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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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willt sind. Die Griechen werden unter keinen Umständen im Stande sein, ein
Heer von mehr als vierzigtausend Mann auf die Beine zu bringen, und diese
Streitmacht wird nicht vor Ablauf von zwei Monaten so weit sein, daß sie die
türkische Grenze überschreiten kann. Inzwischen hat die Türkei die Lösung der
montenegrinischen Frage ernstlich in die Hand genommen, und die Albanesen
werden bald in der Lage sein, ihre Aufmerksamkeit den Griechen zu widmen.
Was die Jnsurrection betrifft, deren Mittelpunkt Sofia werden sollte, so ist
nicht zu bezweifeln, daß die Haltung Oesterreichs, hinter dem Deutschland steht,
Rußland vor der Hand abhalten wird, die hier vorbereitete Mine springen zu
lassen. Alles zeigt, daß die Krisis, die das englische Cabinet hervorgerufen hat,
durch das maßvolle Verhalten der anderen Mächte verhindert worden ist."

Diese Mittheilung enthält unzweifelhaft Wahres, uur würden wir sie keine
Enthüllung nennen; anch ist das russische Cabinet gewiß nicht so schlecht, wie
hier angenommen wird, über die militärische Kraft Griechenlands unterrichtet.
Das europäische Einvernehmen läßt ferner zu wünschen übrig -- zu wün¬
schen für die, welche es mit Gladstone und seinen russischen Freunden halten --,
denn uicht bloß Frankreich, sondern auch andere Mächte haben es mit Pres-.
sionsmaßregeln in der griechischen Frage nicht eilig; eine Farce aber würden
wir es deshalb doch nicht nennen. Was endlich die Berathungen Moltkes mit
den Oesterreichern in Ischl angeht, welche der oben citirte Artikel erwähnt, so
ist das xordaxg desselben sehr am Orte. Ein paar deutsche und österreichische
Zeitungsschreiber haben wohl derartiges vermuthet, aber auf keinen anderen
ersichtlichen Grund hin, als den, ihr tägliches Pensum an Kannegießerei zu
leisten. An unterrichteter Stelle weiß man davon nicht das geringste, und die
G> Dinge sind überhaupt noch lange nicht so weit gediehen.




In russischer Gefangenschaft.
(Aus den Aufzeichnungen eines thüringischen Schulmeisters.)
Mitgetheilt von Robert Keil.
5.
In der Synagoge und der Schmiede zu Wilna.

Der Befehl, die Ueberbleibsel unserer Mannschaft zu entfernen, mochte von
dem einige Tage vorher in Wilna angekommenen Großfürsten Rußlands, Kor-


willt sind. Die Griechen werden unter keinen Umständen im Stande sein, ein
Heer von mehr als vierzigtausend Mann auf die Beine zu bringen, und diese
Streitmacht wird nicht vor Ablauf von zwei Monaten so weit sein, daß sie die
türkische Grenze überschreiten kann. Inzwischen hat die Türkei die Lösung der
montenegrinischen Frage ernstlich in die Hand genommen, und die Albanesen
werden bald in der Lage sein, ihre Aufmerksamkeit den Griechen zu widmen.
Was die Jnsurrection betrifft, deren Mittelpunkt Sofia werden sollte, so ist
nicht zu bezweifeln, daß die Haltung Oesterreichs, hinter dem Deutschland steht,
Rußland vor der Hand abhalten wird, die hier vorbereitete Mine springen zu
lassen. Alles zeigt, daß die Krisis, die das englische Cabinet hervorgerufen hat,
durch das maßvolle Verhalten der anderen Mächte verhindert worden ist."

Diese Mittheilung enthält unzweifelhaft Wahres, uur würden wir sie keine
Enthüllung nennen; anch ist das russische Cabinet gewiß nicht so schlecht, wie
hier angenommen wird, über die militärische Kraft Griechenlands unterrichtet.
Das europäische Einvernehmen läßt ferner zu wünschen übrig — zu wün¬
schen für die, welche es mit Gladstone und seinen russischen Freunden halten —,
denn uicht bloß Frankreich, sondern auch andere Mächte haben es mit Pres-.
sionsmaßregeln in der griechischen Frage nicht eilig; eine Farce aber würden
wir es deshalb doch nicht nennen. Was endlich die Berathungen Moltkes mit
den Oesterreichern in Ischl angeht, welche der oben citirte Artikel erwähnt, so
ist das xordaxg desselben sehr am Orte. Ein paar deutsche und österreichische
Zeitungsschreiber haben wohl derartiges vermuthet, aber auf keinen anderen
ersichtlichen Grund hin, als den, ihr tägliches Pensum an Kannegießerei zu
leisten. An unterrichteter Stelle weiß man davon nicht das geringste, und die
G> Dinge sind überhaupt noch lange nicht so weit gediehen.




In russischer Gefangenschaft.
(Aus den Aufzeichnungen eines thüringischen Schulmeisters.)
Mitgetheilt von Robert Keil.
5.
In der Synagoge und der Schmiede zu Wilna.

Der Befehl, die Ueberbleibsel unserer Mannschaft zu entfernen, mochte von
dem einige Tage vorher in Wilna angekommenen Großfürsten Rußlands, Kor-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/402>, abgerufen am 30.04.2024.