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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Bciy zur Ruhe zu setze". Da dies nicht angeht, so wird man sich ewig zanken,
sich raufen, wie der hiesige Kaiser sagt, Friede machen, sich wieder raufen, in
den künftigen Jahrhunderten, wie in den verflossenen. An eine bleibende Zu¬
standsverbesserung läßt sich in Deutschland am wenigsten denken.

Es giebt daher für Sie, Herr Graf, in Deutschland däucht mich, nichts
zu thun. In dem Mittelpunkt der Beobachtung, den Sie gewählt haben zu
bleiben, von dortaus zu sehen, was vorgeht und fromme Wünsche zu bilden --
ist das Beste.

Ich bringe manche interessante Stunde mit Herrn Varnhagen von Ense
und seiner sehr gescheuten Frau zu. Er selbst sieht die Weltangelegenheiteu
vielleicht mit etwas zu viel Enthusiasmus für's Schöne an, um immer richtig
zu sehen. Er hat namentlich von der französischen Revolution und den
Menschen, die darin im Anfange figurirten eine viel zu vortheilhafte Idee.

Marie Louise wohnt immer in Schönbrunn. Daß sie im Herbst nach
Italien weg zu ihrem Manne zu fliehen suchte, ist zuverlässig wahr; sie hat in
Schönbrunn immer den General Napery zur Seite, der für sie verantwortlich
ist; sie ist was man in England nennt: ^ xrisonsr at lar^o. Sie werden es
diesem Brief wohl ansehen, daß er in 'Eile geschrieben ist, wie ich mit Ihnen
plaudern würde, ich rechne darauf, daß Sie ihn mit dieser Rücksicht und folg¬
lich mit Nachsicht lesen werden.

Sollten Ihnen Nachrichten über den wahrscheinlichen Ausgang der Nego-
cationen in Gent von einiger Bedeutung zukommen, so würde ich Ihnen für
die Mittheilung sehr dankbar sein. Ich habe mich hier bemüht Castlereagh zu
überzeugen, daß es eine große Thorheit sein würde nicht so bald als möglich
mit Amerika Friede zu mache". Leben Sie recht wohl.


E. Bollmann.


Die Fortschritte von Hrinnn's Wörterbuch.

Die Vollendung der ersten Hälfte von der ersten Abtheilung des vierten
Bandes von Grimm's Wörterbuch erinnert uns an die Pflicht, dieses National¬
werkes wieder einmal mit einiger Ausführlichkeit zu gedenken. Ueber die Be¬
deutung und den Werth desselben hat die Kritik längst entschieden; ihr Urtheil
lautet in Betreff der letzten wie der ersten Lieferungen: es leistet, was irgend
möglich war, und mehr, als Viele erwartet haben werden. Es gibt eine außer¬
ordentlich reiche Fülle von Sprachgebilden und Bedeutungen solcher; aber abso-


Bciy zur Ruhe zu setze». Da dies nicht angeht, so wird man sich ewig zanken,
sich raufen, wie der hiesige Kaiser sagt, Friede machen, sich wieder raufen, in
den künftigen Jahrhunderten, wie in den verflossenen. An eine bleibende Zu¬
standsverbesserung läßt sich in Deutschland am wenigsten denken.

Es giebt daher für Sie, Herr Graf, in Deutschland däucht mich, nichts
zu thun. In dem Mittelpunkt der Beobachtung, den Sie gewählt haben zu
bleiben, von dortaus zu sehen, was vorgeht und fromme Wünsche zu bilden —
ist das Beste.

Ich bringe manche interessante Stunde mit Herrn Varnhagen von Ense
und seiner sehr gescheuten Frau zu. Er selbst sieht die Weltangelegenheiteu
vielleicht mit etwas zu viel Enthusiasmus für's Schöne an, um immer richtig
zu sehen. Er hat namentlich von der französischen Revolution und den
Menschen, die darin im Anfange figurirten eine viel zu vortheilhafte Idee.

Marie Louise wohnt immer in Schönbrunn. Daß sie im Herbst nach
Italien weg zu ihrem Manne zu fliehen suchte, ist zuverlässig wahr; sie hat in
Schönbrunn immer den General Napery zur Seite, der für sie verantwortlich
ist; sie ist was man in England nennt: ^ xrisonsr at lar^o. Sie werden es
diesem Brief wohl ansehen, daß er in 'Eile geschrieben ist, wie ich mit Ihnen
plaudern würde, ich rechne darauf, daß Sie ihn mit dieser Rücksicht und folg¬
lich mit Nachsicht lesen werden.

Sollten Ihnen Nachrichten über den wahrscheinlichen Ausgang der Nego-
cationen in Gent von einiger Bedeutung zukommen, so würde ich Ihnen für
die Mittheilung sehr dankbar sein. Ich habe mich hier bemüht Castlereagh zu
überzeugen, daß es eine große Thorheit sein würde nicht so bald als möglich
mit Amerika Friede zu mache». Leben Sie recht wohl.


E. Bollmann.


Die Fortschritte von Hrinnn's Wörterbuch.

Die Vollendung der ersten Hälfte von der ersten Abtheilung des vierten
Bandes von Grimm's Wörterbuch erinnert uns an die Pflicht, dieses National¬
werkes wieder einmal mit einiger Ausführlichkeit zu gedenken. Ueber die Be¬
deutung und den Werth desselben hat die Kritik längst entschieden; ihr Urtheil
lautet in Betreff der letzten wie der ersten Lieferungen: es leistet, was irgend
möglich war, und mehr, als Viele erwartet haben werden. Es gibt eine außer¬
ordentlich reiche Fülle von Sprachgebilden und Bedeutungen solcher; aber abso-


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[0328] Bciy zur Ruhe zu setze». Da dies nicht angeht, so wird man sich ewig zanken, sich raufen, wie der hiesige Kaiser sagt, Friede machen, sich wieder raufen, in den künftigen Jahrhunderten, wie in den verflossenen. An eine bleibende Zu¬ standsverbesserung läßt sich in Deutschland am wenigsten denken. Es giebt daher für Sie, Herr Graf, in Deutschland däucht mich, nichts zu thun. In dem Mittelpunkt der Beobachtung, den Sie gewählt haben zu bleiben, von dortaus zu sehen, was vorgeht und fromme Wünsche zu bilden — ist das Beste. Ich bringe manche interessante Stunde mit Herrn Varnhagen von Ense und seiner sehr gescheuten Frau zu. Er selbst sieht die Weltangelegenheiteu vielleicht mit etwas zu viel Enthusiasmus für's Schöne an, um immer richtig zu sehen. Er hat namentlich von der französischen Revolution und den Menschen, die darin im Anfange figurirten eine viel zu vortheilhafte Idee. Marie Louise wohnt immer in Schönbrunn. Daß sie im Herbst nach Italien weg zu ihrem Manne zu fliehen suchte, ist zuverlässig wahr; sie hat in Schönbrunn immer den General Napery zur Seite, der für sie verantwortlich ist; sie ist was man in England nennt: ^ xrisonsr at lar^o. Sie werden es diesem Brief wohl ansehen, daß er in 'Eile geschrieben ist, wie ich mit Ihnen plaudern würde, ich rechne darauf, daß Sie ihn mit dieser Rücksicht und folg¬ lich mit Nachsicht lesen werden. Sollten Ihnen Nachrichten über den wahrscheinlichen Ausgang der Nego- cationen in Gent von einiger Bedeutung zukommen, so würde ich Ihnen für die Mittheilung sehr dankbar sein. Ich habe mich hier bemüht Castlereagh zu überzeugen, daß es eine große Thorheit sein würde nicht so bald als möglich mit Amerika Friede zu mache». Leben Sie recht wohl. E. Bollmann. Die Fortschritte von Hrinnn's Wörterbuch. Die Vollendung der ersten Hälfte von der ersten Abtheilung des vierten Bandes von Grimm's Wörterbuch erinnert uns an die Pflicht, dieses National¬ werkes wieder einmal mit einiger Ausführlichkeit zu gedenken. Ueber die Be¬ deutung und den Werth desselben hat die Kritik längst entschieden; ihr Urtheil lautet in Betreff der letzten wie der ersten Lieferungen: es leistet, was irgend möglich war, und mehr, als Viele erwartet haben werden. Es gibt eine außer¬ ordentlich reiche Fülle von Sprachgebilden und Bedeutungen solcher; aber abso-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/328>, abgerufen am 06.05.2024.