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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Die Hamburger Zollanschluß-Partei.

Vor uns liegt ein Flugblatt vom 21. Juli, in welchem das Comite der
Hamburger Freunde des Eintritts der Stadt in den deutschen Zollverein über
die neuesten Beobachtungen und Erfahrungen dieser stets zunehmenden Partei
und namentlich über die Besprechung berichtet, welche die Führer derselben
am 20. Juli mit dem in Altona eingetroffenen preußischen Finanzminister Bitter
gehabt haben. Im Folgenden geben wir einen Auszug aus diesen in hohem Grade
interessanten Mittheilungen. Vorher sei mit einigen Worten an die Entwicklung
der Zollanschluß-Frage in diesem Jahre erinnert.

Vor etwa drei Monaten beantragte die preußische Regierung im Bundes-
rathe die Aufnahme Altonas und der Hamburger Vorstadt Se. Pauli in den
Zollverein. Darüber große Entrüstung der dabei direct Jnteressirten in Hamburg
und ihrer guten Freunde, der Freihändler, in Berlin und ganz Deutschland,
die in der beantragten Maßregel eine Verletzung der Reichsverfassung erblicken
wollten, da diese, wie sie sagten, den Hansestädten Fortdauer ihrer Freihafen-
Gerechtsame gewährleiste, Hamburg aber ohne Altona und Se. Pauli nicht
Freihafen bleiben könne. Diese Entrüstung war grundlos. Denn der Artikel
34 der Reichsverfassung sicherte den Hansestädten allerdings ihre Freihafenstellnng,
bestimmte aber nicht, wie groß und wie gelegen das Nachbargebiet sein solle,
das dazu gehöre. Darüber hatte vielmehr nach Artikel 7 der Bundesrath zu
entscheiden. Dazu kommt, daß die Sache durchaus nichts Neues und Unerhörtes
war. Schon bei der Gründung des Norddeutschen Bundes konnte Preußen
Altona in den Zollverein hineinziehen, unterließ dies jedoch auf die Vorstellung
der Freihafen-Partei, daß Hamburgs Handel die Speicher in Altona nicht ent¬
behren könne. Selbstverständlich konnte diese Rücksichtnahme nicht bis ans Ende
der Tage fortdauern, und so hätte die im Hamburger Senat regierende Frei¬
hafen-Partei sich auf eine Aenderung des Verhältnisses vorbereiten, d. h. Ein¬
richtungen treffen sollen, welche den Hamburgern die Speicher und Niederlagen
Altonas entbehrlich machten. Sie hatte dazu anderthalb Jahrzehnte Zeit, es
geschah aber nichts der Art, offenbar deshalb, um wieder mit der alten Klage
auftreten zu können. Das Reich konnte sich daran nicht kehren. Hamburg be¬
herrschte als Mittelpunkt eines großen Zwischenhandels die Elbmündung, der
Zollverein mußte, wenn seine wirthschaftlichen Interessen nicht dauernd benach-
theiligt bleiben sollten, an diesen: Punkte seinen Hafen haben, Hamburg war
ein Häfen für die Einfuhr, nicht für die Ausfuhr Deutschlands. Letzteres mußte


Die Hamburger Zollanschluß-Partei.

Vor uns liegt ein Flugblatt vom 21. Juli, in welchem das Comite der
Hamburger Freunde des Eintritts der Stadt in den deutschen Zollverein über
die neuesten Beobachtungen und Erfahrungen dieser stets zunehmenden Partei
und namentlich über die Besprechung berichtet, welche die Führer derselben
am 20. Juli mit dem in Altona eingetroffenen preußischen Finanzminister Bitter
gehabt haben. Im Folgenden geben wir einen Auszug aus diesen in hohem Grade
interessanten Mittheilungen. Vorher sei mit einigen Worten an die Entwicklung
der Zollanschluß-Frage in diesem Jahre erinnert.

Vor etwa drei Monaten beantragte die preußische Regierung im Bundes-
rathe die Aufnahme Altonas und der Hamburger Vorstadt Se. Pauli in den
Zollverein. Darüber große Entrüstung der dabei direct Jnteressirten in Hamburg
und ihrer guten Freunde, der Freihändler, in Berlin und ganz Deutschland,
die in der beantragten Maßregel eine Verletzung der Reichsverfassung erblicken
wollten, da diese, wie sie sagten, den Hansestädten Fortdauer ihrer Freihafen-
Gerechtsame gewährleiste, Hamburg aber ohne Altona und Se. Pauli nicht
Freihafen bleiben könne. Diese Entrüstung war grundlos. Denn der Artikel
34 der Reichsverfassung sicherte den Hansestädten allerdings ihre Freihafenstellnng,
bestimmte aber nicht, wie groß und wie gelegen das Nachbargebiet sein solle,
das dazu gehöre. Darüber hatte vielmehr nach Artikel 7 der Bundesrath zu
entscheiden. Dazu kommt, daß die Sache durchaus nichts Neues und Unerhörtes
war. Schon bei der Gründung des Norddeutschen Bundes konnte Preußen
Altona in den Zollverein hineinziehen, unterließ dies jedoch auf die Vorstellung
der Freihafen-Partei, daß Hamburgs Handel die Speicher in Altona nicht ent¬
behren könne. Selbstverständlich konnte diese Rücksichtnahme nicht bis ans Ende
der Tage fortdauern, und so hätte die im Hamburger Senat regierende Frei¬
hafen-Partei sich auf eine Aenderung des Verhältnisses vorbereiten, d. h. Ein¬
richtungen treffen sollen, welche den Hamburgern die Speicher und Niederlagen
Altonas entbehrlich machten. Sie hatte dazu anderthalb Jahrzehnte Zeit, es
geschah aber nichts der Art, offenbar deshalb, um wieder mit der alten Klage
auftreten zu können. Das Reich konnte sich daran nicht kehren. Hamburg be¬
herrschte als Mittelpunkt eines großen Zwischenhandels die Elbmündung, der
Zollverein mußte, wenn seine wirthschaftlichen Interessen nicht dauernd benach-
theiligt bleiben sollten, an diesen: Punkte seinen Hafen haben, Hamburg war
ein Häfen für die Einfuhr, nicht für die Ausfuhr Deutschlands. Letzteres mußte


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[0252] Die Hamburger Zollanschluß-Partei. Vor uns liegt ein Flugblatt vom 21. Juli, in welchem das Comite der Hamburger Freunde des Eintritts der Stadt in den deutschen Zollverein über die neuesten Beobachtungen und Erfahrungen dieser stets zunehmenden Partei und namentlich über die Besprechung berichtet, welche die Führer derselben am 20. Juli mit dem in Altona eingetroffenen preußischen Finanzminister Bitter gehabt haben. Im Folgenden geben wir einen Auszug aus diesen in hohem Grade interessanten Mittheilungen. Vorher sei mit einigen Worten an die Entwicklung der Zollanschluß-Frage in diesem Jahre erinnert. Vor etwa drei Monaten beantragte die preußische Regierung im Bundes- rathe die Aufnahme Altonas und der Hamburger Vorstadt Se. Pauli in den Zollverein. Darüber große Entrüstung der dabei direct Jnteressirten in Hamburg und ihrer guten Freunde, der Freihändler, in Berlin und ganz Deutschland, die in der beantragten Maßregel eine Verletzung der Reichsverfassung erblicken wollten, da diese, wie sie sagten, den Hansestädten Fortdauer ihrer Freihafen- Gerechtsame gewährleiste, Hamburg aber ohne Altona und Se. Pauli nicht Freihafen bleiben könne. Diese Entrüstung war grundlos. Denn der Artikel 34 der Reichsverfassung sicherte den Hansestädten allerdings ihre Freihafenstellnng, bestimmte aber nicht, wie groß und wie gelegen das Nachbargebiet sein solle, das dazu gehöre. Darüber hatte vielmehr nach Artikel 7 der Bundesrath zu entscheiden. Dazu kommt, daß die Sache durchaus nichts Neues und Unerhörtes war. Schon bei der Gründung des Norddeutschen Bundes konnte Preußen Altona in den Zollverein hineinziehen, unterließ dies jedoch auf die Vorstellung der Freihafen-Partei, daß Hamburgs Handel die Speicher in Altona nicht ent¬ behren könne. Selbstverständlich konnte diese Rücksichtnahme nicht bis ans Ende der Tage fortdauern, und so hätte die im Hamburger Senat regierende Frei¬ hafen-Partei sich auf eine Aenderung des Verhältnisses vorbereiten, d. h. Ein¬ richtungen treffen sollen, welche den Hamburgern die Speicher und Niederlagen Altonas entbehrlich machten. Sie hatte dazu anderthalb Jahrzehnte Zeit, es geschah aber nichts der Art, offenbar deshalb, um wieder mit der alten Klage auftreten zu können. Das Reich konnte sich daran nicht kehren. Hamburg be¬ herrschte als Mittelpunkt eines großen Zwischenhandels die Elbmündung, der Zollverein mußte, wenn seine wirthschaftlichen Interessen nicht dauernd benach- theiligt bleiben sollten, an diesen: Punkte seinen Hafen haben, Hamburg war ein Häfen für die Einfuhr, nicht für die Ausfuhr Deutschlands. Letzteres mußte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/252>, abgerufen am 30.04.2024.