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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Türken. Wie konnte es auch anders sein? Den Christen, die noch immer in
der Praxis keinen Grundbesitz erwerben, nicht einmal Sicherheit für ihr sonstiges
Eigenthum erreichen konnten, war nichts daran gelegen, an der Seite ihrer
Unterdrücker die Waffen für eben diese zu tragen. Wenn man ihnen gestattet
hätte, Waffen zu tragen -- was ihnen zu allen Zeiten verboten war --, um
sich gegen die Willkürlichsten der türkischen Grundbesitzer zu wehren, so wäre
ihnen das eine willkommene Gabe gewesen; aber mit den Muselmännern in
einem und demselben Regiment, natürlich unter türkischen Commandeuren, zu
dienen, das war eine Zumuthung, der sie sich aufs äußerste widersetzten. Alt
ihrem und der Türken einmüthigem Widerstande ist der Hat-Humayun von
1856 ebenso gescheitert wie der Hatischerif von Guilhane; so sehr sie sonst in
ihren Intentionen und in ihrer ganzen Sinnesweise auseinandergingen, in
diesem Punkte waren sie einig.

Aber nicht diese in der Natur der inneren Zustände der Türkei liegenden
Verhältnisse allein sind es, welche die orientalische Frage zu einer so compli-
cirten, ihre Lösung zu einer so sehr verwickelten machen. Sie bilden nur das
eine Moment: das andere liegt in der natürlichen Eifersucht der große"
europäischen Mächte untereinander. Denn so unzweifelhaft es auch ist, daß nur
eben durch diese Eisersucht die Existenz der Pforte bisher den beständigen
Angriffen Rußlands gegenüber gesichert worden ist, so erhellt doch auf der
andern Seite, in welche schwierige Lage die Pforte durch dieselbe versetzt ist.

(Schluß folgt.)




Krause.
Nach seinen Briefen.
V A. Procksch. on 1.

Krause! -- Wer ist Krause? -- Ist es der philosophische Schriftsteller,
der sehnlichst darnach strebte, an einer deutschen Universität eine Professur zu
erlangen, und der es Zeit seines Lebens nicht über den Privatdocenten hinaus¬
brachte? der unter den Freimaurern eine Rolle zu spielen suchte, bis er wegen
des Bruches seines Maurerschwures aus dem Orden ausgestoßen werden mußte?
der in Jena, Rudolstadt, Dresden, Berlin, wieder in Dresden, dann in Göt¬
tingen und endlich in München ein halbes Abenteurerleben führte, zeitlebens ohne


Türken. Wie konnte es auch anders sein? Den Christen, die noch immer in
der Praxis keinen Grundbesitz erwerben, nicht einmal Sicherheit für ihr sonstiges
Eigenthum erreichen konnten, war nichts daran gelegen, an der Seite ihrer
Unterdrücker die Waffen für eben diese zu tragen. Wenn man ihnen gestattet
hätte, Waffen zu tragen — was ihnen zu allen Zeiten verboten war —, um
sich gegen die Willkürlichsten der türkischen Grundbesitzer zu wehren, so wäre
ihnen das eine willkommene Gabe gewesen; aber mit den Muselmännern in
einem und demselben Regiment, natürlich unter türkischen Commandeuren, zu
dienen, das war eine Zumuthung, der sie sich aufs äußerste widersetzten. Alt
ihrem und der Türken einmüthigem Widerstande ist der Hat-Humayun von
1856 ebenso gescheitert wie der Hatischerif von Guilhane; so sehr sie sonst in
ihren Intentionen und in ihrer ganzen Sinnesweise auseinandergingen, in
diesem Punkte waren sie einig.

Aber nicht diese in der Natur der inneren Zustände der Türkei liegenden
Verhältnisse allein sind es, welche die orientalische Frage zu einer so compli-
cirten, ihre Lösung zu einer so sehr verwickelten machen. Sie bilden nur das
eine Moment: das andere liegt in der natürlichen Eifersucht der große»
europäischen Mächte untereinander. Denn so unzweifelhaft es auch ist, daß nur
eben durch diese Eisersucht die Existenz der Pforte bisher den beständigen
Angriffen Rußlands gegenüber gesichert worden ist, so erhellt doch auf der
andern Seite, in welche schwierige Lage die Pforte durch dieselbe versetzt ist.

(Schluß folgt.)




Krause.
Nach seinen Briefen.
V A. Procksch. on 1.

Krause! — Wer ist Krause? — Ist es der philosophische Schriftsteller,
der sehnlichst darnach strebte, an einer deutschen Universität eine Professur zu
erlangen, und der es Zeit seines Lebens nicht über den Privatdocenten hinaus¬
brachte? der unter den Freimaurern eine Rolle zu spielen suchte, bis er wegen
des Bruches seines Maurerschwures aus dem Orden ausgestoßen werden mußte?
der in Jena, Rudolstadt, Dresden, Berlin, wieder in Dresden, dann in Göt¬
tingen und endlich in München ein halbes Abenteurerleben führte, zeitlebens ohne


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[0148] Türken. Wie konnte es auch anders sein? Den Christen, die noch immer in der Praxis keinen Grundbesitz erwerben, nicht einmal Sicherheit für ihr sonstiges Eigenthum erreichen konnten, war nichts daran gelegen, an der Seite ihrer Unterdrücker die Waffen für eben diese zu tragen. Wenn man ihnen gestattet hätte, Waffen zu tragen — was ihnen zu allen Zeiten verboten war —, um sich gegen die Willkürlichsten der türkischen Grundbesitzer zu wehren, so wäre ihnen das eine willkommene Gabe gewesen; aber mit den Muselmännern in einem und demselben Regiment, natürlich unter türkischen Commandeuren, zu dienen, das war eine Zumuthung, der sie sich aufs äußerste widersetzten. Alt ihrem und der Türken einmüthigem Widerstande ist der Hat-Humayun von 1856 ebenso gescheitert wie der Hatischerif von Guilhane; so sehr sie sonst in ihren Intentionen und in ihrer ganzen Sinnesweise auseinandergingen, in diesem Punkte waren sie einig. Aber nicht diese in der Natur der inneren Zustände der Türkei liegenden Verhältnisse allein sind es, welche die orientalische Frage zu einer so compli- cirten, ihre Lösung zu einer so sehr verwickelten machen. Sie bilden nur das eine Moment: das andere liegt in der natürlichen Eifersucht der große» europäischen Mächte untereinander. Denn so unzweifelhaft es auch ist, daß nur eben durch diese Eisersucht die Existenz der Pforte bisher den beständigen Angriffen Rußlands gegenüber gesichert worden ist, so erhellt doch auf der andern Seite, in welche schwierige Lage die Pforte durch dieselbe versetzt ist. (Schluß folgt.) Krause. Nach seinen Briefen. V A. Procksch. on 1. Krause! — Wer ist Krause? — Ist es der philosophische Schriftsteller, der sehnlichst darnach strebte, an einer deutschen Universität eine Professur zu erlangen, und der es Zeit seines Lebens nicht über den Privatdocenten hinaus¬ brachte? der unter den Freimaurern eine Rolle zu spielen suchte, bis er wegen des Bruches seines Maurerschwures aus dem Orden ausgestoßen werden mußte? der in Jena, Rudolstadt, Dresden, Berlin, wieder in Dresden, dann in Göt¬ tingen und endlich in München ein halbes Abenteurerleben führte, zeitlebens ohne

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/148>, abgerufen am 06.05.2024.