Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Drei Sensationsmaler.
ii.
Hans Makart.

Zehn Jahre sind verflossen, seitdem "Die Pest in Florenz oder die Tod¬
sünden" durch Deutschland wanderte und den Namen ihres Schöpfers auf aller
Lippen brachte. Zehn Jahre sind verflossen voll heftigster Kämpfe für und
wider den kühnen Neuerer, der es wagte, mit allem Herkömmlichen zu brechen,
die Form zu zerschlagen und auf ihren Trümmern die Alleinherrschaft des
Kolorismus zu proklamiren. Bild auf Bild hat seit jener Zeit das Atelier des
Künstlers verlassen, und je weniger herausfordernd die sujets waren, desto
ruhiger, desto sachlicher war der Streit. Gerade jetzt, wo sein neuestes Werk,
der "Einzug Karl's V. in Antwerpen", die Runde durch Deutschland macht, ist
er lauter als zuvor geworden. Es ist wieder der sensationelle Inhalt, welcher
dem Bilde zu einem ungebührlichen Ansehen verhilft, und darum hat auch die
große Ehrenmedaille, durch welche die Jury der Pariser Weltausstellung das
Gemälde auszeichnete, es nicht zu Wege gebracht, die Tadler zum Schweigen zu
bringen, die Kritiker zu eitler Bewunderung zu bekehren. Wenn man den Erfolg
dieses neuesten Bildes bei einem aus allen Welttheilen zusammengeströmten
Publikum als Maßstab sür die künstlerische Bedeutung Makart's nimmt, so
scheint sein Ruf, sagen wir auch: sein Ruhm fester begründet als je zuvor.
Seine Bewunderer preisen ihn als den würdigsten Nachfolger Paul Veronese's,
sie feiern ihn als den "österreichischen Rubens", der berufen und befähigt ist,
eine Renaissance der modernen Malerei einzuleiten. Ein Blick auf den künst¬
lerischen Entwickelungsgang dieses "phänomenalen Genies" wird uns zeigen, ob
und inwieweit diese glänzenden Epitheta auf einer realen Basis, auf wirk¬
lichen Verdiensten beruhen. Auch hier, wie bei der Charakteristik Böcklin's, haben
wir uns als Norm gesetzt, die Persönlichkeit des Malers ganz aus dem Spiele
und nur seine Werke reden zu lassen.

Hans Makart wurde am 29. Mai 1840 in Salzburg geboren. Diese zu-


Grenzbotcn I. 1879. 64
Drei Sensationsmaler.
ii.
Hans Makart.

Zehn Jahre sind verflossen, seitdem „Die Pest in Florenz oder die Tod¬
sünden" durch Deutschland wanderte und den Namen ihres Schöpfers auf aller
Lippen brachte. Zehn Jahre sind verflossen voll heftigster Kämpfe für und
wider den kühnen Neuerer, der es wagte, mit allem Herkömmlichen zu brechen,
die Form zu zerschlagen und auf ihren Trümmern die Alleinherrschaft des
Kolorismus zu proklamiren. Bild auf Bild hat seit jener Zeit das Atelier des
Künstlers verlassen, und je weniger herausfordernd die sujets waren, desto
ruhiger, desto sachlicher war der Streit. Gerade jetzt, wo sein neuestes Werk,
der „Einzug Karl's V. in Antwerpen", die Runde durch Deutschland macht, ist
er lauter als zuvor geworden. Es ist wieder der sensationelle Inhalt, welcher
dem Bilde zu einem ungebührlichen Ansehen verhilft, und darum hat auch die
große Ehrenmedaille, durch welche die Jury der Pariser Weltausstellung das
Gemälde auszeichnete, es nicht zu Wege gebracht, die Tadler zum Schweigen zu
bringen, die Kritiker zu eitler Bewunderung zu bekehren. Wenn man den Erfolg
dieses neuesten Bildes bei einem aus allen Welttheilen zusammengeströmten
Publikum als Maßstab sür die künstlerische Bedeutung Makart's nimmt, so
scheint sein Ruf, sagen wir auch: sein Ruhm fester begründet als je zuvor.
Seine Bewunderer preisen ihn als den würdigsten Nachfolger Paul Veronese's,
sie feiern ihn als den „österreichischen Rubens", der berufen und befähigt ist,
eine Renaissance der modernen Malerei einzuleiten. Ein Blick auf den künst¬
lerischen Entwickelungsgang dieses „phänomenalen Genies" wird uns zeigen, ob
und inwieweit diese glänzenden Epitheta auf einer realen Basis, auf wirk¬
lichen Verdiensten beruhen. Auch hier, wie bei der Charakteristik Böcklin's, haben
wir uns als Norm gesetzt, die Persönlichkeit des Malers ganz aus dem Spiele
und nur seine Werke reden zu lassen.

Hans Makart wurde am 29. Mai 1840 in Salzburg geboren. Diese zu-


Grenzbotcn I. 1879. 64
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0505" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141916"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Drei Sensationsmaler.<lb/>
ii.<lb/>
Hans Makart. </head><lb/>
          <p xml:id="ID_1500"> Zehn Jahre sind verflossen, seitdem &#x201E;Die Pest in Florenz oder die Tod¬<lb/>
sünden" durch Deutschland wanderte und den Namen ihres Schöpfers auf aller<lb/>
Lippen brachte. Zehn Jahre sind verflossen voll heftigster Kämpfe für und<lb/>
wider den kühnen Neuerer, der es wagte, mit allem Herkömmlichen zu brechen,<lb/>
die Form zu zerschlagen und auf ihren Trümmern die Alleinherrschaft des<lb/>
Kolorismus zu proklamiren. Bild auf Bild hat seit jener Zeit das Atelier des<lb/>
Künstlers verlassen, und je weniger herausfordernd die sujets waren, desto<lb/>
ruhiger, desto sachlicher war der Streit. Gerade jetzt, wo sein neuestes Werk,<lb/>
der &#x201E;Einzug Karl's V. in Antwerpen", die Runde durch Deutschland macht, ist<lb/>
er lauter als zuvor geworden. Es ist wieder der sensationelle Inhalt, welcher<lb/>
dem Bilde zu einem ungebührlichen Ansehen verhilft, und darum hat auch die<lb/>
große Ehrenmedaille, durch welche die Jury der Pariser Weltausstellung das<lb/>
Gemälde auszeichnete, es nicht zu Wege gebracht, die Tadler zum Schweigen zu<lb/>
bringen, die Kritiker zu eitler Bewunderung zu bekehren. Wenn man den Erfolg<lb/>
dieses neuesten Bildes bei einem aus allen Welttheilen zusammengeströmten<lb/>
Publikum als Maßstab sür die künstlerische Bedeutung Makart's nimmt, so<lb/>
scheint sein Ruf, sagen wir auch: sein Ruhm fester begründet als je zuvor.<lb/>
Seine Bewunderer preisen ihn als den würdigsten Nachfolger Paul Veronese's,<lb/>
sie feiern ihn als den &#x201E;österreichischen Rubens", der berufen und befähigt ist,<lb/>
eine Renaissance der modernen Malerei einzuleiten. Ein Blick auf den künst¬<lb/>
lerischen Entwickelungsgang dieses &#x201E;phänomenalen Genies" wird uns zeigen, ob<lb/>
und inwieweit diese glänzenden Epitheta auf einer realen Basis, auf wirk¬<lb/>
lichen Verdiensten beruhen. Auch hier, wie bei der Charakteristik Böcklin's, haben<lb/>
wir uns als Norm gesetzt, die Persönlichkeit des Malers ganz aus dem Spiele<lb/>
und nur seine Werke reden zu lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1501" next="#ID_1502"> Hans Makart wurde am 29. Mai 1840 in Salzburg geboren. Diese zu-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbotcn I. 1879. 64</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0505] Drei Sensationsmaler. ii. Hans Makart. Zehn Jahre sind verflossen, seitdem „Die Pest in Florenz oder die Tod¬ sünden" durch Deutschland wanderte und den Namen ihres Schöpfers auf aller Lippen brachte. Zehn Jahre sind verflossen voll heftigster Kämpfe für und wider den kühnen Neuerer, der es wagte, mit allem Herkömmlichen zu brechen, die Form zu zerschlagen und auf ihren Trümmern die Alleinherrschaft des Kolorismus zu proklamiren. Bild auf Bild hat seit jener Zeit das Atelier des Künstlers verlassen, und je weniger herausfordernd die sujets waren, desto ruhiger, desto sachlicher war der Streit. Gerade jetzt, wo sein neuestes Werk, der „Einzug Karl's V. in Antwerpen", die Runde durch Deutschland macht, ist er lauter als zuvor geworden. Es ist wieder der sensationelle Inhalt, welcher dem Bilde zu einem ungebührlichen Ansehen verhilft, und darum hat auch die große Ehrenmedaille, durch welche die Jury der Pariser Weltausstellung das Gemälde auszeichnete, es nicht zu Wege gebracht, die Tadler zum Schweigen zu bringen, die Kritiker zu eitler Bewunderung zu bekehren. Wenn man den Erfolg dieses neuesten Bildes bei einem aus allen Welttheilen zusammengeströmten Publikum als Maßstab sür die künstlerische Bedeutung Makart's nimmt, so scheint sein Ruf, sagen wir auch: sein Ruhm fester begründet als je zuvor. Seine Bewunderer preisen ihn als den würdigsten Nachfolger Paul Veronese's, sie feiern ihn als den „österreichischen Rubens", der berufen und befähigt ist, eine Renaissance der modernen Malerei einzuleiten. Ein Blick auf den künst¬ lerischen Entwickelungsgang dieses „phänomenalen Genies" wird uns zeigen, ob und inwieweit diese glänzenden Epitheta auf einer realen Basis, auf wirk¬ lichen Verdiensten beruhen. Auch hier, wie bei der Charakteristik Böcklin's, haben wir uns als Norm gesetzt, die Persönlichkeit des Malers ganz aus dem Spiele und nur seine Werke reden zu lassen. Hans Makart wurde am 29. Mai 1840 in Salzburg geboren. Diese zu- Grenzbotcn I. 1879. 64

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/505
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/505>, abgerufen am 07.05.2024.