engländer selbst seit jenen Tagen gelernt haben, wird der Verlauf und das Resultat des in unserer Zeit entbrannten Kampfes zeigen. — Aussische Ick'dzugspläne gegen Indien. Wie kürzlich sich die Times von ihrem in russischen Dingen wohlunter¬ richteten Berliner Korrespondenten telegraphiren ließ, überreichte General von Kauffmann in Taschkend dem Gesandten Afghanistan's, Mundscha Mohamed Hassan, im Namen seines Souverains einen kostbaren Ehrensäbel und sprach dabei schöne Worte von Waffenbrüderschaft und daß dem Alliirten des Zaren kein Haar auf dem Haupte gekrümmt werden solle.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/428>, abgerufen am 29.04.2024.