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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Höhen in der Eifel und anderswo verwenden lassen, wenn die benachbarten
Gegenden dieselben nachtheiligen Zustände geflissentlich wieder herbeiführen?
Wenn es dem Egoismus des Einzelnen gestattet bleibt, sein Eigenthumsrecht
zum Nachtheile der Gesammtheit auszubeuten, weil er nicht weiß, wie viele, viele
Quadratmeter fruchtbaren Landes er durch sein Thun steril und wüst macht,
weil er nicht weiß, daß die Natur ein Land fruchtbar macht, indem sie durch
den Wald die Geschwindigkeit des niederfließenden Wassers verzögert, daß der
Mensch aber das directe Gegentheil davon thut: er beschleunigt durch
Waldverwüstung die Geschwindigkeit des niederfließenden
Wassers.


2. Der Mensch hindert das Wasser, ihm mechanische Arbeit
zu leisten.

Was vor allem Noth thut, sagt A. Dient in seinem Mahnruf*), ist: auf
diplomatischem Wege dafür Sorge zu tragen, daß Deutschland durch seiue Nachbar¬
staaten nicht ersäuft werde. Die Quellgebiete uuserer drei Hciuptströme, Rhein,
Elbe und Weichsel, ebenso wie das der Memel liegen nicht innerhalb unserer
Grenzen, sondern in der Schweiz, in Oesterreich, in Rußland; wir haben daher
Veranlassung, mit den genannten Staaten in Verbindung zu treten, daß den
Entforstungen und Entwässerungen in jenen Gebieten Einhalt geschehe. In der
Schweiz, wo die Cultur sich schon tief in das Überschwemmungsgebiet der
Seen hinabgezogen hat, treten die Ueberfluthungen der Ufergelünde besonders
nachtheilig und unheilbringend für deren Anwohner auf. Bei der dortigen
Methode, die Wasserspiegel der Seen zu senken, und durch Gradelegung und
Regulirung, d. h. Einschränkung der Wasserläufe, die Hochwasser mit ihren
Geschieben und Sedimenten möglichst schnell nach Deutschland abströmen zu
lassen, müssen die Zustünde im deutschen Rheingebiete immer gefährlicher werden.
Aehnliche Verhältnisse walten in Böhmen und in Polen. Wenn aber die Dinge
nur klar beleuchtet werden, dann kann die Schweiz ebenso wenig wie Oesterreich
und Rußland sich der Erkenntniß verschließen, daß die Senkung des Wasser¬
spiegels der Seen und die Gradelegung und Einschränkung der Wasserlüufe,
um einige Hectaren Land zu gewinnen, sehr bald schädlich Folgen auch sür sie
selbst herbeiführen müssen. Für die ersten Jahrzehnte mag die Bebauung des
den Wasserbecken abgewonnenen Landes allenfalls lohnend sein, sehr bald aber
werden durch Ab- und Anschwemmungen die Sohlen der Flußbetten sich so
verändern, daß abwechselnder Wassermangel und Wasserüberfluß den Anbau
der Stromgelände beeinträchtigen und unrentabel machen muß. Die wachsende



5) Die naturwidrige Wasserwirthscha se der Neuzeit ?c. Wiesbaden,
Ltmbarth, 1379.

Höhen in der Eifel und anderswo verwenden lassen, wenn die benachbarten
Gegenden dieselben nachtheiligen Zustände geflissentlich wieder herbeiführen?
Wenn es dem Egoismus des Einzelnen gestattet bleibt, sein Eigenthumsrecht
zum Nachtheile der Gesammtheit auszubeuten, weil er nicht weiß, wie viele, viele
Quadratmeter fruchtbaren Landes er durch sein Thun steril und wüst macht,
weil er nicht weiß, daß die Natur ein Land fruchtbar macht, indem sie durch
den Wald die Geschwindigkeit des niederfließenden Wassers verzögert, daß der
Mensch aber das directe Gegentheil davon thut: er beschleunigt durch
Waldverwüstung die Geschwindigkeit des niederfließenden
Wassers.


2. Der Mensch hindert das Wasser, ihm mechanische Arbeit
zu leisten.

Was vor allem Noth thut, sagt A. Dient in seinem Mahnruf*), ist: auf
diplomatischem Wege dafür Sorge zu tragen, daß Deutschland durch seiue Nachbar¬
staaten nicht ersäuft werde. Die Quellgebiete uuserer drei Hciuptströme, Rhein,
Elbe und Weichsel, ebenso wie das der Memel liegen nicht innerhalb unserer
Grenzen, sondern in der Schweiz, in Oesterreich, in Rußland; wir haben daher
Veranlassung, mit den genannten Staaten in Verbindung zu treten, daß den
Entforstungen und Entwässerungen in jenen Gebieten Einhalt geschehe. In der
Schweiz, wo die Cultur sich schon tief in das Überschwemmungsgebiet der
Seen hinabgezogen hat, treten die Ueberfluthungen der Ufergelünde besonders
nachtheilig und unheilbringend für deren Anwohner auf. Bei der dortigen
Methode, die Wasserspiegel der Seen zu senken, und durch Gradelegung und
Regulirung, d. h. Einschränkung der Wasserläufe, die Hochwasser mit ihren
Geschieben und Sedimenten möglichst schnell nach Deutschland abströmen zu
lassen, müssen die Zustünde im deutschen Rheingebiete immer gefährlicher werden.
Aehnliche Verhältnisse walten in Böhmen und in Polen. Wenn aber die Dinge
nur klar beleuchtet werden, dann kann die Schweiz ebenso wenig wie Oesterreich
und Rußland sich der Erkenntniß verschließen, daß die Senkung des Wasser¬
spiegels der Seen und die Gradelegung und Einschränkung der Wasserlüufe,
um einige Hectaren Land zu gewinnen, sehr bald schädlich Folgen auch sür sie
selbst herbeiführen müssen. Für die ersten Jahrzehnte mag die Bebauung des
den Wasserbecken abgewonnenen Landes allenfalls lohnend sein, sehr bald aber
werden durch Ab- und Anschwemmungen die Sohlen der Flußbetten sich so
verändern, daß abwechselnder Wassermangel und Wasserüberfluß den Anbau
der Stromgelände beeinträchtigen und unrentabel machen muß. Die wachsende



5) Die naturwidrige Wasserwirthscha se der Neuzeit ?c. Wiesbaden,
Ltmbarth, 1379.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/160>, abgerufen am 30.04.2024.