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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Entwicklung prangenden Sommer, wie den Winter mit seinem Eis und Sturm
und seiner blitzenden Schneedecke. So sah er von seinem Stübchen Tag für Tag,
Jahr für Jahr die Natur in ewig schönem Wechsel sich verjüngen. War auch ihm
selbst, dem Freunde der Natur, dem greisen Eremiten, keine körperliche Verjüngung
beschieden, im Geiste war er jung und frisch geblieben, und in dieser Geistes¬
frische lebte er seinen Erinnerungen, bis ein Tag kam, der ihm mit dem Leben
auch die Erinnerung auslöschte und den guten Alten auf dem Friedhofe des
Dörfchens in die stille Gruft bettete.

In seinem Nachlasse fand sich das Manuscript seiner Lebens-Erinnerungen,
vor allem seiner Erfahrungen und Leiden in russischer Gefangenschaft. Lassen
wir ihn nun selbst aus diesen russischen Tagen erzählen.

(Fortsetzung folgt.)




Der Prinz von Homburg und die Meininger.
Gottfried Stommel. Von

Das fünfactige Schauspiel "Prinz Friedrich von Homburg" von Heinrich
von Kleist ist im Jahre 1809 und im Anfange des Jahres 1810 geschrieben.
Es war das letzte Werk des Dichters, und es ist rührend zu sehen, wie er in
diesem letzte" Aufschwünge seines Geistes noch einmal alle Kräfte sammelt, um
die reifste und schönste Frucht seines Dichterlebens zu gestalten. Wenn auch
andere Werke, besonders "Die Familie Schroffenstein" im Einzelnen dem "Prinzen
von Homburg" dramatisch gleichkommen, ja ihn übertreffen, so ist doch kein
Kleistisches Werk im Großen und Ganzen von solcher Rundung, Reife und
Klarheit bis zum Schlüsse, so frei von der gewaltthätigen Disharmonie in der
Seele des Dichters, welche sonst oft den reinsten Genuß störend unterbricht,
wie diese Dichtung. Der Dichter hoffte durch das Drama eine Anstellung
bei Hofe zu erhalten. Am 19. März 1810 schreibt er seiner Schwester Ulrike:
"Ich habe der Königin an ihrem Geburtstag ein Gedicht ^ein Sonetts über¬
reicht, das sie vor den Augen des ganzen Hofes zu Thränen gerührt hat, ich
kann ihrer Gnade und ihres guten Willens, etwas für mich zu thun, gewiß
sein. Jetzt wird ein Stück von mir aus der brandenburgischen Geschichte auf
dem Privattheater des Prinzen Radziwil gegeben und soll nachher auf die
Nationalbühne kommen, und wenn es gedruckt ist, der Königin übergeben werden.
Was sich aus allem diesen machen läßt, weiß ich noch nicht, ich glaube es ist


Entwicklung prangenden Sommer, wie den Winter mit seinem Eis und Sturm
und seiner blitzenden Schneedecke. So sah er von seinem Stübchen Tag für Tag,
Jahr für Jahr die Natur in ewig schönem Wechsel sich verjüngen. War auch ihm
selbst, dem Freunde der Natur, dem greisen Eremiten, keine körperliche Verjüngung
beschieden, im Geiste war er jung und frisch geblieben, und in dieser Geistes¬
frische lebte er seinen Erinnerungen, bis ein Tag kam, der ihm mit dem Leben
auch die Erinnerung auslöschte und den guten Alten auf dem Friedhofe des
Dörfchens in die stille Gruft bettete.

In seinem Nachlasse fand sich das Manuscript seiner Lebens-Erinnerungen,
vor allem seiner Erfahrungen und Leiden in russischer Gefangenschaft. Lassen
wir ihn nun selbst aus diesen russischen Tagen erzählen.

(Fortsetzung folgt.)




Der Prinz von Homburg und die Meininger.
Gottfried Stommel. Von

Das fünfactige Schauspiel „Prinz Friedrich von Homburg" von Heinrich
von Kleist ist im Jahre 1809 und im Anfange des Jahres 1810 geschrieben.
Es war das letzte Werk des Dichters, und es ist rührend zu sehen, wie er in
diesem letzte» Aufschwünge seines Geistes noch einmal alle Kräfte sammelt, um
die reifste und schönste Frucht seines Dichterlebens zu gestalten. Wenn auch
andere Werke, besonders „Die Familie Schroffenstein" im Einzelnen dem „Prinzen
von Homburg" dramatisch gleichkommen, ja ihn übertreffen, so ist doch kein
Kleistisches Werk im Großen und Ganzen von solcher Rundung, Reife und
Klarheit bis zum Schlüsse, so frei von der gewaltthätigen Disharmonie in der
Seele des Dichters, welche sonst oft den reinsten Genuß störend unterbricht,
wie diese Dichtung. Der Dichter hoffte durch das Drama eine Anstellung
bei Hofe zu erhalten. Am 19. März 1810 schreibt er seiner Schwester Ulrike:
„Ich habe der Königin an ihrem Geburtstag ein Gedicht ^ein Sonetts über¬
reicht, das sie vor den Augen des ganzen Hofes zu Thränen gerührt hat, ich
kann ihrer Gnade und ihres guten Willens, etwas für mich zu thun, gewiß
sein. Jetzt wird ein Stück von mir aus der brandenburgischen Geschichte auf
dem Privattheater des Prinzen Radziwil gegeben und soll nachher auf die
Nationalbühne kommen, und wenn es gedruckt ist, der Königin übergeben werden.
Was sich aus allem diesen machen läßt, weiß ich noch nicht, ich glaube es ist


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/283>, abgerufen am 30.04.2024.