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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Buchgewerbe der letzten Jahre, so viel man will -- nur der französische und
englische Buchhandel leistet. Außerdem ist jeder Band mit einem Porträt ge¬
schmückt: der erste mit einem Lichtdruck nach dem besten vorhandenen Bildniß
Lessing's, welches sich ehemals im Gleim'schen "Freundschaftstempel" in Halber¬
stadt befand und hier zum ersten Male in einer authentischen Nachbildung ge¬
boten wird, der zweite mit dem aus der Schöne'schen Publikation von Lessing's
Briefwechsel mit seiner Frau entlehnten Stahlstich nach dem Porträt von Eva
Lessing. Wie dürftig nimmt sich dagegen das dünne Kleidchen der deutschen
Bearbeitung ans! Sind wir Deutschen nur eine gar so arme Sippschaft, daß
wir nichts Besseres bezahlen können? Daß die Porträts hier weggefallen sind,
hat nicht viel auf sich. Aber die Verlagshandlung hat das Buch -- dorri-
Ms 6iew! -- auf zweierlei Papier gedruckt, von Bogen 1 --18 auf gelbes,
von Bogen 19 -- 28 auf blaues! In solche Klemme zu gerathen, das kann
doch nur einem deutschen Verleger Passiren. Wenn sich jemand ein Dutzend
Porzellantassen kauft und er bekommt sieben bläuliche und fünf gelbliche, so
nennt er das "Ausschuß" oder "Rausch". Mit welchem Namen bezeichnet
der deutsche Buchhandel derartige zweifarbige Bücher? Uebrigens aber ist
das Buch als Publikation des "Allgemeinen Vereins für deutsche Literatur"
in den uniformen Einband der Schriften dieses Vereins gesteckt worden, an
dessen sterilem Stangenornament man sich nun auch nachgerade satt gesehen hat.
Und wie lange wird das Dosengesichtchen von einer Athene mit einer Filz¬
mütze anstatt eines Helmes auf dem Kopfe, wie lange der dumme Lederriemen,
der einen jetzt auf allen Briefbogen, Briefkouverts, Prospekten und Titelblättern
verfolgt, auf diesen Einbänden als Rahmen des Athenekopfes noch Paradiren?
So lange ein so vornehmer Verein, wie der "Allgemeine Verein für deutsche
Literatur," der in den Kreisen der höchsten Aristokratie seine Mitglieder hat,
an unser Buchgewerbe so äußerst bescheidene Ansprüche stellt, so lange wollen
wir uns doch ja nicht einbilden, daß von einer ernstlichen Hebung dieses kunst¬
gewerblichen Zweiges die Rede sein, kann. Unsre paar "Prachtwerke" thun's
wahrlich nicht.




An die Herren Verleger!
Wir bitten um baldigste Zusendung der Werke, die in unsrer Weihnachts-
bücherschau berücksichtigt werden sollen.
Leipzig, Anfang Oktober 1878. Die Redaktion der Grenzboten.




Verantwortlicher Redakteur: öl. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Herlig in Leipzig. -- Druck von Hüthel Herrumn" in Leipzig.

Buchgewerbe der letzten Jahre, so viel man will — nur der französische und
englische Buchhandel leistet. Außerdem ist jeder Band mit einem Porträt ge¬
schmückt: der erste mit einem Lichtdruck nach dem besten vorhandenen Bildniß
Lessing's, welches sich ehemals im Gleim'schen „Freundschaftstempel" in Halber¬
stadt befand und hier zum ersten Male in einer authentischen Nachbildung ge¬
boten wird, der zweite mit dem aus der Schöne'schen Publikation von Lessing's
Briefwechsel mit seiner Frau entlehnten Stahlstich nach dem Porträt von Eva
Lessing. Wie dürftig nimmt sich dagegen das dünne Kleidchen der deutschen
Bearbeitung ans! Sind wir Deutschen nur eine gar so arme Sippschaft, daß
wir nichts Besseres bezahlen können? Daß die Porträts hier weggefallen sind,
hat nicht viel auf sich. Aber die Verlagshandlung hat das Buch — dorri-
Ms 6iew! — auf zweierlei Papier gedruckt, von Bogen 1 —18 auf gelbes,
von Bogen 19 — 28 auf blaues! In solche Klemme zu gerathen, das kann
doch nur einem deutschen Verleger Passiren. Wenn sich jemand ein Dutzend
Porzellantassen kauft und er bekommt sieben bläuliche und fünf gelbliche, so
nennt er das „Ausschuß" oder „Rausch". Mit welchem Namen bezeichnet
der deutsche Buchhandel derartige zweifarbige Bücher? Uebrigens aber ist
das Buch als Publikation des „Allgemeinen Vereins für deutsche Literatur"
in den uniformen Einband der Schriften dieses Vereins gesteckt worden, an
dessen sterilem Stangenornament man sich nun auch nachgerade satt gesehen hat.
Und wie lange wird das Dosengesichtchen von einer Athene mit einer Filz¬
mütze anstatt eines Helmes auf dem Kopfe, wie lange der dumme Lederriemen,
der einen jetzt auf allen Briefbogen, Briefkouverts, Prospekten und Titelblättern
verfolgt, auf diesen Einbänden als Rahmen des Athenekopfes noch Paradiren?
So lange ein so vornehmer Verein, wie der „Allgemeine Verein für deutsche
Literatur," der in den Kreisen der höchsten Aristokratie seine Mitglieder hat,
an unser Buchgewerbe so äußerst bescheidene Ansprüche stellt, so lange wollen
wir uns doch ja nicht einbilden, daß von einer ernstlichen Hebung dieses kunst¬
gewerblichen Zweiges die Rede sein, kann. Unsre paar „Prachtwerke" thun's
wahrlich nicht.




An die Herren Verleger!
Wir bitten um baldigste Zusendung der Werke, die in unsrer Weihnachts-
bücherschau berücksichtigt werden sollen.
Leipzig, Anfang Oktober 1878. Die Redaktion der Grenzboten.




Verantwortlicher Redakteur: öl. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Herlig in Leipzig. — Druck von Hüthel Herrumn» in Leipzig.
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[0084] Buchgewerbe der letzten Jahre, so viel man will — nur der französische und englische Buchhandel leistet. Außerdem ist jeder Band mit einem Porträt ge¬ schmückt: der erste mit einem Lichtdruck nach dem besten vorhandenen Bildniß Lessing's, welches sich ehemals im Gleim'schen „Freundschaftstempel" in Halber¬ stadt befand und hier zum ersten Male in einer authentischen Nachbildung ge¬ boten wird, der zweite mit dem aus der Schöne'schen Publikation von Lessing's Briefwechsel mit seiner Frau entlehnten Stahlstich nach dem Porträt von Eva Lessing. Wie dürftig nimmt sich dagegen das dünne Kleidchen der deutschen Bearbeitung ans! Sind wir Deutschen nur eine gar so arme Sippschaft, daß wir nichts Besseres bezahlen können? Daß die Porträts hier weggefallen sind, hat nicht viel auf sich. Aber die Verlagshandlung hat das Buch — dorri- Ms 6iew! — auf zweierlei Papier gedruckt, von Bogen 1 —18 auf gelbes, von Bogen 19 — 28 auf blaues! In solche Klemme zu gerathen, das kann doch nur einem deutschen Verleger Passiren. Wenn sich jemand ein Dutzend Porzellantassen kauft und er bekommt sieben bläuliche und fünf gelbliche, so nennt er das „Ausschuß" oder „Rausch". Mit welchem Namen bezeichnet der deutsche Buchhandel derartige zweifarbige Bücher? Uebrigens aber ist das Buch als Publikation des „Allgemeinen Vereins für deutsche Literatur" in den uniformen Einband der Schriften dieses Vereins gesteckt worden, an dessen sterilem Stangenornament man sich nun auch nachgerade satt gesehen hat. Und wie lange wird das Dosengesichtchen von einer Athene mit einer Filz¬ mütze anstatt eines Helmes auf dem Kopfe, wie lange der dumme Lederriemen, der einen jetzt auf allen Briefbogen, Briefkouverts, Prospekten und Titelblättern verfolgt, auf diesen Einbänden als Rahmen des Athenekopfes noch Paradiren? So lange ein so vornehmer Verein, wie der „Allgemeine Verein für deutsche Literatur," der in den Kreisen der höchsten Aristokratie seine Mitglieder hat, an unser Buchgewerbe so äußerst bescheidene Ansprüche stellt, so lange wollen wir uns doch ja nicht einbilden, daß von einer ernstlichen Hebung dieses kunst¬ gewerblichen Zweiges die Rede sein, kann. Unsre paar „Prachtwerke" thun's wahrlich nicht. An die Herren Verleger! Wir bitten um baldigste Zusendung der Werke, die in unsrer Weihnachts- bücherschau berücksichtigt werden sollen. Leipzig, Anfang Oktober 1878. Die Redaktion der Grenzboten. Verantwortlicher Redakteur: öl. Haus Blum in Leipzig. Verlag von F. L. Herlig in Leipzig. — Druck von Hüthel Herrumn» in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/84>, abgerufen am 29.04.2024.