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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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hohe Freude den Unterricht begleiten." Wenn freilich, wie heute wirklich hie
und da noch geschehen soll, der arme Quartaner mit systematischer deutscher
Grammatik mißhandelt wird, ihm gar an den allertrivialsten, inhaltslosesten
Beispielen möglichst ledern und trocken -- interessirt es ja doch den Lehrer
selber nicht -- vordoeirt wird, was er längst weiß und nur nicht in so lang¬
weilige Regeln zu kleiden versteht, wie der pflichteifrige Lehrer, wenn das alles
obendrein wohl gar noch in die Feder dictirt wird, damit er's schwarz auf
weiß getrost nach Hause trage -- denn im Kopfe läßt sich das nicht einmal
forttragen --, da ist's natürlich, daß das frische Knabengemüth, das für wirk¬
lich Lebendiges immer dankbar ist, stumpf und mürbe wird, und daß bei fort¬
gesetztem Verfahren aller gesunde Saft echter Lernlust nachgerade in ihm ver¬
trocknet. Welch ein Gedanke auch, "das Gerüste der Sprache in seinem ganzen
Zusammenhange den Knaben vorlegen zu wollen; vermag doch selbst der größte
Philolog nicht, das ganze Gebäude einer Sprache mit einem Blicke vor sich
zu sehen; deutlich und im Einzelnett sieht er immer nur eine Partie davon, an
der er gerade arbeitet, ähnlich wie der Schieferdecker an einem Thurme, und
das kann im Kleinen auch der Schüler schon." Nein, "die einzelnen Spracher¬
scheinungen müssen sich nach und nach, wie das beim allerersten Lernen der Sprache
in der Kinderstube ja auch geschieht, Eingang verschaffen in die junge Seele,
je nachdem sie dort eine vorbereitete Stelle finden, die gleichsam auf sie wartet.
Das Aehnliche setzt sich an das Aehnliche an, die Gegensätze setzen sich gegen¬
über u. s. w. und bald ist darin Zusammenhang." Und gerade wie dem Philo¬
logen von Fach "eine grammatische Einzelheit anziehend wird, wenn sie in einen
Zusammenhang einschlägt, den er schon mit eignen Gedanken durchgearbeitet
und sich so und so zurechtgelegt oder aufgebaut hat", grade so kann an der
rechten Stelle, im entsprechenden Zusammenhang auch dein Knaben die kleinste
grammatische Kleinigkeit interessant werden. Es ist für eine jugendliche -- natür¬
lich frische, gesunde -- Seele "im Grunde alles interessant -- innerhalb seines
Zusammenhanges.".

(Schluß folgt.)




Lebende Bilder.
Line ästhetische Studie,
von Veit Valentin.

Eine der beliebtesten Schaustellungen, die namentlich in Privatgesellschaften
gern veranstaltet wird und dort Ersatz für theatralische Aufführungen bieten muß,


hohe Freude den Unterricht begleiten." Wenn freilich, wie heute wirklich hie
und da noch geschehen soll, der arme Quartaner mit systematischer deutscher
Grammatik mißhandelt wird, ihm gar an den allertrivialsten, inhaltslosesten
Beispielen möglichst ledern und trocken — interessirt es ja doch den Lehrer
selber nicht — vordoeirt wird, was er längst weiß und nur nicht in so lang¬
weilige Regeln zu kleiden versteht, wie der pflichteifrige Lehrer, wenn das alles
obendrein wohl gar noch in die Feder dictirt wird, damit er's schwarz auf
weiß getrost nach Hause trage — denn im Kopfe läßt sich das nicht einmal
forttragen —, da ist's natürlich, daß das frische Knabengemüth, das für wirk¬
lich Lebendiges immer dankbar ist, stumpf und mürbe wird, und daß bei fort¬
gesetztem Verfahren aller gesunde Saft echter Lernlust nachgerade in ihm ver¬
trocknet. Welch ein Gedanke auch, „das Gerüste der Sprache in seinem ganzen
Zusammenhange den Knaben vorlegen zu wollen; vermag doch selbst der größte
Philolog nicht, das ganze Gebäude einer Sprache mit einem Blicke vor sich
zu sehen; deutlich und im Einzelnett sieht er immer nur eine Partie davon, an
der er gerade arbeitet, ähnlich wie der Schieferdecker an einem Thurme, und
das kann im Kleinen auch der Schüler schon." Nein, „die einzelnen Spracher¬
scheinungen müssen sich nach und nach, wie das beim allerersten Lernen der Sprache
in der Kinderstube ja auch geschieht, Eingang verschaffen in die junge Seele,
je nachdem sie dort eine vorbereitete Stelle finden, die gleichsam auf sie wartet.
Das Aehnliche setzt sich an das Aehnliche an, die Gegensätze setzen sich gegen¬
über u. s. w. und bald ist darin Zusammenhang." Und gerade wie dem Philo¬
logen von Fach „eine grammatische Einzelheit anziehend wird, wenn sie in einen
Zusammenhang einschlägt, den er schon mit eignen Gedanken durchgearbeitet
und sich so und so zurechtgelegt oder aufgebaut hat", grade so kann an der
rechten Stelle, im entsprechenden Zusammenhang auch dein Knaben die kleinste
grammatische Kleinigkeit interessant werden. Es ist für eine jugendliche — natür¬
lich frische, gesunde — Seele „im Grunde alles interessant — innerhalb seines
Zusammenhanges.".

(Schluß folgt.)




Lebende Bilder.
Line ästhetische Studie,
von Veit Valentin.

Eine der beliebtesten Schaustellungen, die namentlich in Privatgesellschaften
gern veranstaltet wird und dort Ersatz für theatralische Aufführungen bieten muß,


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[0188] hohe Freude den Unterricht begleiten." Wenn freilich, wie heute wirklich hie und da noch geschehen soll, der arme Quartaner mit systematischer deutscher Grammatik mißhandelt wird, ihm gar an den allertrivialsten, inhaltslosesten Beispielen möglichst ledern und trocken — interessirt es ja doch den Lehrer selber nicht — vordoeirt wird, was er längst weiß und nur nicht in so lang¬ weilige Regeln zu kleiden versteht, wie der pflichteifrige Lehrer, wenn das alles obendrein wohl gar noch in die Feder dictirt wird, damit er's schwarz auf weiß getrost nach Hause trage — denn im Kopfe läßt sich das nicht einmal forttragen —, da ist's natürlich, daß das frische Knabengemüth, das für wirk¬ lich Lebendiges immer dankbar ist, stumpf und mürbe wird, und daß bei fort¬ gesetztem Verfahren aller gesunde Saft echter Lernlust nachgerade in ihm ver¬ trocknet. Welch ein Gedanke auch, „das Gerüste der Sprache in seinem ganzen Zusammenhange den Knaben vorlegen zu wollen; vermag doch selbst der größte Philolog nicht, das ganze Gebäude einer Sprache mit einem Blicke vor sich zu sehen; deutlich und im Einzelnett sieht er immer nur eine Partie davon, an der er gerade arbeitet, ähnlich wie der Schieferdecker an einem Thurme, und das kann im Kleinen auch der Schüler schon." Nein, „die einzelnen Spracher¬ scheinungen müssen sich nach und nach, wie das beim allerersten Lernen der Sprache in der Kinderstube ja auch geschieht, Eingang verschaffen in die junge Seele, je nachdem sie dort eine vorbereitete Stelle finden, die gleichsam auf sie wartet. Das Aehnliche setzt sich an das Aehnliche an, die Gegensätze setzen sich gegen¬ über u. s. w. und bald ist darin Zusammenhang." Und gerade wie dem Philo¬ logen von Fach „eine grammatische Einzelheit anziehend wird, wenn sie in einen Zusammenhang einschlägt, den er schon mit eignen Gedanken durchgearbeitet und sich so und so zurechtgelegt oder aufgebaut hat", grade so kann an der rechten Stelle, im entsprechenden Zusammenhang auch dein Knaben die kleinste grammatische Kleinigkeit interessant werden. Es ist für eine jugendliche — natür¬ lich frische, gesunde — Seele „im Grunde alles interessant — innerhalb seines Zusammenhanges.". (Schluß folgt.) Lebende Bilder. Line ästhetische Studie, von Veit Valentin. Eine der beliebtesten Schaustellungen, die namentlich in Privatgesellschaften gern veranstaltet wird und dort Ersatz für theatralische Aufführungen bieten muß,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/188>, abgerufen am 30.04.2024.