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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Die Germessungs-Arbeiten des deutschen archäologischen
Instituts in UttiKa.

Seitdem die lebensfrische Auffassung Winckelmann's lebendigeres Interesse
für das Studium der Antike in Deutschland erweckt hat, seitdem man das
Hellenenthum nicht mehr von dem nüchternen Standpunkte scholastischer Pedan¬
terie, sondern seinem Wesen, seiner wahren Natur nach zu erfassen versucht
hat, war es unablässig das Streben aller Forscher und Freunde des Alter¬
thums, die letzten Spuren jener Zeit, soweit sie sich auf klassischem Boden noch
erhalten haben, in ihrem natürlichen Zusammenhange zu studiren, aus ihnen
gewissermaßen die Antike zu rekonstruiren.

Um eine klare Vorstellung, ein richtiges Bild von Allem, was von Ueber¬
resten der Vergangenheit geblieben, im Zusammenhange mit dem Boden, auf
welchem es stand, zu erlangen, bedürfte es einer möglichst genauen Darstellung
des gesammten Territoriums. Eine Landesvermessung im gewöhnlichen Sinne,
wie die schon früher entworfene französische Generalstabskarte von Griechen¬
land, konnte jenen Anforderungen nicht genügen, noch viel weniger durfte eine
solche Arbeit in die Hände eines Technikers gelegt werden, dem kein Verständ¬
niß der Antike, keine Einsicht in die Verhältnisse damaliger Zeit zu Gebote
steht, um Wichtiges von Nebensächlichem, Antikes von späteren oder Modernen
unterscheiden zu können.

Der Anregung von Ernst Curtius ist es zu verdanken, daß von Deutsch¬
land aus in der angedeuteten Richtung die ersten Schritte gethan und im
Jahre 1862 von Seiten der preußischen Regierung eine Kommission zum
Zwecke wissenschaftlicher Erforschung und Aufnahme archäologisch wichtiger
Objekte nach Athen entsandt wurde. Das Resultat jener ersten Arbeiten be¬
schränkte sich im Wesentlichen auf die Vermessung Athen's und seiner nächsten
Umgebung und wurde im Jahre 1868 durch Curtius in sieben Karten ver¬
öffentlicht.

Damit war jedoch nur den nothwendigsten Bedürfnissen entsprochen. Die


Grenzboten II. 1379. 16
Die Germessungs-Arbeiten des deutschen archäologischen
Instituts in UttiKa.

Seitdem die lebensfrische Auffassung Winckelmann's lebendigeres Interesse
für das Studium der Antike in Deutschland erweckt hat, seitdem man das
Hellenenthum nicht mehr von dem nüchternen Standpunkte scholastischer Pedan¬
terie, sondern seinem Wesen, seiner wahren Natur nach zu erfassen versucht
hat, war es unablässig das Streben aller Forscher und Freunde des Alter¬
thums, die letzten Spuren jener Zeit, soweit sie sich auf klassischem Boden noch
erhalten haben, in ihrem natürlichen Zusammenhange zu studiren, aus ihnen
gewissermaßen die Antike zu rekonstruiren.

Um eine klare Vorstellung, ein richtiges Bild von Allem, was von Ueber¬
resten der Vergangenheit geblieben, im Zusammenhange mit dem Boden, auf
welchem es stand, zu erlangen, bedürfte es einer möglichst genauen Darstellung
des gesammten Territoriums. Eine Landesvermessung im gewöhnlichen Sinne,
wie die schon früher entworfene französische Generalstabskarte von Griechen¬
land, konnte jenen Anforderungen nicht genügen, noch viel weniger durfte eine
solche Arbeit in die Hände eines Technikers gelegt werden, dem kein Verständ¬
niß der Antike, keine Einsicht in die Verhältnisse damaliger Zeit zu Gebote
steht, um Wichtiges von Nebensächlichem, Antikes von späteren oder Modernen
unterscheiden zu können.

Der Anregung von Ernst Curtius ist es zu verdanken, daß von Deutsch¬
land aus in der angedeuteten Richtung die ersten Schritte gethan und im
Jahre 1862 von Seiten der preußischen Regierung eine Kommission zum
Zwecke wissenschaftlicher Erforschung und Aufnahme archäologisch wichtiger
Objekte nach Athen entsandt wurde. Das Resultat jener ersten Arbeiten be¬
schränkte sich im Wesentlichen auf die Vermessung Athen's und seiner nächsten
Umgebung und wurde im Jahre 1868 durch Curtius in sieben Karten ver¬
öffentlicht.

Damit war jedoch nur den nothwendigsten Bedürfnissen entsprochen. Die


Grenzboten II. 1379. 16
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[0125] Die Germessungs-Arbeiten des deutschen archäologischen Instituts in UttiKa. Seitdem die lebensfrische Auffassung Winckelmann's lebendigeres Interesse für das Studium der Antike in Deutschland erweckt hat, seitdem man das Hellenenthum nicht mehr von dem nüchternen Standpunkte scholastischer Pedan¬ terie, sondern seinem Wesen, seiner wahren Natur nach zu erfassen versucht hat, war es unablässig das Streben aller Forscher und Freunde des Alter¬ thums, die letzten Spuren jener Zeit, soweit sie sich auf klassischem Boden noch erhalten haben, in ihrem natürlichen Zusammenhange zu studiren, aus ihnen gewissermaßen die Antike zu rekonstruiren. Um eine klare Vorstellung, ein richtiges Bild von Allem, was von Ueber¬ resten der Vergangenheit geblieben, im Zusammenhange mit dem Boden, auf welchem es stand, zu erlangen, bedürfte es einer möglichst genauen Darstellung des gesammten Territoriums. Eine Landesvermessung im gewöhnlichen Sinne, wie die schon früher entworfene französische Generalstabskarte von Griechen¬ land, konnte jenen Anforderungen nicht genügen, noch viel weniger durfte eine solche Arbeit in die Hände eines Technikers gelegt werden, dem kein Verständ¬ niß der Antike, keine Einsicht in die Verhältnisse damaliger Zeit zu Gebote steht, um Wichtiges von Nebensächlichem, Antikes von späteren oder Modernen unterscheiden zu können. Der Anregung von Ernst Curtius ist es zu verdanken, daß von Deutsch¬ land aus in der angedeuteten Richtung die ersten Schritte gethan und im Jahre 1862 von Seiten der preußischen Regierung eine Kommission zum Zwecke wissenschaftlicher Erforschung und Aufnahme archäologisch wichtiger Objekte nach Athen entsandt wurde. Das Resultat jener ersten Arbeiten be¬ schränkte sich im Wesentlichen auf die Vermessung Athen's und seiner nächsten Umgebung und wurde im Jahre 1868 durch Curtius in sieben Karten ver¬ öffentlicht. Damit war jedoch nur den nothwendigsten Bedürfnissen entsprochen. Die Grenzboten II. 1379. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/125>, abgerufen am 01.05.2024.