Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.lassen. Warum nicht ebenfalls alle sechs oder sieben Jahre? Wieder eine Keue Innungen. Unsere Zeit ist eine raschlebige; sie läßt den Menschen keine Zeit, irgend lassen. Warum nicht ebenfalls alle sechs oder sieben Jahre? Wieder eine Keue Innungen. Unsere Zeit ist eine raschlebige; sie läßt den Menschen keine Zeit, irgend <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0058" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/143113"/> <p xml:id="ID_198" prev="#ID_197"> lassen. Warum nicht ebenfalls alle sechs oder sieben Jahre? Wieder eine<lb/> andere Frage ist endlich die, ob es zulässig sein würde, daß derselbe Reichstag,<lb/> welcher die Verlängerung der Wahl- und Legislaturperiode beschlösse, sich selbst<lb/> auch den Genuß der Sache zuspräche und sein Mandat um ein, drei oder vier<lb/> Jahre verlängerte. Wir würden diese Frage entschieden verneinen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Keue Innungen.</head><lb/> <p xml:id="ID_199" next="#ID_200"> Unsere Zeit ist eine raschlebige; sie läßt den Menschen keine Zeit, irgend<lb/> eine neu auftauchende Frage ruhig in sich zu verarbeiten und alle einschlägigen<lb/> Gesichtspunkte zu prüfen, ehe man Stellung zu ihr nimmt. Wie sie auf der<lb/> einen Seite das ihr nicht mehr brauchbar Erscheinende ohne großes Besinnen<lb/> zerstört, so läßt sie auf der andern auch wieder schnell neue Bildungen hervor¬<lb/> schießen und gestattet uns wohl die Wahl, ob wir uns prinzipiell zustimmend<lb/> oder ablehnend zu ihnen verhalten, nicht aber die Wahl, ob wir ihr Entstehen<lb/> begünstigen oder verhindern, oder ob wir die Erscheinungsform so oder anders<lb/> wünschen sollen. Die neue Erscheinung pflegt mit einem Male da zu sein, und<lb/> es bleibt uns nichts übrig, als uns von allgemeinem Standpunkte aus mit ihr<lb/> abzufinden. Weil aber nicht alle Leute die Gabe haben, eine rasche Entschei¬<lb/> dung zu treffen, so kommt es wohl vor, daß die wichtigsten Dinge mit der<lb/> Ungunst einer gewissen Unsicherheit, ja Verblüfftheit zu kämpfen haben, und<lb/> daß gerade diejenigen Kreise, die sich in erster Linie für solche Dinge interessiren<lb/> sollten, sich lange Zeit davon fern halten. Zu diesen Kreisen gehören aber bei<lb/> der uns hier beschäftigenden Frage nicht etwa blos die Handwerker, sondern<lb/> Alle, die eine in zeitgemäßer Weise fortschreitende, gemäßigt-liberale, dabei die<lb/> relative Berechtigung eines gesunden Konservatismus nicht verkennende, vor<lb/> allem aber die nationale Eigenart berücksichtigende Entwickelung unseres wirth¬<lb/> schaftlichen und sozialen Lebens erstreben. Daß auf diesen beiden Gebieten ein<lb/> prinzipieller Abschluß vorliege, an dem schlechterdings nach keiner Seite hin gerüttelt<lb/> werden dürfe, ist doch gewiß eine Meinung, welche nur von extremen Politikern<lb/> zum Ausgangspunkte ihres Verhaltens gemacht werden kann. Für alle aber,<lb/> welche anders denken, kann in dem Auftauchen einer neuen Bildung kein anderer<lb/> Antrieb liegen als der, sich mit derselben zu befassen und nach unbefangener<lb/> Prüfung zu ihr Stellung zu nehmen, ohne daß hierbei die leitenden Prinzipien<lb/> im Stiche gelassen, aber auch ohne daß scheinbar sich ergebende Inkongruenzen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0058]
lassen. Warum nicht ebenfalls alle sechs oder sieben Jahre? Wieder eine
andere Frage ist endlich die, ob es zulässig sein würde, daß derselbe Reichstag,
welcher die Verlängerung der Wahl- und Legislaturperiode beschlösse, sich selbst
auch den Genuß der Sache zuspräche und sein Mandat um ein, drei oder vier
Jahre verlängerte. Wir würden diese Frage entschieden verneinen.
Keue Innungen.
Unsere Zeit ist eine raschlebige; sie läßt den Menschen keine Zeit, irgend
eine neu auftauchende Frage ruhig in sich zu verarbeiten und alle einschlägigen
Gesichtspunkte zu prüfen, ehe man Stellung zu ihr nimmt. Wie sie auf der
einen Seite das ihr nicht mehr brauchbar Erscheinende ohne großes Besinnen
zerstört, so läßt sie auf der andern auch wieder schnell neue Bildungen hervor¬
schießen und gestattet uns wohl die Wahl, ob wir uns prinzipiell zustimmend
oder ablehnend zu ihnen verhalten, nicht aber die Wahl, ob wir ihr Entstehen
begünstigen oder verhindern, oder ob wir die Erscheinungsform so oder anders
wünschen sollen. Die neue Erscheinung pflegt mit einem Male da zu sein, und
es bleibt uns nichts übrig, als uns von allgemeinem Standpunkte aus mit ihr
abzufinden. Weil aber nicht alle Leute die Gabe haben, eine rasche Entschei¬
dung zu treffen, so kommt es wohl vor, daß die wichtigsten Dinge mit der
Ungunst einer gewissen Unsicherheit, ja Verblüfftheit zu kämpfen haben, und
daß gerade diejenigen Kreise, die sich in erster Linie für solche Dinge interessiren
sollten, sich lange Zeit davon fern halten. Zu diesen Kreisen gehören aber bei
der uns hier beschäftigenden Frage nicht etwa blos die Handwerker, sondern
Alle, die eine in zeitgemäßer Weise fortschreitende, gemäßigt-liberale, dabei die
relative Berechtigung eines gesunden Konservatismus nicht verkennende, vor
allem aber die nationale Eigenart berücksichtigende Entwickelung unseres wirth¬
schaftlichen und sozialen Lebens erstreben. Daß auf diesen beiden Gebieten ein
prinzipieller Abschluß vorliege, an dem schlechterdings nach keiner Seite hin gerüttelt
werden dürfe, ist doch gewiß eine Meinung, welche nur von extremen Politikern
zum Ausgangspunkte ihres Verhaltens gemacht werden kann. Für alle aber,
welche anders denken, kann in dem Auftauchen einer neuen Bildung kein anderer
Antrieb liegen als der, sich mit derselben zu befassen und nach unbefangener
Prüfung zu ihr Stellung zu nehmen, ohne daß hierbei die leitenden Prinzipien
im Stiche gelassen, aber auch ohne daß scheinbar sich ergebende Inkongruenzen
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