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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Meister!", das aus der Corona erscholl, verließ er den Saal. Seine Freunde
verlangten von den Dienern die Sohlen und machten sich auf den Heimweg,
indem den einzelnen Gruppen von Sclaven getragene Fackeln voranleuchteten;
unterwegs wurden noch einige Festanordnnngen für den folgenden Tag be¬
sprochen -- den 54. Geburtstag Epikurs.

Wir aber schauen baß verblüfft dem Meister und seinen Schülern nach.
Wenn wir nicht wüßten, wie mangelhaft Epikurs Erziehung war, wenn wir
nicht beherzigten, daß I^ö s/ferus o'oft irwi von Epikur so gut gilt wie von
vielen anderen Erdensöhnen, so konnte" wir Epikurs ans Banausische grenzende"
und nur entfernt mit Rousseau'sehen Ideen auf eine Linie zu stellenden Bildungs-
schauer nicht begreifen. Damit hängt aber auch die Saloppheit seines Stils
zusammen, welche Cicero ihm wiederholt vorwirft und welche aus seinen Werken,
soweit sie bei Diogenes Laertius und auf hermlanischen Papyrusrollen erhalten
sind, mit Nichten wegzudisputiren ist; und wie sehr man auch den gesunden
Sinn loben mag, mit welchem Epikur die "zur Sophistik gewordene, mehr ver¬
wirrende als klärende" Dialektik, die Athletik der Gelehrten, verwarf, wie wohl¬
thätig auch in seinen Schriften die sehr beschränkte Anwendung von Kunstaus¬
drücken im Gegensatz zu stoischen Willeleien auffällt, so können wir uus doch
- ganz abgesehen von seinen gesuchten, bisweilen etwas derben Metaphern und
seiner "gespreizten, auf Stelzen gehenden" Redeweise überhaupt -- des Ein-
drucks einer nachlässigen Logik im Einzelnen nicht erwehren.

(Schluß folgt.)




Die Darstellungen der picta in der italienischen Kunst.
jDaul Schön seid. von

Zu den charakteristischen Merkmalen, durch welche sich in der Kunstgeschichte
die Perioden des Verfalls von den Zeiten des Emporstrebens und der Blüthe
unterscheiden, ist auch die mehr und mehr in den Vordergrund tretende auf
Neuheit gerichtete Tendenz der producirenden Kräfte zu zählen- Es wiederholt
sich die Erfahrung, daß auch die höchsten geistigen Errungenschaften nur auf
beschränkte Dauer einer Nation genügen, das auch sie bei veränderter Geistes-
richtung nicht in ihrem Werthe, wohl aber in der allgemeinen Wertschätzung
sinken und oft für lange Zeit, wenn nicht für immer, ihren Einfluß auf das
nationale Geistesleben verlieren. Als die großen Göttergestalten des hellenischen


Meister!", das aus der Corona erscholl, verließ er den Saal. Seine Freunde
verlangten von den Dienern die Sohlen und machten sich auf den Heimweg,
indem den einzelnen Gruppen von Sclaven getragene Fackeln voranleuchteten;
unterwegs wurden noch einige Festanordnnngen für den folgenden Tag be¬
sprochen — den 54. Geburtstag Epikurs.

Wir aber schauen baß verblüfft dem Meister und seinen Schülern nach.
Wenn wir nicht wüßten, wie mangelhaft Epikurs Erziehung war, wenn wir
nicht beherzigten, daß I^ö s/ferus o'oft irwi von Epikur so gut gilt wie von
vielen anderen Erdensöhnen, so konnte» wir Epikurs ans Banausische grenzende«
und nur entfernt mit Rousseau'sehen Ideen auf eine Linie zu stellenden Bildungs-
schauer nicht begreifen. Damit hängt aber auch die Saloppheit seines Stils
zusammen, welche Cicero ihm wiederholt vorwirft und welche aus seinen Werken,
soweit sie bei Diogenes Laertius und auf hermlanischen Papyrusrollen erhalten
sind, mit Nichten wegzudisputiren ist; und wie sehr man auch den gesunden
Sinn loben mag, mit welchem Epikur die „zur Sophistik gewordene, mehr ver¬
wirrende als klärende" Dialektik, die Athletik der Gelehrten, verwarf, wie wohl¬
thätig auch in seinen Schriften die sehr beschränkte Anwendung von Kunstaus¬
drücken im Gegensatz zu stoischen Willeleien auffällt, so können wir uus doch
- ganz abgesehen von seinen gesuchten, bisweilen etwas derben Metaphern und
seiner „gespreizten, auf Stelzen gehenden" Redeweise überhaupt — des Ein-
drucks einer nachlässigen Logik im Einzelnen nicht erwehren.

(Schluß folgt.)




Die Darstellungen der picta in der italienischen Kunst.
jDaul Schön seid. von

Zu den charakteristischen Merkmalen, durch welche sich in der Kunstgeschichte
die Perioden des Verfalls von den Zeiten des Emporstrebens und der Blüthe
unterscheiden, ist auch die mehr und mehr in den Vordergrund tretende auf
Neuheit gerichtete Tendenz der producirenden Kräfte zu zählen- Es wiederholt
sich die Erfahrung, daß auch die höchsten geistigen Errungenschaften nur auf
beschränkte Dauer einer Nation genügen, das auch sie bei veränderter Geistes-
richtung nicht in ihrem Werthe, wohl aber in der allgemeinen Wertschätzung
sinken und oft für lange Zeit, wenn nicht für immer, ihren Einfluß auf das
nationale Geistesleben verlieren. Als die großen Göttergestalten des hellenischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/29>, abgerufen am 30.04.2024.