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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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überdenke, je weniger weis ich diese Zweifel zu beseitigen, ob mich gleich das
große Zutrauen des jungen Frauenzimmers rühret und mich beschämen würde,
wenn ich mir nicht bewußt Ware, mit aller Treue und festen Grundsätzen so
viele Jahre dieser Anstalt uuter mancherley Unbilden vorgestanden zu haben.

Die Absendung des Vorstehenden ist leider sehr lange verzögert worden.
Ich werde an meine Pflicht erinnert in dem Augenblick da ich von Weimar
scheide, um nach Frankfurt und Wiesbaden zu gehen. Wenn ich schließlich ver¬
sichere, daß Freund Meyer noch ganz entzückt ist von seinem Münchner Auf¬
enthalt, und daß ich durch seine Erzählungen in die größte Ungeduld versetzt
wordeu, jene Freunde, Schätze und Anstalten selbst zu besuchen, so werden Sie
mir gewiß Glauben beymessen. Ebenso bitte überzeugt zu seyn, daß ich mich
mit Antheil und vorzüglicher Hochachtung jederzeit Ihres frühern Wohlwollens
erinnere und dessen Fortsetzung aufrichtig wünsche.


Weimar er geben se
Goethe. den 24 July 1814.

Der ganze Brief ist dictirt, und zwar bis zu den Worten "vorgestanden zu
haben" einem Schreiber, der letzte Absatz dagegen ist von Riemer geschrieben. Eigen¬
händig ist nur: "ergebenst Goethe".

Heinrich Meyer hatte 1813--1814 seine Heimat, die Schweiz, besucht und auf
dem Rückwege die Münchener Kunstschätze in Augenschein genommen. An welchem
Tage Goethe seine Reise nach Wiesbaden angetreten hat, habe ich nicht mit Be¬
stimmtheit ermitteln können, am 1. August ist er bereits dort gewesen.


11.
An Frau von Levetzow.

Weimar, Oetober 1825.

Mit vieler Freude erhalte ich, theuerste Freundin, Ihren lieben Brief, der
nur ein Zeugniß giebt, Sie seien von einer Krankheit wiederhergestellt, die, wie
ich vernommen hatte, Sie gefährlich bedrohte, und woran ich in Furcht und
Sorge herzlichsten Antheil nahm. Seyn Sie auf's Neue im Leben zu Freude
und Glück treulichst willkommen und so nehme ich denn auch in allem was
Ihnen Gutes begegnet meinen freundschaftlichen Theil und freue mich von Herzen
über das holde Geschick Amaliens. Sie soll an mich denken, wenn es ihr bei¬
gehen sollte, Freund und Gemahl gelegentlich zu necken.

In Gedanken spazierte gar oft mit unserer lieben Ältesten auf der Terrasse
hin und wieder. Die schöne Gewohnheit einige Sommerabende zusammen zu
sein, sollte mir diesmal ausgehen, und ich hätte es nicht ertragen, Sie ohne


überdenke, je weniger weis ich diese Zweifel zu beseitigen, ob mich gleich das
große Zutrauen des jungen Frauenzimmers rühret und mich beschämen würde,
wenn ich mir nicht bewußt Ware, mit aller Treue und festen Grundsätzen so
viele Jahre dieser Anstalt uuter mancherley Unbilden vorgestanden zu haben.

Die Absendung des Vorstehenden ist leider sehr lange verzögert worden.
Ich werde an meine Pflicht erinnert in dem Augenblick da ich von Weimar
scheide, um nach Frankfurt und Wiesbaden zu gehen. Wenn ich schließlich ver¬
sichere, daß Freund Meyer noch ganz entzückt ist von seinem Münchner Auf¬
enthalt, und daß ich durch seine Erzählungen in die größte Ungeduld versetzt
wordeu, jene Freunde, Schätze und Anstalten selbst zu besuchen, so werden Sie
mir gewiß Glauben beymessen. Ebenso bitte überzeugt zu seyn, daß ich mich
mit Antheil und vorzüglicher Hochachtung jederzeit Ihres frühern Wohlwollens
erinnere und dessen Fortsetzung aufrichtig wünsche.


Weimar er geben se
Goethe. den 24 July 1814.

Der ganze Brief ist dictirt, und zwar bis zu den Worten „vorgestanden zu
haben" einem Schreiber, der letzte Absatz dagegen ist von Riemer geschrieben. Eigen¬
händig ist nur: „ergebenst Goethe".

Heinrich Meyer hatte 1813—1814 seine Heimat, die Schweiz, besucht und auf
dem Rückwege die Münchener Kunstschätze in Augenschein genommen. An welchem
Tage Goethe seine Reise nach Wiesbaden angetreten hat, habe ich nicht mit Be¬
stimmtheit ermitteln können, am 1. August ist er bereits dort gewesen.


11.
An Frau von Levetzow.

Weimar, Oetober 1825.

Mit vieler Freude erhalte ich, theuerste Freundin, Ihren lieben Brief, der
nur ein Zeugniß giebt, Sie seien von einer Krankheit wiederhergestellt, die, wie
ich vernommen hatte, Sie gefährlich bedrohte, und woran ich in Furcht und
Sorge herzlichsten Antheil nahm. Seyn Sie auf's Neue im Leben zu Freude
und Glück treulichst willkommen und so nehme ich denn auch in allem was
Ihnen Gutes begegnet meinen freundschaftlichen Theil und freue mich von Herzen
über das holde Geschick Amaliens. Sie soll an mich denken, wenn es ihr bei¬
gehen sollte, Freund und Gemahl gelegentlich zu necken.

In Gedanken spazierte gar oft mit unserer lieben Ältesten auf der Terrasse
hin und wieder. Die schöne Gewohnheit einige Sommerabende zusammen zu
sein, sollte mir diesmal ausgehen, und ich hätte es nicht ertragen, Sie ohne


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[0363] überdenke, je weniger weis ich diese Zweifel zu beseitigen, ob mich gleich das große Zutrauen des jungen Frauenzimmers rühret und mich beschämen würde, wenn ich mir nicht bewußt Ware, mit aller Treue und festen Grundsätzen so viele Jahre dieser Anstalt uuter mancherley Unbilden vorgestanden zu haben. Die Absendung des Vorstehenden ist leider sehr lange verzögert worden. Ich werde an meine Pflicht erinnert in dem Augenblick da ich von Weimar scheide, um nach Frankfurt und Wiesbaden zu gehen. Wenn ich schließlich ver¬ sichere, daß Freund Meyer noch ganz entzückt ist von seinem Münchner Auf¬ enthalt, und daß ich durch seine Erzählungen in die größte Ungeduld versetzt wordeu, jene Freunde, Schätze und Anstalten selbst zu besuchen, so werden Sie mir gewiß Glauben beymessen. Ebenso bitte überzeugt zu seyn, daß ich mich mit Antheil und vorzüglicher Hochachtung jederzeit Ihres frühern Wohlwollens erinnere und dessen Fortsetzung aufrichtig wünsche. Weimar er geben se Goethe. den 24 July 1814. Der ganze Brief ist dictirt, und zwar bis zu den Worten „vorgestanden zu haben" einem Schreiber, der letzte Absatz dagegen ist von Riemer geschrieben. Eigen¬ händig ist nur: „ergebenst Goethe". Heinrich Meyer hatte 1813—1814 seine Heimat, die Schweiz, besucht und auf dem Rückwege die Münchener Kunstschätze in Augenschein genommen. An welchem Tage Goethe seine Reise nach Wiesbaden angetreten hat, habe ich nicht mit Be¬ stimmtheit ermitteln können, am 1. August ist er bereits dort gewesen. 11. An Frau von Levetzow. Weimar, Oetober 1825. Mit vieler Freude erhalte ich, theuerste Freundin, Ihren lieben Brief, der nur ein Zeugniß giebt, Sie seien von einer Krankheit wiederhergestellt, die, wie ich vernommen hatte, Sie gefährlich bedrohte, und woran ich in Furcht und Sorge herzlichsten Antheil nahm. Seyn Sie auf's Neue im Leben zu Freude und Glück treulichst willkommen und so nehme ich denn auch in allem was Ihnen Gutes begegnet meinen freundschaftlichen Theil und freue mich von Herzen über das holde Geschick Amaliens. Sie soll an mich denken, wenn es ihr bei¬ gehen sollte, Freund und Gemahl gelegentlich zu necken. In Gedanken spazierte gar oft mit unserer lieben Ältesten auf der Terrasse hin und wieder. Die schöne Gewohnheit einige Sommerabende zusammen zu sein, sollte mir diesmal ausgehen, und ich hätte es nicht ertragen, Sie ohne

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/363>, abgerufen am 30.04.2024.