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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Die Abbildungen der vorliegenden beiden Lieferungen sind, wie von der Spe-
mannschen Verlagshandlung zu erwarten, technisch tadellos. Komisch ist nur ihre
Vertheilung. Da Porträts und Autographen von altchinesischen, altindischen und
altaegyptischen "Tondichtern" nicht zu beschaffen waren, so enthält die erste Lieferung
mitten unter dem Texte über China und Indien das Facsimile eines Autographs von
Franz Schubert und ein Bild von de Ccmuontelle: "Leopold Mozart mit seinen Kindern
musicirend", die zweite Lieferung mitten in Indien und Aegypten die Nachbildung
einer Handschrift Beethovens und Handels Porträt nach Hudson. Natürlich wird der
Buchbinder später dies Kunterbunt in Ordnung bringen, es ist kein Unheil. Unpassend ist
es aber, daß die Facsimiles mit erklärenden Unterschriften in moderner Schrift versehen
sind; diese Notizen gehören schlechterdings in den Text. Ueber die sonstige künstlerische
Ausstattung dieser beiden Lieferungen ist es am besten zu schweigen. Wir haben
bisher viel zu große Hochachtung vor dem Geschmack der Spemann'schen Verlags¬
handlung gehabt, als daß wir glauben könnten, sie empfinde nicht selbst die Stil-
mengerei, die z. B. zwischen der Umschlagszeichnung, dem Titelrahmen auf S. 1
und den Initialen hervortritt. Warum bietet sie aber dann dergleichen dem Publi¬
kum? Man durfte den ornamentalen Versuchen gegenüber, die in den letzten Jahren
in unserer Buchausstattung gemacht worden sind, eine Zeit lang Nachsicht üben, da
nach einer langen Periode des Verfalls fast allgemeine Rathlosigkeit in diesen Dingen
herrschte. Aber nach und nach könnte doch begriffen worden sein, worauf es ankommt;
gesagt worden ist es wenigstens oft genng, auch an dieser Stelle. Für solche
"Bnchcrorncunentik" wie sie hier wieder geboten wird, bitte! bitte! lieber keine!

Ueber Herrn Dr. Neißmann und sein Opus im nächsten Hefte.




Krieg zwischen Rußland und (Lhina?

Ein neuer asiatischer Kampf in Sicht, Krieg zwischen Rußland und China!
Den russischen Behörden jenseits des Ural ist telegraphisch der Befehl zuge¬
gangen, alle dortigen strategischen Straßen für den Verkehr von Truppen und
Kriegsmaterial in Stand zu setzen. Gleichzeitig ist die Summe von einer
halben Million Rubel für die Verbesserung der Straßen von Orenburg nach
Centralasien ausgeworfen worden. In Odessa sammeln sich Schiffe zum Trcms-


thmng gehorchendes Volk (wir würden heute sagen "beschränkter Unterthanenverstand") --
S. Is: Japanesische Gesandte sollen früher die fremden Herrscher nicht angeredet, sondern
angesungen haben. "Diplomatische Noten" hatten somit in Japan einen Doppelsinn und
perdienten hier erst völlig ihren Namen; wobei wir natürlich nicht vorauszusetzen wagen,
daß ein gesungen ungetheiltes Ultimatum anders geklungen habe als eine Gratulation.

Die Abbildungen der vorliegenden beiden Lieferungen sind, wie von der Spe-
mannschen Verlagshandlung zu erwarten, technisch tadellos. Komisch ist nur ihre
Vertheilung. Da Porträts und Autographen von altchinesischen, altindischen und
altaegyptischen „Tondichtern" nicht zu beschaffen waren, so enthält die erste Lieferung
mitten unter dem Texte über China und Indien das Facsimile eines Autographs von
Franz Schubert und ein Bild von de Ccmuontelle: „Leopold Mozart mit seinen Kindern
musicirend", die zweite Lieferung mitten in Indien und Aegypten die Nachbildung
einer Handschrift Beethovens und Handels Porträt nach Hudson. Natürlich wird der
Buchbinder später dies Kunterbunt in Ordnung bringen, es ist kein Unheil. Unpassend ist
es aber, daß die Facsimiles mit erklärenden Unterschriften in moderner Schrift versehen
sind; diese Notizen gehören schlechterdings in den Text. Ueber die sonstige künstlerische
Ausstattung dieser beiden Lieferungen ist es am besten zu schweigen. Wir haben
bisher viel zu große Hochachtung vor dem Geschmack der Spemann'schen Verlags¬
handlung gehabt, als daß wir glauben könnten, sie empfinde nicht selbst die Stil-
mengerei, die z. B. zwischen der Umschlagszeichnung, dem Titelrahmen auf S. 1
und den Initialen hervortritt. Warum bietet sie aber dann dergleichen dem Publi¬
kum? Man durfte den ornamentalen Versuchen gegenüber, die in den letzten Jahren
in unserer Buchausstattung gemacht worden sind, eine Zeit lang Nachsicht üben, da
nach einer langen Periode des Verfalls fast allgemeine Rathlosigkeit in diesen Dingen
herrschte. Aber nach und nach könnte doch begriffen worden sein, worauf es ankommt;
gesagt worden ist es wenigstens oft genng, auch an dieser Stelle. Für solche
„Bnchcrorncunentik" wie sie hier wieder geboten wird, bitte! bitte! lieber keine!

Ueber Herrn Dr. Neißmann und sein Opus im nächsten Hefte.




Krieg zwischen Rußland und (Lhina?

Ein neuer asiatischer Kampf in Sicht, Krieg zwischen Rußland und China!
Den russischen Behörden jenseits des Ural ist telegraphisch der Befehl zuge¬
gangen, alle dortigen strategischen Straßen für den Verkehr von Truppen und
Kriegsmaterial in Stand zu setzen. Gleichzeitig ist die Summe von einer
halben Million Rubel für die Verbesserung der Straßen von Orenburg nach
Centralasien ausgeworfen worden. In Odessa sammeln sich Schiffe zum Trcms-


thmng gehorchendes Volk (wir würden heute sagen „beschränkter Unterthanenverstand") —
S. Is: Japanesische Gesandte sollen früher die fremden Herrscher nicht angeredet, sondern
angesungen haben. „Diplomatische Noten" hatten somit in Japan einen Doppelsinn und
perdienten hier erst völlig ihren Namen; wobei wir natürlich nicht vorauszusetzen wagen,
daß ein gesungen ungetheiltes Ultimatum anders geklungen habe als eine Gratulation.
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[0396] Die Abbildungen der vorliegenden beiden Lieferungen sind, wie von der Spe- mannschen Verlagshandlung zu erwarten, technisch tadellos. Komisch ist nur ihre Vertheilung. Da Porträts und Autographen von altchinesischen, altindischen und altaegyptischen „Tondichtern" nicht zu beschaffen waren, so enthält die erste Lieferung mitten unter dem Texte über China und Indien das Facsimile eines Autographs von Franz Schubert und ein Bild von de Ccmuontelle: „Leopold Mozart mit seinen Kindern musicirend", die zweite Lieferung mitten in Indien und Aegypten die Nachbildung einer Handschrift Beethovens und Handels Porträt nach Hudson. Natürlich wird der Buchbinder später dies Kunterbunt in Ordnung bringen, es ist kein Unheil. Unpassend ist es aber, daß die Facsimiles mit erklärenden Unterschriften in moderner Schrift versehen sind; diese Notizen gehören schlechterdings in den Text. Ueber die sonstige künstlerische Ausstattung dieser beiden Lieferungen ist es am besten zu schweigen. Wir haben bisher viel zu große Hochachtung vor dem Geschmack der Spemann'schen Verlags¬ handlung gehabt, als daß wir glauben könnten, sie empfinde nicht selbst die Stil- mengerei, die z. B. zwischen der Umschlagszeichnung, dem Titelrahmen auf S. 1 und den Initialen hervortritt. Warum bietet sie aber dann dergleichen dem Publi¬ kum? Man durfte den ornamentalen Versuchen gegenüber, die in den letzten Jahren in unserer Buchausstattung gemacht worden sind, eine Zeit lang Nachsicht üben, da nach einer langen Periode des Verfalls fast allgemeine Rathlosigkeit in diesen Dingen herrschte. Aber nach und nach könnte doch begriffen worden sein, worauf es ankommt; gesagt worden ist es wenigstens oft genng, auch an dieser Stelle. Für solche „Bnchcrorncunentik" wie sie hier wieder geboten wird, bitte! bitte! lieber keine! Ueber Herrn Dr. Neißmann und sein Opus im nächsten Hefte. Krieg zwischen Rußland und (Lhina? Ein neuer asiatischer Kampf in Sicht, Krieg zwischen Rußland und China! Den russischen Behörden jenseits des Ural ist telegraphisch der Befehl zuge¬ gangen, alle dortigen strategischen Straßen für den Verkehr von Truppen und Kriegsmaterial in Stand zu setzen. Gleichzeitig ist die Summe von einer halben Million Rubel für die Verbesserung der Straßen von Orenburg nach Centralasien ausgeworfen worden. In Odessa sammeln sich Schiffe zum Trcms- thmng gehorchendes Volk (wir würden heute sagen „beschränkter Unterthanenverstand") — S. Is: Japanesische Gesandte sollen früher die fremden Herrscher nicht angeredet, sondern angesungen haben. „Diplomatische Noten" hatten somit in Japan einen Doppelsinn und perdienten hier erst völlig ihren Namen; wobei wir natürlich nicht vorauszusetzen wagen, daß ein gesungen ungetheiltes Ultimatum anders geklungen habe als eine Gratulation.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/396>, abgerufen am 05.05.2024.