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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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nach den Regeln des rationellen Absolutismus -- oder sagen wir ungescheut
des rationellen Despotismus -- immer zu den besten Resultaten führen; vor¬
ausgesetzt, daß der Regierende klug verfährt, sich nicht in den Mitteln vergreift,
sich zu rechter Zeit eine Partei zu bilden versteht und den feindlichen Elementen
entschlossen und, wo es sein muß, schonungslos zu Leibe geht. Auch Geduld
wird er nöthig haben, der neue Fürst, Geduld, wie sein Nachbar in Rumänien
sie besaß, und vor allem wird er dessen Beispiel insofern folgen müssen, daß
er sich nicht zum russischen Statthalter Herabdrücken läßt. Darin lag das
Hauptbedenken bei der neuen Schöpfung für Europa, darin der Grund des
Widerstandes der Mächte, zunächst England's, zuletzt auch (Oesterreich's wegen)
Deutschland's gegen das Großbulgcirieu des Friedens von San Stefano, darin
ohne Zweifel eine der Hauptursachen der Abneigung des Fürsten Bismarck, in
die von Gortschcckoff angestrebte Revision des Berliner Vertrags zu willigen,
bei dessen Zustandekommen der deutsche Reichskanzler, wie von allen Organen
der öffentlichen Meinung mit Ausnahme der russischen offiziösen Blätter bereit¬
willig anerkannt wird, für Rußland alles gethan hatte, was man dort von
seiner Loyalität und seiner Dankbarkeit, sowie von seinem Wunsche und Be¬
dürfnisse, mit Rußland gute Beziehungen aufrecht zu erhalten, erwarten konnte.


G


Sozialpolitisches aus dem hellenischen Alterthum.
ii.

Es ist nur eine Konsequenz des Prinzips der Gleichbefähigung und -Be¬
rechtigung der Geschlechter, daß im platonischen Staate Männer und Weiber
ohne Unterschied zu allen Bürgerpflichten herangezogen werden, und alle Bestim¬
mungen für beide gleichmäßig Geltung haben. Vom 18. Lebensjahre an
beginnen Jünglinge und Mädchen die kriegerischen Uebungen. Mit dem 20.
Jahre, in welchem auch bei den Athenern und Spartanern der eigentliche
Kriegsdienst begann, läßt Platon eine Ausscheidung derer eintreten, welche
Zwar zu Kriegern, nicht aber zu der höheren Geistesbildung befähigt sind. Sie
bilden den Kriegerstand, haben keine weitere Aufgabe als die Vertheidigung
des Staates und sind in jeder Beziehung dem Stande der Herrscher unter¬
worfen. Dieser wird aus denen gebildet, welche nach einer bis zum 30. Jahre
fortgesetzte" wissenschaftlichen Ausbildung den Beweis geben, daß sie in den


nach den Regeln des rationellen Absolutismus — oder sagen wir ungescheut
des rationellen Despotismus — immer zu den besten Resultaten führen; vor¬
ausgesetzt, daß der Regierende klug verfährt, sich nicht in den Mitteln vergreift,
sich zu rechter Zeit eine Partei zu bilden versteht und den feindlichen Elementen
entschlossen und, wo es sein muß, schonungslos zu Leibe geht. Auch Geduld
wird er nöthig haben, der neue Fürst, Geduld, wie sein Nachbar in Rumänien
sie besaß, und vor allem wird er dessen Beispiel insofern folgen müssen, daß
er sich nicht zum russischen Statthalter Herabdrücken läßt. Darin lag das
Hauptbedenken bei der neuen Schöpfung für Europa, darin der Grund des
Widerstandes der Mächte, zunächst England's, zuletzt auch (Oesterreich's wegen)
Deutschland's gegen das Großbulgcirieu des Friedens von San Stefano, darin
ohne Zweifel eine der Hauptursachen der Abneigung des Fürsten Bismarck, in
die von Gortschcckoff angestrebte Revision des Berliner Vertrags zu willigen,
bei dessen Zustandekommen der deutsche Reichskanzler, wie von allen Organen
der öffentlichen Meinung mit Ausnahme der russischen offiziösen Blätter bereit¬
willig anerkannt wird, für Rußland alles gethan hatte, was man dort von
seiner Loyalität und seiner Dankbarkeit, sowie von seinem Wunsche und Be¬
dürfnisse, mit Rußland gute Beziehungen aufrecht zu erhalten, erwarten konnte.


G


Sozialpolitisches aus dem hellenischen Alterthum.
ii.

Es ist nur eine Konsequenz des Prinzips der Gleichbefähigung und -Be¬
rechtigung der Geschlechter, daß im platonischen Staate Männer und Weiber
ohne Unterschied zu allen Bürgerpflichten herangezogen werden, und alle Bestim¬
mungen für beide gleichmäßig Geltung haben. Vom 18. Lebensjahre an
beginnen Jünglinge und Mädchen die kriegerischen Uebungen. Mit dem 20.
Jahre, in welchem auch bei den Athenern und Spartanern der eigentliche
Kriegsdienst begann, läßt Platon eine Ausscheidung derer eintreten, welche
Zwar zu Kriegern, nicht aber zu der höheren Geistesbildung befähigt sind. Sie
bilden den Kriegerstand, haben keine weitere Aufgabe als die Vertheidigung
des Staates und sind in jeder Beziehung dem Stande der Herrscher unter¬
worfen. Dieser wird aus denen gebildet, welche nach einer bis zum 30. Jahre
fortgesetzte» wissenschaftlichen Ausbildung den Beweis geben, daß sie in den


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[0453] nach den Regeln des rationellen Absolutismus — oder sagen wir ungescheut des rationellen Despotismus — immer zu den besten Resultaten führen; vor¬ ausgesetzt, daß der Regierende klug verfährt, sich nicht in den Mitteln vergreift, sich zu rechter Zeit eine Partei zu bilden versteht und den feindlichen Elementen entschlossen und, wo es sein muß, schonungslos zu Leibe geht. Auch Geduld wird er nöthig haben, der neue Fürst, Geduld, wie sein Nachbar in Rumänien sie besaß, und vor allem wird er dessen Beispiel insofern folgen müssen, daß er sich nicht zum russischen Statthalter Herabdrücken läßt. Darin lag das Hauptbedenken bei der neuen Schöpfung für Europa, darin der Grund des Widerstandes der Mächte, zunächst England's, zuletzt auch (Oesterreich's wegen) Deutschland's gegen das Großbulgcirieu des Friedens von San Stefano, darin ohne Zweifel eine der Hauptursachen der Abneigung des Fürsten Bismarck, in die von Gortschcckoff angestrebte Revision des Berliner Vertrags zu willigen, bei dessen Zustandekommen der deutsche Reichskanzler, wie von allen Organen der öffentlichen Meinung mit Ausnahme der russischen offiziösen Blätter bereit¬ willig anerkannt wird, für Rußland alles gethan hatte, was man dort von seiner Loyalität und seiner Dankbarkeit, sowie von seinem Wunsche und Be¬ dürfnisse, mit Rußland gute Beziehungen aufrecht zu erhalten, erwarten konnte. G Sozialpolitisches aus dem hellenischen Alterthum. ii. Es ist nur eine Konsequenz des Prinzips der Gleichbefähigung und -Be¬ rechtigung der Geschlechter, daß im platonischen Staate Männer und Weiber ohne Unterschied zu allen Bürgerpflichten herangezogen werden, und alle Bestim¬ mungen für beide gleichmäßig Geltung haben. Vom 18. Lebensjahre an beginnen Jünglinge und Mädchen die kriegerischen Uebungen. Mit dem 20. Jahre, in welchem auch bei den Athenern und Spartanern der eigentliche Kriegsdienst begann, läßt Platon eine Ausscheidung derer eintreten, welche Zwar zu Kriegern, nicht aber zu der höheren Geistesbildung befähigt sind. Sie bilden den Kriegerstand, haben keine weitere Aufgabe als die Vertheidigung des Staates und sind in jeder Beziehung dem Stande der Herrscher unter¬ worfen. Dieser wird aus denen gebildet, welche nach einer bis zum 30. Jahre fortgesetzte» wissenschaftlichen Ausbildung den Beweis geben, daß sie in den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/453>, abgerufen am 01.05.2024.