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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Friedrich der Große und die Juden.

Bei dein Concert, welches vor einigen Monaten in der Berliner Synagoge
zum Besten der Nothleidenden in Schlesien stattfand, waren auch der Kaiser
und mehrere Personen seines Hauses, darunter der Kronprinz, zugegen. Als
letzterer sich nach Schluß des Concerts wieder entfernte, trat der jüdische Com-
merzienrath Magnus an ihn heran, um sich für den Besuch der allerhöchsten
Herrschaften zu bedanken, wobei er hinzugefügt haben soll, dieser Dank sei ein
um so innigerer, als gegen die Jsraeliten gerade jetzt besonders heftig agitirt
werde. Die Antwort der Königlichen Hoheit soll gelautet haben: "Herr Com-
merzienrath, ich agitire nicht, ich mißbillige alle Agitation, und ein Beweis dafür
ist, daß ich hier erschienen bin."

Die Judenpresse hat diese Worte bestens benutzt, um daraus Capital gegen
die antisemitische Bewegung zu schlagen. Wir unsererseits nennen das, was
Herrn Magnus erwiedert wurde, den Umständen angemessen, natürlich und
selbstverständlich. Der Kronprinz war von dem tactvollen Commerzienrath
förmlich "gestellt", und Kronprinzen mischen sich, wie sie auch über die oder jene
Angelegenheit denken mögen, nicht in den Streit der Parteien, sie stehen als
zukünftige Träger der Krone, des Symbols der Einheit und Gesammtheit der
Staatsangehörigen, über dem Parteitreiben, und das einzige Unerfreuliche bei
dem ganzen Falle war daher, daß der genannte hohe Herr in dasselbe hinein¬
gezogen wurde, um in die Wagschale der Juden gestellt zu werden. Welche
Ansicht er sich von den Eigenschaften der letzteren gebildet hat, wissen wir nicht.
Aus der obigen Aeußerung derselben ist ohne "Gewaltsamkeit darüber nichts
herauszudeuten. Dagegen wissen wir aus einer soeben erschienenen kleinen, aber
gehaltreichen Schrift*), mit voller Bestimmtheit, wie der glorreiche Ahnherr des
künftigen deutschen Kaisers, Friedrich der Große, über das semitische Element
in Deutschland gedacht, und wie er demzufolge gehandelt hat.

Die betreffende Schrift verfolgt, nachdem sie einen Rückblick auf die Stel¬
lung der Juden unter Friedrichs Vorfahren geworfen, den Zweck, die Grund¬
sätze darzustellen, von denen Friedrich selbst bei seiner Gesetzgebung und Regie¬
rung in Betreff seiner israelitischen Unterthanen geleitet wurde, und dies geschieht
-- unseres Wissens in so eingehender und ausführlicher Weise zum ersten
Male -- durch Zusammenstellung aller der Circulare, Rescripte, Cabinetsordres



*) Die Juden unter Friedrich dem Großen. Nach urkundlichen Quellen von
Hans Jungfer, Leipzig, Friedrich Wilhelm Gmnow, 1880.
Friedrich der Große und die Juden.

Bei dein Concert, welches vor einigen Monaten in der Berliner Synagoge
zum Besten der Nothleidenden in Schlesien stattfand, waren auch der Kaiser
und mehrere Personen seines Hauses, darunter der Kronprinz, zugegen. Als
letzterer sich nach Schluß des Concerts wieder entfernte, trat der jüdische Com-
merzienrath Magnus an ihn heran, um sich für den Besuch der allerhöchsten
Herrschaften zu bedanken, wobei er hinzugefügt haben soll, dieser Dank sei ein
um so innigerer, als gegen die Jsraeliten gerade jetzt besonders heftig agitirt
werde. Die Antwort der Königlichen Hoheit soll gelautet haben: „Herr Com-
merzienrath, ich agitire nicht, ich mißbillige alle Agitation, und ein Beweis dafür
ist, daß ich hier erschienen bin."

Die Judenpresse hat diese Worte bestens benutzt, um daraus Capital gegen
die antisemitische Bewegung zu schlagen. Wir unsererseits nennen das, was
Herrn Magnus erwiedert wurde, den Umständen angemessen, natürlich und
selbstverständlich. Der Kronprinz war von dem tactvollen Commerzienrath
förmlich „gestellt", und Kronprinzen mischen sich, wie sie auch über die oder jene
Angelegenheit denken mögen, nicht in den Streit der Parteien, sie stehen als
zukünftige Träger der Krone, des Symbols der Einheit und Gesammtheit der
Staatsangehörigen, über dem Parteitreiben, und das einzige Unerfreuliche bei
dem ganzen Falle war daher, daß der genannte hohe Herr in dasselbe hinein¬
gezogen wurde, um in die Wagschale der Juden gestellt zu werden. Welche
Ansicht er sich von den Eigenschaften der letzteren gebildet hat, wissen wir nicht.
Aus der obigen Aeußerung derselben ist ohne «Gewaltsamkeit darüber nichts
herauszudeuten. Dagegen wissen wir aus einer soeben erschienenen kleinen, aber
gehaltreichen Schrift*), mit voller Bestimmtheit, wie der glorreiche Ahnherr des
künftigen deutschen Kaisers, Friedrich der Große, über das semitische Element
in Deutschland gedacht, und wie er demzufolge gehandelt hat.

Die betreffende Schrift verfolgt, nachdem sie einen Rückblick auf die Stel¬
lung der Juden unter Friedrichs Vorfahren geworfen, den Zweck, die Grund¬
sätze darzustellen, von denen Friedrich selbst bei seiner Gesetzgebung und Regie¬
rung in Betreff seiner israelitischen Unterthanen geleitet wurde, und dies geschieht
— unseres Wissens in so eingehender und ausführlicher Weise zum ersten
Male — durch Zusammenstellung aller der Circulare, Rescripte, Cabinetsordres



*) Die Juden unter Friedrich dem Großen. Nach urkundlichen Quellen von
Hans Jungfer, Leipzig, Friedrich Wilhelm Gmnow, 1880.
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[0331] Friedrich der Große und die Juden. Bei dein Concert, welches vor einigen Monaten in der Berliner Synagoge zum Besten der Nothleidenden in Schlesien stattfand, waren auch der Kaiser und mehrere Personen seines Hauses, darunter der Kronprinz, zugegen. Als letzterer sich nach Schluß des Concerts wieder entfernte, trat der jüdische Com- merzienrath Magnus an ihn heran, um sich für den Besuch der allerhöchsten Herrschaften zu bedanken, wobei er hinzugefügt haben soll, dieser Dank sei ein um so innigerer, als gegen die Jsraeliten gerade jetzt besonders heftig agitirt werde. Die Antwort der Königlichen Hoheit soll gelautet haben: „Herr Com- merzienrath, ich agitire nicht, ich mißbillige alle Agitation, und ein Beweis dafür ist, daß ich hier erschienen bin." Die Judenpresse hat diese Worte bestens benutzt, um daraus Capital gegen die antisemitische Bewegung zu schlagen. Wir unsererseits nennen das, was Herrn Magnus erwiedert wurde, den Umständen angemessen, natürlich und selbstverständlich. Der Kronprinz war von dem tactvollen Commerzienrath förmlich „gestellt", und Kronprinzen mischen sich, wie sie auch über die oder jene Angelegenheit denken mögen, nicht in den Streit der Parteien, sie stehen als zukünftige Träger der Krone, des Symbols der Einheit und Gesammtheit der Staatsangehörigen, über dem Parteitreiben, und das einzige Unerfreuliche bei dem ganzen Falle war daher, daß der genannte hohe Herr in dasselbe hinein¬ gezogen wurde, um in die Wagschale der Juden gestellt zu werden. Welche Ansicht er sich von den Eigenschaften der letzteren gebildet hat, wissen wir nicht. Aus der obigen Aeußerung derselben ist ohne «Gewaltsamkeit darüber nichts herauszudeuten. Dagegen wissen wir aus einer soeben erschienenen kleinen, aber gehaltreichen Schrift*), mit voller Bestimmtheit, wie der glorreiche Ahnherr des künftigen deutschen Kaisers, Friedrich der Große, über das semitische Element in Deutschland gedacht, und wie er demzufolge gehandelt hat. Die betreffende Schrift verfolgt, nachdem sie einen Rückblick auf die Stel¬ lung der Juden unter Friedrichs Vorfahren geworfen, den Zweck, die Grund¬ sätze darzustellen, von denen Friedrich selbst bei seiner Gesetzgebung und Regie¬ rung in Betreff seiner israelitischen Unterthanen geleitet wurde, und dies geschieht — unseres Wissens in so eingehender und ausführlicher Weise zum ersten Male — durch Zusammenstellung aller der Circulare, Rescripte, Cabinetsordres *) Die Juden unter Friedrich dem Großen. Nach urkundlichen Quellen von Hans Jungfer, Leipzig, Friedrich Wilhelm Gmnow, 1880.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/331>, abgerufen am 30.04.2024.