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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Goldschmiede, der sein ganzes Leben im Anschauen und Anstaunen und Verehrung
des wuuderwürdigeu Tempels der Göttin und in Nachbildung ihrer geheimnisvollen
Gestalten zugebracht hat, und dem es unmöglich eine augenehme Empfindung er¬
regen kann, wenn irgend ein Apostel seinen Mitbürgern einen anderen und noch dazu
formlosen Gott aufdringen will." Man vergleiche auch die Aeußerungen in den
Annalen §717.

Der als geschickter Musiker erwähnte Weber ist Karl Maria von Weber, der
im Herbste 1811 mit dem berühmten Klarinettisten Heinrich Joseph Bärmann,
für welchen er die Clariuett-Concerte C-moll, F-moll und Es-dur geschrieben, eine
Kunstreise vou München aus über Gotha, Weimar, Dresden, Prag und Berlin
machte, auf welcher beide Künstler überall den reichsten Beifall erntetem

Das am Schlüsse erwähnte Blättchen ist das im Jahre 1811 gedruckte Ver-
zeichniß voir Goethes Autographensammlung mit der daran geknüpften Bitte, dieselbe
gefälligst durch Beiträge vermehren zu "vollen, das eigenhändig unterschrieben an
verschiedene Freunde und Bekannte versandt worden ist.


10.
An Schlichte groll.

Wohlgeborner
Jnsonders hochgeehrtester Herr!

Ew. Wohlgebornen freundliche Zuschrift sowohl als der beygeschlosseue Brief
einer verdienstvollen Künstlerin, hat bey mir manche bedauerliche Betrachtung
rege gemacht. Wie gern möchte ich das Gute, was sich auf unserm Theater
nach und nach hervorgethan, besonders bey jetzt eintretenden hoffnungsvollen
Zeiten, nicht allein erhalten, sondern auch weiter ausbreiten; das erste ist wohl
möglich, weil sich gerade die Verdienste unserer Schauspieler in einem kleinen
Kreise, unabhängig von einem großen Publikum entwickelt haben, und so fort
entwickeln; das andere aber wird gerade durch die günstige Beschränktheit weniger
thulich. Bey uns kaun nur eine kleine Anzahl Talente neben einander bestehen,
deim da wir nur dreymal in der Woche spielen, so ist für mehrere nicht Raum,
und selbst die schon gegenwärtigen haben sich öfter zu beklagen, daß sie nicht
genug beschäftigt siud.

Besonders aber ist das Verhältniß, in welchem Ihre Künstlerin zu stehen
wünscht, nicht wohl einzuleiten, indem, wenn man ihr auch Rollen zutheilen
wollte, man bey ihrem Abgange sich in der doppelt unangenehmen Lage sähe,
dieselben wieder erledigt, und die Schauspielerinnen, die darauf Anspruch machen
könnten, übel disponirt zu finden. Von schon besetzten Rollen könnte ohnedies
bey dem längern Aufenthalte eines so werthen Gastes, die Rede nicht seyn.

Alle diese Betrachtungen mache ich ungern, allein je mehr ich unsere Lage


Goldschmiede, der sein ganzes Leben im Anschauen und Anstaunen und Verehrung
des wuuderwürdigeu Tempels der Göttin und in Nachbildung ihrer geheimnisvollen
Gestalten zugebracht hat, und dem es unmöglich eine augenehme Empfindung er¬
regen kann, wenn irgend ein Apostel seinen Mitbürgern einen anderen und noch dazu
formlosen Gott aufdringen will." Man vergleiche auch die Aeußerungen in den
Annalen §717.

Der als geschickter Musiker erwähnte Weber ist Karl Maria von Weber, der
im Herbste 1811 mit dem berühmten Klarinettisten Heinrich Joseph Bärmann,
für welchen er die Clariuett-Concerte C-moll, F-moll und Es-dur geschrieben, eine
Kunstreise vou München aus über Gotha, Weimar, Dresden, Prag und Berlin
machte, auf welcher beide Künstler überall den reichsten Beifall erntetem

Das am Schlüsse erwähnte Blättchen ist das im Jahre 1811 gedruckte Ver-
zeichniß voir Goethes Autographensammlung mit der daran geknüpften Bitte, dieselbe
gefälligst durch Beiträge vermehren zu »vollen, das eigenhändig unterschrieben an
verschiedene Freunde und Bekannte versandt worden ist.


10.
An Schlichte groll.

Wohlgeborner
Jnsonders hochgeehrtester Herr!

Ew. Wohlgebornen freundliche Zuschrift sowohl als der beygeschlosseue Brief
einer verdienstvollen Künstlerin, hat bey mir manche bedauerliche Betrachtung
rege gemacht. Wie gern möchte ich das Gute, was sich auf unserm Theater
nach und nach hervorgethan, besonders bey jetzt eintretenden hoffnungsvollen
Zeiten, nicht allein erhalten, sondern auch weiter ausbreiten; das erste ist wohl
möglich, weil sich gerade die Verdienste unserer Schauspieler in einem kleinen
Kreise, unabhängig von einem großen Publikum entwickelt haben, und so fort
entwickeln; das andere aber wird gerade durch die günstige Beschränktheit weniger
thulich. Bey uns kaun nur eine kleine Anzahl Talente neben einander bestehen,
deim da wir nur dreymal in der Woche spielen, so ist für mehrere nicht Raum,
und selbst die schon gegenwärtigen haben sich öfter zu beklagen, daß sie nicht
genug beschäftigt siud.

Besonders aber ist das Verhältniß, in welchem Ihre Künstlerin zu stehen
wünscht, nicht wohl einzuleiten, indem, wenn man ihr auch Rollen zutheilen
wollte, man bey ihrem Abgange sich in der doppelt unangenehmen Lage sähe,
dieselben wieder erledigt, und die Schauspielerinnen, die darauf Anspruch machen
könnten, übel disponirt zu finden. Von schon besetzten Rollen könnte ohnedies
bey dem längern Aufenthalte eines so werthen Gastes, die Rede nicht seyn.

Alle diese Betrachtungen mache ich ungern, allein je mehr ich unsere Lage


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[0362] Goldschmiede, der sein ganzes Leben im Anschauen und Anstaunen und Verehrung des wuuderwürdigeu Tempels der Göttin und in Nachbildung ihrer geheimnisvollen Gestalten zugebracht hat, und dem es unmöglich eine augenehme Empfindung er¬ regen kann, wenn irgend ein Apostel seinen Mitbürgern einen anderen und noch dazu formlosen Gott aufdringen will." Man vergleiche auch die Aeußerungen in den Annalen §717. Der als geschickter Musiker erwähnte Weber ist Karl Maria von Weber, der im Herbste 1811 mit dem berühmten Klarinettisten Heinrich Joseph Bärmann, für welchen er die Clariuett-Concerte C-moll, F-moll und Es-dur geschrieben, eine Kunstreise vou München aus über Gotha, Weimar, Dresden, Prag und Berlin machte, auf welcher beide Künstler überall den reichsten Beifall erntetem Das am Schlüsse erwähnte Blättchen ist das im Jahre 1811 gedruckte Ver- zeichniß voir Goethes Autographensammlung mit der daran geknüpften Bitte, dieselbe gefälligst durch Beiträge vermehren zu »vollen, das eigenhändig unterschrieben an verschiedene Freunde und Bekannte versandt worden ist. 10. An Schlichte groll. Wohlgeborner Jnsonders hochgeehrtester Herr! Ew. Wohlgebornen freundliche Zuschrift sowohl als der beygeschlosseue Brief einer verdienstvollen Künstlerin, hat bey mir manche bedauerliche Betrachtung rege gemacht. Wie gern möchte ich das Gute, was sich auf unserm Theater nach und nach hervorgethan, besonders bey jetzt eintretenden hoffnungsvollen Zeiten, nicht allein erhalten, sondern auch weiter ausbreiten; das erste ist wohl möglich, weil sich gerade die Verdienste unserer Schauspieler in einem kleinen Kreise, unabhängig von einem großen Publikum entwickelt haben, und so fort entwickeln; das andere aber wird gerade durch die günstige Beschränktheit weniger thulich. Bey uns kaun nur eine kleine Anzahl Talente neben einander bestehen, deim da wir nur dreymal in der Woche spielen, so ist für mehrere nicht Raum, und selbst die schon gegenwärtigen haben sich öfter zu beklagen, daß sie nicht genug beschäftigt siud. Besonders aber ist das Verhältniß, in welchem Ihre Künstlerin zu stehen wünscht, nicht wohl einzuleiten, indem, wenn man ihr auch Rollen zutheilen wollte, man bey ihrem Abgange sich in der doppelt unangenehmen Lage sähe, dieselben wieder erledigt, und die Schauspielerinnen, die darauf Anspruch machen könnten, übel disponirt zu finden. Von schon besetzten Rollen könnte ohnedies bey dem längern Aufenthalte eines so werthen Gastes, die Rede nicht seyn. Alle diese Betrachtungen mache ich ungern, allein je mehr ich unsere Lage

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/362>, abgerufen am 30.04.2024.