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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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gänge wie zur eignen Beruhigung auf feste Daten zu bringen, ist fo alt wie
der historische Sinn der Menschen überhaupt. Vorausgesetzt, daß unsre Frage
vor der Wissenschaft ehrlich als eine offne betrachtet wird, halte man nur
getrost an der traditionellen Zahl bis auf Weiteres fest.

Der Leipziger Buchdruck hat alle Ursache, mit freudigem Stolze auf die
vier Jahrhunderte seines Bestehens zurückzublicken. Eine lange Reihe von
Städten, die in der Geschichte der deutschen Typographie einst zu den glän¬
zendsten Namen zählten, steht heute fast bedeutungslos auf diesem Gebiete da.
Leipzig hat sich von den kümmerlichsten Anfängen im Laufe der Jahrhunderte
zum Haupt- und Mittelpunkte des deutschen Buchdruckes und Buchhandels
emporgerungen. Wenn es den Anschein hat, als sollte es ganz neuerdings
von Stuttgart überflügelt werden, so scheint es doch eben auf den ersten Blick
nur so. Der großen Anzahl "illustrirter Prachtwerke", die der Stuttgarter
Buchhandel im Laufe des letzten Jahrzehntes in rascher Folge auf den Markt
geworfen, hat Leipzig allerdings wenig Gleichartiges an die Seite zu setzen.
Was Leipzig fehlt, und worin Stuttgart augenblicklich unleugbar einen Vor¬
sprung hat, das ist eine tüchtige Schule für Xylographie, ein tüchtiges Institut
für Lichtdruck -- empfindliche Mängel, auf deren Beseitigung mit allen Mitteln
wird hingearbeitet werden müssen. Im Buchdruck aber, vor allem auch im
Holzschnittdruck behauptet Leipzig nach wie vor den ersten Rang, und die
Leipziger Kunstgewerbe-Ausstellung wird sicherlich zeigen, daß Leipzig gewillt
ist, diesen Rang auch in Zukunft zu behaupten und nicht in unthätiger
Siegesgewißheit die Hände in den Schooß zu legen.




Me
deutsche Literatur zur Zeit des siebenjährigen Krieges.
Julian Schmidt. Von I.

Das Erdbeben von Lissabon am 1. November 1755 hatte die Gemüther
auf eine uns ganz unverständliche Weise erschüttert. In dem stolzen Gefühl
der immer wachsenden Aufklärung hatte man sich allmählich eingeredet, die
Weltgeschichte gehe in gerader Linie vorwärts, und nicht blos die Wolffianer
glaubten an eine weise und stetig wirkende Vorsehung für das Ganze der Welt.


gänge wie zur eignen Beruhigung auf feste Daten zu bringen, ist fo alt wie
der historische Sinn der Menschen überhaupt. Vorausgesetzt, daß unsre Frage
vor der Wissenschaft ehrlich als eine offne betrachtet wird, halte man nur
getrost an der traditionellen Zahl bis auf Weiteres fest.

Der Leipziger Buchdruck hat alle Ursache, mit freudigem Stolze auf die
vier Jahrhunderte seines Bestehens zurückzublicken. Eine lange Reihe von
Städten, die in der Geschichte der deutschen Typographie einst zu den glän¬
zendsten Namen zählten, steht heute fast bedeutungslos auf diesem Gebiete da.
Leipzig hat sich von den kümmerlichsten Anfängen im Laufe der Jahrhunderte
zum Haupt- und Mittelpunkte des deutschen Buchdruckes und Buchhandels
emporgerungen. Wenn es den Anschein hat, als sollte es ganz neuerdings
von Stuttgart überflügelt werden, so scheint es doch eben auf den ersten Blick
nur so. Der großen Anzahl „illustrirter Prachtwerke", die der Stuttgarter
Buchhandel im Laufe des letzten Jahrzehntes in rascher Folge auf den Markt
geworfen, hat Leipzig allerdings wenig Gleichartiges an die Seite zu setzen.
Was Leipzig fehlt, und worin Stuttgart augenblicklich unleugbar einen Vor¬
sprung hat, das ist eine tüchtige Schule für Xylographie, ein tüchtiges Institut
für Lichtdruck — empfindliche Mängel, auf deren Beseitigung mit allen Mitteln
wird hingearbeitet werden müssen. Im Buchdruck aber, vor allem auch im
Holzschnittdruck behauptet Leipzig nach wie vor den ersten Rang, und die
Leipziger Kunstgewerbe-Ausstellung wird sicherlich zeigen, daß Leipzig gewillt
ist, diesen Rang auch in Zukunft zu behaupten und nicht in unthätiger
Siegesgewißheit die Hände in den Schooß zu legen.




Me
deutsche Literatur zur Zeit des siebenjährigen Krieges.
Julian Schmidt. Von I.

Das Erdbeben von Lissabon am 1. November 1755 hatte die Gemüther
auf eine uns ganz unverständliche Weise erschüttert. In dem stolzen Gefühl
der immer wachsenden Aufklärung hatte man sich allmählich eingeredet, die
Weltgeschichte gehe in gerader Linie vorwärts, und nicht blos die Wolffianer
glaubten an eine weise und stetig wirkende Vorsehung für das Ganze der Welt.


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[0254] gänge wie zur eignen Beruhigung auf feste Daten zu bringen, ist fo alt wie der historische Sinn der Menschen überhaupt. Vorausgesetzt, daß unsre Frage vor der Wissenschaft ehrlich als eine offne betrachtet wird, halte man nur getrost an der traditionellen Zahl bis auf Weiteres fest. Der Leipziger Buchdruck hat alle Ursache, mit freudigem Stolze auf die vier Jahrhunderte seines Bestehens zurückzublicken. Eine lange Reihe von Städten, die in der Geschichte der deutschen Typographie einst zu den glän¬ zendsten Namen zählten, steht heute fast bedeutungslos auf diesem Gebiete da. Leipzig hat sich von den kümmerlichsten Anfängen im Laufe der Jahrhunderte zum Haupt- und Mittelpunkte des deutschen Buchdruckes und Buchhandels emporgerungen. Wenn es den Anschein hat, als sollte es ganz neuerdings von Stuttgart überflügelt werden, so scheint es doch eben auf den ersten Blick nur so. Der großen Anzahl „illustrirter Prachtwerke", die der Stuttgarter Buchhandel im Laufe des letzten Jahrzehntes in rascher Folge auf den Markt geworfen, hat Leipzig allerdings wenig Gleichartiges an die Seite zu setzen. Was Leipzig fehlt, und worin Stuttgart augenblicklich unleugbar einen Vor¬ sprung hat, das ist eine tüchtige Schule für Xylographie, ein tüchtiges Institut für Lichtdruck — empfindliche Mängel, auf deren Beseitigung mit allen Mitteln wird hingearbeitet werden müssen. Im Buchdruck aber, vor allem auch im Holzschnittdruck behauptet Leipzig nach wie vor den ersten Rang, und die Leipziger Kunstgewerbe-Ausstellung wird sicherlich zeigen, daß Leipzig gewillt ist, diesen Rang auch in Zukunft zu behaupten und nicht in unthätiger Siegesgewißheit die Hände in den Schooß zu legen. Me deutsche Literatur zur Zeit des siebenjährigen Krieges. Julian Schmidt. Von I. Das Erdbeben von Lissabon am 1. November 1755 hatte die Gemüther auf eine uns ganz unverständliche Weise erschüttert. In dem stolzen Gefühl der immer wachsenden Aufklärung hatte man sich allmählich eingeredet, die Weltgeschichte gehe in gerader Linie vorwärts, und nicht blos die Wolffianer glaubten an eine weise und stetig wirkende Vorsehung für das Ganze der Welt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/254>, abgerufen am 30.04.2024.