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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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politische Briefe.
i<5. Die Trennung in der nationalliberalen Partei.

Jahrelang ist die Rede gegangen von dem Bestehen eines rechten und linken
Flügels in der nationalliberalen Partei. Die Thatsache wurde jedoch bis in
die jüngste Zeit immer mit großer Heftigkeit in Abrede gestellt. Nun hat am
Ende jede Körperschaft das Recht, dreiste und indiscrete Behauptungen über
Vorgänge in ihrem Innern abzulehnen. Für die Oeffentlichkeit sind nur die
öffentlichen Handlungen der Körperschaft. Im vorliegenden Falle scheint es
jedoch, als sei die äußere Gemeinschaft länger aufrecht erhalten worden, als es
die wesentliche Verschiedenheit der politischen Ansichten erlaubt hätte. Der Mangel
an Einheit und Zweckmäßigkeit in dem öffentliche" Handeln der Partei, der ihr
von rechts und links Vorwürfe eintragen mußte, ist, wie man jetzt deutlich sieht,
auf den lange im Innern bestehenden Gegensatz der Partei zurückzuführen.

Wir wissen nicht, wem die länger als gut fortgesetzte Gemeinschaft zur
Last fällt. Jeder billige Beurtheiler wird im voraus zahlreiche Entschuldigungs-
gründe voraussetzen. Daß die Trennung endlich erfolgt ist, muß aber den Aus¬
scheidenden als Verdienst angerechnet werden, und alle Welt sollte unseres Tr¬
achtens darüber einig sein, daß diese Trennung ein durchaus nothwendiger
Schritt war, ein einfacher Imperativ der politischen Moral.

Wenn nun der Schritt keineswegs in diesem Sinne einmüthig von der
öffentlichen Meinung aufgenommen wird, so liegt dies, wie wir überzeugt sind,
lediglich an der Art, wie der Schritt vollzogen worden ist. Gegen diese Art
müssen auch wir den schwersten Tadel richten.

Der deutsche Liberalismus weist seit dem Jahre 1848, wo er zum ersten
Male zum verantwortlichen Handeln auf der politischen Bühne die Möglichkeit
erhielt, einen Gegensatz auf, der tief in der Natur aller politischen Parteikämpfe
liegt. Erst in der letzten Zeit sind für diesen Gegensatz die classischen Bezeich¬
nungen gefunden worden, und zwar ist die eine Bezeichnung aus der Termi-


Grimzlwteii III. 1880. SS
politische Briefe.
i<5. Die Trennung in der nationalliberalen Partei.

Jahrelang ist die Rede gegangen von dem Bestehen eines rechten und linken
Flügels in der nationalliberalen Partei. Die Thatsache wurde jedoch bis in
die jüngste Zeit immer mit großer Heftigkeit in Abrede gestellt. Nun hat am
Ende jede Körperschaft das Recht, dreiste und indiscrete Behauptungen über
Vorgänge in ihrem Innern abzulehnen. Für die Oeffentlichkeit sind nur die
öffentlichen Handlungen der Körperschaft. Im vorliegenden Falle scheint es
jedoch, als sei die äußere Gemeinschaft länger aufrecht erhalten worden, als es
die wesentliche Verschiedenheit der politischen Ansichten erlaubt hätte. Der Mangel
an Einheit und Zweckmäßigkeit in dem öffentliche» Handeln der Partei, der ihr
von rechts und links Vorwürfe eintragen mußte, ist, wie man jetzt deutlich sieht,
auf den lange im Innern bestehenden Gegensatz der Partei zurückzuführen.

Wir wissen nicht, wem die länger als gut fortgesetzte Gemeinschaft zur
Last fällt. Jeder billige Beurtheiler wird im voraus zahlreiche Entschuldigungs-
gründe voraussetzen. Daß die Trennung endlich erfolgt ist, muß aber den Aus¬
scheidenden als Verdienst angerechnet werden, und alle Welt sollte unseres Tr¬
achtens darüber einig sein, daß diese Trennung ein durchaus nothwendiger
Schritt war, ein einfacher Imperativ der politischen Moral.

Wenn nun der Schritt keineswegs in diesem Sinne einmüthig von der
öffentlichen Meinung aufgenommen wird, so liegt dies, wie wir überzeugt sind,
lediglich an der Art, wie der Schritt vollzogen worden ist. Gegen diese Art
müssen auch wir den schwersten Tadel richten.

Der deutsche Liberalismus weist seit dem Jahre 1848, wo er zum ersten
Male zum verantwortlichen Handeln auf der politischen Bühne die Möglichkeit
erhielt, einen Gegensatz auf, der tief in der Natur aller politischen Parteikämpfe
liegt. Erst in der letzten Zeit sind für diesen Gegensatz die classischen Bezeich¬
nungen gefunden worden, und zwar ist die eine Bezeichnung aus der Termi-


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[0430] politische Briefe. i<5. Die Trennung in der nationalliberalen Partei. Jahrelang ist die Rede gegangen von dem Bestehen eines rechten und linken Flügels in der nationalliberalen Partei. Die Thatsache wurde jedoch bis in die jüngste Zeit immer mit großer Heftigkeit in Abrede gestellt. Nun hat am Ende jede Körperschaft das Recht, dreiste und indiscrete Behauptungen über Vorgänge in ihrem Innern abzulehnen. Für die Oeffentlichkeit sind nur die öffentlichen Handlungen der Körperschaft. Im vorliegenden Falle scheint es jedoch, als sei die äußere Gemeinschaft länger aufrecht erhalten worden, als es die wesentliche Verschiedenheit der politischen Ansichten erlaubt hätte. Der Mangel an Einheit und Zweckmäßigkeit in dem öffentliche» Handeln der Partei, der ihr von rechts und links Vorwürfe eintragen mußte, ist, wie man jetzt deutlich sieht, auf den lange im Innern bestehenden Gegensatz der Partei zurückzuführen. Wir wissen nicht, wem die länger als gut fortgesetzte Gemeinschaft zur Last fällt. Jeder billige Beurtheiler wird im voraus zahlreiche Entschuldigungs- gründe voraussetzen. Daß die Trennung endlich erfolgt ist, muß aber den Aus¬ scheidenden als Verdienst angerechnet werden, und alle Welt sollte unseres Tr¬ achtens darüber einig sein, daß diese Trennung ein durchaus nothwendiger Schritt war, ein einfacher Imperativ der politischen Moral. Wenn nun der Schritt keineswegs in diesem Sinne einmüthig von der öffentlichen Meinung aufgenommen wird, so liegt dies, wie wir überzeugt sind, lediglich an der Art, wie der Schritt vollzogen worden ist. Gegen diese Art müssen auch wir den schwersten Tadel richten. Der deutsche Liberalismus weist seit dem Jahre 1848, wo er zum ersten Male zum verantwortlichen Handeln auf der politischen Bühne die Möglichkeit erhielt, einen Gegensatz auf, der tief in der Natur aller politischen Parteikämpfe liegt. Erst in der letzten Zeit sind für diesen Gegensatz die classischen Bezeich¬ nungen gefunden worden, und zwar ist die eine Bezeichnung aus der Termi- Grimzlwteii III. 1880. SS

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/430>, abgerufen am 30.04.2024.