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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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losigkeit unter einer Regierung, der an Reichthum, Kühnheit und.nöthigenfalls
an Zähigkeit der Initiative keine jemals an die Seite gesetzt werden kann. In
solche Uebertreibungen verfällt Herr Laster, wo ihm sein Kopf nicht gleich den
Schlüssel der Handlung gibt. Sollen wir die neueren Reden erwähnen, die
gegen das erste Sozialistengesetz im Mai 1878 oder die bei der Generaldis-
kujsiou der Finanzreform in diesem Jahre, wo Herr Laster die völlige Unzu-
verlässigkeit und Werthlosigkeit, die völlige Unkenntniß der einschlagenden Landes¬
gesetze bei dem "ersten Beamten des Reiches und preußischen Ministerpräsidenten"
zu konstatiren sich vermaß, wo er demselben vorwarf, die Politik der Reichen
zum Unglück der Armen zu treiben? Erinnern wir lieber an eine Rede von
1873, wo er schon einmal behauptete, das Volk und dessen Rechte gegen den
Kanzler zu vertheidigen, gegen den Kanzler, der die schwerste Arbeit des Denkens
und des Wollens Tag und Nacht bis zum Opfer des Lebens in den Dienst
des Volkes stellt. Will Herr Laster behaupten, daß der deutsche Staat nicht
für das deutsche Volk gebaut werde, sondern als Spielzeug der Herrschaft für
Wenige?

Herr Laster, so lang unsere Anklage geworden, steht edel da neben dem
Cynismus eines Georg v. Bunsen, der eben in einer Rede zu Hirschberg den
Chnismus des vorerwähnten Jrländers zu übertreffen unternommen hat. Aber
weil wir Herrn Laster das schönste Lob seiner eifrigsten Freunde, das Lob
eines vollkommen redlichen Mannes ertheilen, darum fragen wir ihn, ob sein
Gewissen nicht Folgendes bestätigt: Hätte er nicht, wenn er im gegebenen
Moment jedesmal seinen Willen erreicht, alle nachfolgenden Erfolge des
Kanzlers vereitelt? Würde nicht, wenn Herr Laster nicht zu oft noch seinen
Willen durchgesetzt, die innere Lage des dentschen Reiches eine größere Eintracht
unter den patriotischen Elementen und im ganzen ein weit zufriedenstellenderes
Antlitz zeigen?

Ein natioualliberales Organ definirte kürzlich den Charakter des Herrn
v. Bennigsen als vornehme Passivität. Möchte die Partei oder doch der Theil,
der sich von Herrn Laster emanzipiren kann, denselben Charakter annehmen:
die vornehme Zurückhaltung, aber nicht Enthaltung des Erben, dem die größte
Erbschaft zufallen muß. Wer kann die Frucht der Lebensarbeit des Kanzlers
erben, als die Nation, für deren besten Theil die Partei vielleicht das Recht
hat sich zu halten. Hat man doch mit Selbstgefühl gesagt, daß eine Partei
länger lebe als ein Mensch. Nun wohl, so höre man auf, die Arbeit eines
auserwählten Menschen zu stören, deren Früchte man erben muß, wenn man
die Erbschaft nicht zerstört oder durch den Versuch der Zerstörung sich jedes
Unrechtes auf dieselbe beraubt ^ .




Zur Beachtung. Mit nächstem Hefte beginnt diese Zeitschrift das III. Quartal ihres
38. Jahrgangs, welches dnrch alle Buchhandlungen und Postan-
stalten des' Zu- und Auslandes zu beziehen ist. Preis pro Quartal !) Mark. Leipzig, im Juni 1879. - Die Verlagshandlung.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunvw in Leipzig,
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Hiithel Ä Herrmann in Leipzig

losigkeit unter einer Regierung, der an Reichthum, Kühnheit und.nöthigenfalls
an Zähigkeit der Initiative keine jemals an die Seite gesetzt werden kann. In
solche Uebertreibungen verfällt Herr Laster, wo ihm sein Kopf nicht gleich den
Schlüssel der Handlung gibt. Sollen wir die neueren Reden erwähnen, die
gegen das erste Sozialistengesetz im Mai 1878 oder die bei der Generaldis-
kujsiou der Finanzreform in diesem Jahre, wo Herr Laster die völlige Unzu-
verlässigkeit und Werthlosigkeit, die völlige Unkenntniß der einschlagenden Landes¬
gesetze bei dem „ersten Beamten des Reiches und preußischen Ministerpräsidenten"
zu konstatiren sich vermaß, wo er demselben vorwarf, die Politik der Reichen
zum Unglück der Armen zu treiben? Erinnern wir lieber an eine Rede von
1873, wo er schon einmal behauptete, das Volk und dessen Rechte gegen den
Kanzler zu vertheidigen, gegen den Kanzler, der die schwerste Arbeit des Denkens
und des Wollens Tag und Nacht bis zum Opfer des Lebens in den Dienst
des Volkes stellt. Will Herr Laster behaupten, daß der deutsche Staat nicht
für das deutsche Volk gebaut werde, sondern als Spielzeug der Herrschaft für
Wenige?

Herr Laster, so lang unsere Anklage geworden, steht edel da neben dem
Cynismus eines Georg v. Bunsen, der eben in einer Rede zu Hirschberg den
Chnismus des vorerwähnten Jrländers zu übertreffen unternommen hat. Aber
weil wir Herrn Laster das schönste Lob seiner eifrigsten Freunde, das Lob
eines vollkommen redlichen Mannes ertheilen, darum fragen wir ihn, ob sein
Gewissen nicht Folgendes bestätigt: Hätte er nicht, wenn er im gegebenen
Moment jedesmal seinen Willen erreicht, alle nachfolgenden Erfolge des
Kanzlers vereitelt? Würde nicht, wenn Herr Laster nicht zu oft noch seinen
Willen durchgesetzt, die innere Lage des dentschen Reiches eine größere Eintracht
unter den patriotischen Elementen und im ganzen ein weit zufriedenstellenderes
Antlitz zeigen?

Ein natioualliberales Organ definirte kürzlich den Charakter des Herrn
v. Bennigsen als vornehme Passivität. Möchte die Partei oder doch der Theil,
der sich von Herrn Laster emanzipiren kann, denselben Charakter annehmen:
die vornehme Zurückhaltung, aber nicht Enthaltung des Erben, dem die größte
Erbschaft zufallen muß. Wer kann die Frucht der Lebensarbeit des Kanzlers
erben, als die Nation, für deren besten Theil die Partei vielleicht das Recht
hat sich zu halten. Hat man doch mit Selbstgefühl gesagt, daß eine Partei
länger lebe als ein Mensch. Nun wohl, so höre man auf, die Arbeit eines
auserwählten Menschen zu stören, deren Früchte man erben muß, wenn man
die Erbschaft nicht zerstört oder durch den Versuch der Zerstörung sich jedes
Unrechtes auf dieselbe beraubt ^ .




Zur Beachtung. Mit nächstem Hefte beginnt diese Zeitschrift das III. Quartal ihres
38. Jahrgangs, welches dnrch alle Buchhandlungen und Postan-
stalten des' Zu- und Auslandes zu beziehen ist. Preis pro Quartal !) Mark. Leipzig, im Juni 1879. - Die Verlagshandlung.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunvw in Leipzig,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/536>, abgerufen am 30.04.2024.