Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Wir haben nichts weiter hinzuzufügen. Daß wir keine einzige Musikzeitung
haben, die dem Interesse ihrer Leser gerecht wurde, in Bezug auf die Fortent¬
wicklung der Kunst und ihrer Wissenschaft M cour^t zu bleiben, meinen wir
zur Genüge betont zu haben. Da wir nicht vom Katheder reden, sondern in
langjährigen intimen Beziehungen unsere Erfahrungen gemacht haben, so
fürchten wir den Vorwurf der Ungerechtigkeit nicht. Das Betrübendste ist die
Unzuverlüssigkeit der über Bücher und Compositionen ausgesprochenen Urtheile.
Leute, die noch in den Kinderschuhen stecken und sich kaum verständlich deutsch
ausdrücken können, urtheilen über Werke und Leistungen; Compositionen werden
gelobt oder getadelt je nach dem Namen des Verfassers oder Verlegers, die
unbedeutendsten Nichtigkeiten werden als Meisterwerke angepriesen und hochbe-
deutende Novitäten todtgeschwiegen oder mit Achselzucken abgefertigt; gegen ver¬
diente Männer wird agitirt, und Nichtwisser und Abschreiber werden in den
Vordergrund geschoben. Diese Zustände sind höchst bedauerlich, und es wäre
unbegreiflich, wie diese Zeitungen überhaupt Abonnenten finden, wenn nicht die
meisten einen prononcirten Parteistandpunkt einnahmen, der ihnen einen kleinen
Leserkreis sichert, und wenn nicht das Bedürfniß der Menge, einen Führer
durch die neue Musikliteratur zu haben, Ursache würde, in Ermangelung eines
guten sich einem schlechten anzuvertrauen. Rentabel für den Verleger ist übri¬
gens wohl mit Ausnahme des zuerst geschilderten Blattes kein einziges, da die
Abonnentenzahl bei allen nur eine sehr kleine ist.


5 V *


Zur Finanz-, Schifffahrts- und Gisenbahnfrage in den
Vereinigten Staaten.

Am 1. December 1879 ist bekanntlich der 46. Congreß der Vereinigten
Staaten, in welchem die demokratische Partei noch immer in beiden Häusern,
im Senat wie im Repräsentantenhause, eine geringe Mehrheit hat, zu seiner


redigirte volkswirtschaftliche und -- eine musikalische Abtheilung. Ueber die letztere lichte
sich ein Lied singen; sie ist jedenfalls das Tollste, was gebildeten Lesern in diesen? Genre
zugemuthet werden kann. Es ist längst ein stiller Wunsch der "Grenzboten" gewesen, ihren
Lesern von dein Leiter dieser musikalischen Abtheilung -- einer der größten Zierden der
Leipziger Universität und des "königlichen" Couservntoriums der Musik in Leipzig, einem
der gelehrtesten Musikhistoriker, der berühmtesten "Clavierpädagogcn" und zugleich der ge¬
schmackvollsten Stilisten Deutschlands -- an der Hand seiner eignen autobiographischen und
sonstigen Schriften einmal ein getreues Conterfei vorzuführen. Vielleicht wird's nächstens. Treibet das Handwerk nur fort, wir können's euch freilich nicht legen; Aber ruhig, das glaubt, treibt ihr es künftig nicht mehr. D. Red.

Wir haben nichts weiter hinzuzufügen. Daß wir keine einzige Musikzeitung
haben, die dem Interesse ihrer Leser gerecht wurde, in Bezug auf die Fortent¬
wicklung der Kunst und ihrer Wissenschaft M cour^t zu bleiben, meinen wir
zur Genüge betont zu haben. Da wir nicht vom Katheder reden, sondern in
langjährigen intimen Beziehungen unsere Erfahrungen gemacht haben, so
fürchten wir den Vorwurf der Ungerechtigkeit nicht. Das Betrübendste ist die
Unzuverlüssigkeit der über Bücher und Compositionen ausgesprochenen Urtheile.
Leute, die noch in den Kinderschuhen stecken und sich kaum verständlich deutsch
ausdrücken können, urtheilen über Werke und Leistungen; Compositionen werden
gelobt oder getadelt je nach dem Namen des Verfassers oder Verlegers, die
unbedeutendsten Nichtigkeiten werden als Meisterwerke angepriesen und hochbe-
deutende Novitäten todtgeschwiegen oder mit Achselzucken abgefertigt; gegen ver¬
diente Männer wird agitirt, und Nichtwisser und Abschreiber werden in den
Vordergrund geschoben. Diese Zustände sind höchst bedauerlich, und es wäre
unbegreiflich, wie diese Zeitungen überhaupt Abonnenten finden, wenn nicht die
meisten einen prononcirten Parteistandpunkt einnahmen, der ihnen einen kleinen
Leserkreis sichert, und wenn nicht das Bedürfniß der Menge, einen Führer
durch die neue Musikliteratur zu haben, Ursache würde, in Ermangelung eines
guten sich einem schlechten anzuvertrauen. Rentabel für den Verleger ist übri¬
gens wohl mit Ausnahme des zuerst geschilderten Blattes kein einziges, da die
Abonnentenzahl bei allen nur eine sehr kleine ist.


5 V *


Zur Finanz-, Schifffahrts- und Gisenbahnfrage in den
Vereinigten Staaten.

Am 1. December 1879 ist bekanntlich der 46. Congreß der Vereinigten
Staaten, in welchem die demokratische Partei noch immer in beiden Häusern,
im Senat wie im Repräsentantenhause, eine geringe Mehrheit hat, zu seiner


redigirte volkswirtschaftliche und — eine musikalische Abtheilung. Ueber die letztere lichte
sich ein Lied singen; sie ist jedenfalls das Tollste, was gebildeten Lesern in diesen? Genre
zugemuthet werden kann. Es ist längst ein stiller Wunsch der „Grenzboten" gewesen, ihren
Lesern von dein Leiter dieser musikalischen Abtheilung — einer der größten Zierden der
Leipziger Universität und des „königlichen" Couservntoriums der Musik in Leipzig, einem
der gelehrtesten Musikhistoriker, der berühmtesten „Clavierpädagogcn" und zugleich der ge¬
schmackvollsten Stilisten Deutschlands — an der Hand seiner eignen autobiographischen und
sonstigen Schriften einmal ein getreues Conterfei vorzuführen. Vielleicht wird's nächstens. Treibet das Handwerk nur fort, wir können's euch freilich nicht legen; Aber ruhig, das glaubt, treibt ihr es künftig nicht mehr. D. Red.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0394" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146323"/>
          <p xml:id="ID_1122"> Wir haben nichts weiter hinzuzufügen. Daß wir keine einzige Musikzeitung<lb/>
haben, die dem Interesse ihrer Leser gerecht wurde, in Bezug auf die Fortent¬<lb/>
wicklung der Kunst und ihrer Wissenschaft M cour^t zu bleiben, meinen wir<lb/>
zur Genüge betont zu haben. Da wir nicht vom Katheder reden, sondern in<lb/>
langjährigen intimen Beziehungen unsere Erfahrungen gemacht haben, so<lb/>
fürchten wir den Vorwurf der Ungerechtigkeit nicht. Das Betrübendste ist die<lb/>
Unzuverlüssigkeit der über Bücher und Compositionen ausgesprochenen Urtheile.<lb/>
Leute, die noch in den Kinderschuhen stecken und sich kaum verständlich deutsch<lb/>
ausdrücken können, urtheilen über Werke und Leistungen; Compositionen werden<lb/>
gelobt oder getadelt je nach dem Namen des Verfassers oder Verlegers, die<lb/>
unbedeutendsten Nichtigkeiten werden als Meisterwerke angepriesen und hochbe-<lb/>
deutende Novitäten todtgeschwiegen oder mit Achselzucken abgefertigt; gegen ver¬<lb/>
diente Männer wird agitirt, und Nichtwisser und Abschreiber werden in den<lb/>
Vordergrund geschoben. Diese Zustände sind höchst bedauerlich, und es wäre<lb/>
unbegreiflich, wie diese Zeitungen überhaupt Abonnenten finden, wenn nicht die<lb/>
meisten einen prononcirten Parteistandpunkt einnahmen, der ihnen einen kleinen<lb/>
Leserkreis sichert, und wenn nicht das Bedürfniß der Menge, einen Führer<lb/>
durch die neue Musikliteratur zu haben, Ursache würde, in Ermangelung eines<lb/>
guten sich einem schlechten anzuvertrauen. Rentabel für den Verleger ist übri¬<lb/>
gens wohl mit Ausnahme des zuerst geschilderten Blattes kein einziges, da die<lb/>
Abonnentenzahl bei allen nur eine sehr kleine ist.</p><lb/>
          <note type="byline"> 5  V *</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Zur Finanz-, Schifffahrts- und Gisenbahnfrage in den<lb/>
Vereinigten Staaten.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1123"> Am 1. December 1879 ist bekanntlich der 46. Congreß der Vereinigten<lb/>
Staaten, in welchem die demokratische Partei noch immer in beiden Häusern,<lb/>
im Senat wie im Repräsentantenhause, eine geringe Mehrheit hat, zu seiner</p><lb/>
          <note xml:id="FID_45" prev="#FID_44" place="foot">
            <p xml:id="ID_1124"> redigirte volkswirtschaftliche und &#x2014; eine musikalische Abtheilung. Ueber die letztere lichte<lb/>
sich ein Lied singen; sie ist jedenfalls das Tollste, was gebildeten Lesern in diesen? Genre<lb/>
zugemuthet werden kann. Es ist längst ein stiller Wunsch der &#x201E;Grenzboten" gewesen, ihren<lb/>
Lesern von dein Leiter dieser musikalischen Abtheilung &#x2014; einer der größten Zierden der<lb/>
Leipziger Universität und des &#x201E;königlichen" Couservntoriums der Musik in Leipzig, einem<lb/>
der gelehrtesten Musikhistoriker, der berühmtesten &#x201E;Clavierpädagogcn" und zugleich der ge¬<lb/>
schmackvollsten Stilisten Deutschlands &#x2014; an der Hand seiner eignen autobiographischen und<lb/>
sonstigen Schriften einmal ein getreues Conterfei vorzuführen. Vielleicht wird's nächstens.</p>
            <p xml:id="ID_1125"> Treibet das Handwerk nur fort, wir können's euch freilich nicht legen;</p>
            <p xml:id="ID_1126" next="#ID_1127"> Aber ruhig, das glaubt, treibt ihr es künftig nicht mehr.</p>
            <note type="byline"> D. Red.</note>
          </note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0394] Wir haben nichts weiter hinzuzufügen. Daß wir keine einzige Musikzeitung haben, die dem Interesse ihrer Leser gerecht wurde, in Bezug auf die Fortent¬ wicklung der Kunst und ihrer Wissenschaft M cour^t zu bleiben, meinen wir zur Genüge betont zu haben. Da wir nicht vom Katheder reden, sondern in langjährigen intimen Beziehungen unsere Erfahrungen gemacht haben, so fürchten wir den Vorwurf der Ungerechtigkeit nicht. Das Betrübendste ist die Unzuverlüssigkeit der über Bücher und Compositionen ausgesprochenen Urtheile. Leute, die noch in den Kinderschuhen stecken und sich kaum verständlich deutsch ausdrücken können, urtheilen über Werke und Leistungen; Compositionen werden gelobt oder getadelt je nach dem Namen des Verfassers oder Verlegers, die unbedeutendsten Nichtigkeiten werden als Meisterwerke angepriesen und hochbe- deutende Novitäten todtgeschwiegen oder mit Achselzucken abgefertigt; gegen ver¬ diente Männer wird agitirt, und Nichtwisser und Abschreiber werden in den Vordergrund geschoben. Diese Zustände sind höchst bedauerlich, und es wäre unbegreiflich, wie diese Zeitungen überhaupt Abonnenten finden, wenn nicht die meisten einen prononcirten Parteistandpunkt einnahmen, der ihnen einen kleinen Leserkreis sichert, und wenn nicht das Bedürfniß der Menge, einen Führer durch die neue Musikliteratur zu haben, Ursache würde, in Ermangelung eines guten sich einem schlechten anzuvertrauen. Rentabel für den Verleger ist übri¬ gens wohl mit Ausnahme des zuerst geschilderten Blattes kein einziges, da die Abonnentenzahl bei allen nur eine sehr kleine ist. 5 V * Zur Finanz-, Schifffahrts- und Gisenbahnfrage in den Vereinigten Staaten. Am 1. December 1879 ist bekanntlich der 46. Congreß der Vereinigten Staaten, in welchem die demokratische Partei noch immer in beiden Häusern, im Senat wie im Repräsentantenhause, eine geringe Mehrheit hat, zu seiner redigirte volkswirtschaftliche und — eine musikalische Abtheilung. Ueber die letztere lichte sich ein Lied singen; sie ist jedenfalls das Tollste, was gebildeten Lesern in diesen? Genre zugemuthet werden kann. Es ist längst ein stiller Wunsch der „Grenzboten" gewesen, ihren Lesern von dein Leiter dieser musikalischen Abtheilung — einer der größten Zierden der Leipziger Universität und des „königlichen" Couservntoriums der Musik in Leipzig, einem der gelehrtesten Musikhistoriker, der berühmtesten „Clavierpädagogcn" und zugleich der ge¬ schmackvollsten Stilisten Deutschlands — an der Hand seiner eignen autobiographischen und sonstigen Schriften einmal ein getreues Conterfei vorzuführen. Vielleicht wird's nächstens. Treibet das Handwerk nur fort, wir können's euch freilich nicht legen; Aber ruhig, das glaubt, treibt ihr es künftig nicht mehr. D. Red.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/394
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/394>, abgerufen am 06.05.2024.