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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Bruche und Seen, d. h. die Natur zwingt das zu Thale fließende Wasser zu
möglichst geringer Geschwindigkeit, und dadurch zur Aufnahme von möglichst
viel Nährstoffen, also zu möglichst hoher und intensiver Culturarbeit. Die
Thäler und Niederungen endlich bekleidet die Natur mit Wiesen und furcht in
diese die Stromrinnen ein, damit auf und in ihnen die von den Gewässern bei
Hochwasser uiedergeführten Sinkstoffe sich separiren. Dadurch werden in stetig
wachsendem Verhältniß immer größere Theile der Erdoberfläche für die Vege¬
tation nutzbar gemacht und durch diese wieder für die Thierwelt. Denn gleich¬
viel ob die Thiere im Wasser oder ans dem Lande leben, nur durch die Pflanzen
wird ihre Existenz möglich. Dabei aber "wirft die Natur mit unverwüstlichem,
trunkenem Uebermuthe in allen Höhen und Tiefen mit unzähligen, vollen Händen
neue Lebenskeime millionenweise aus den Leibern aller Land- und Wasserthiere
hervor und läßt sie mit demselben Uebermuthe unerschöpflichen Lebens- und
Feuerbewußtseins der Wiedergebnrtskraft ebenso massenhaft wieder verderben
und verschlingen."

Der hydrotechnische Zweck der Natur auf dieser Stufe der Culturarbeit
des Wassers ist also kurz gefaßt folgender: "Das Wasser soll die Producte
der Verwitterung, d. h. die Producte seiner chemischen, physikalischen und mecha¬
nischen Thätigkeit in ewiger Bewegung von dem Festlande in das Meer führen,
dabei soll es mit den schwereren Geschieben die tiefsten Einsenkungen der Erd¬
oberfläche ausfüllen, mit den leichter beweglichen die Thalsohlen und Niede¬
rungen aufhöben und mit den schwimmenden, d. h. mit denjenigen, welche die
Nährstoffe für die Pflanzenwelt enthalten, fruchtbare Marschen, Auen und Wiesen
bilden." Diese" ihren Zweck erreicht die Natur wie immer und überall, so
auch hier durch das einfachste Mittel: Sie verzögert durch Stauung die
Geschwindigkeit des niederfließenden Wassers.


2. Die Natur zwingt das Wasser, dem Menschen mechanische
Arbeit zu leisten.

Wir leben an der Grenze zweier Meere, sagt Dove, am Boden des Luft-
meeres und über dem tropfbar flüssigen; die äußere Grenze des ersteren können
wir nicht erreichen, denn die höchsten Gebirge sind nur Untiefen desselben, welche
von ihm weit überströmt werden; von dem zweiten ist uns nur die Oberfläche
bekannt, die Geheimnisse der Tiefe sind uns verschlossen und auf diese Weise
der größte Theil der Erdoberfläche unseren Blicken entzogen. Allerdings ragen
mächtige Landmassen über das Meer hervor, so daß die feste Grundfläche des
Luftkreises zur flüssigen sich wie 51:146 verhält, aber man ist längst von der
Vorstellung zurückgekommen, daß das über den Meeresspiegel Erhobene aus¬
reichen würde, die Lücke auszufüllen, welche wir in dem jetzigen Contour der


Bruche und Seen, d. h. die Natur zwingt das zu Thale fließende Wasser zu
möglichst geringer Geschwindigkeit, und dadurch zur Aufnahme von möglichst
viel Nährstoffen, also zu möglichst hoher und intensiver Culturarbeit. Die
Thäler und Niederungen endlich bekleidet die Natur mit Wiesen und furcht in
diese die Stromrinnen ein, damit auf und in ihnen die von den Gewässern bei
Hochwasser uiedergeführten Sinkstoffe sich separiren. Dadurch werden in stetig
wachsendem Verhältniß immer größere Theile der Erdoberfläche für die Vege¬
tation nutzbar gemacht und durch diese wieder für die Thierwelt. Denn gleich¬
viel ob die Thiere im Wasser oder ans dem Lande leben, nur durch die Pflanzen
wird ihre Existenz möglich. Dabei aber „wirft die Natur mit unverwüstlichem,
trunkenem Uebermuthe in allen Höhen und Tiefen mit unzähligen, vollen Händen
neue Lebenskeime millionenweise aus den Leibern aller Land- und Wasserthiere
hervor und läßt sie mit demselben Uebermuthe unerschöpflichen Lebens- und
Feuerbewußtseins der Wiedergebnrtskraft ebenso massenhaft wieder verderben
und verschlingen."

Der hydrotechnische Zweck der Natur auf dieser Stufe der Culturarbeit
des Wassers ist also kurz gefaßt folgender: „Das Wasser soll die Producte
der Verwitterung, d. h. die Producte seiner chemischen, physikalischen und mecha¬
nischen Thätigkeit in ewiger Bewegung von dem Festlande in das Meer führen,
dabei soll es mit den schwereren Geschieben die tiefsten Einsenkungen der Erd¬
oberfläche ausfüllen, mit den leichter beweglichen die Thalsohlen und Niede¬
rungen aufhöben und mit den schwimmenden, d. h. mit denjenigen, welche die
Nährstoffe für die Pflanzenwelt enthalten, fruchtbare Marschen, Auen und Wiesen
bilden." Diese» ihren Zweck erreicht die Natur wie immer und überall, so
auch hier durch das einfachste Mittel: Sie verzögert durch Stauung die
Geschwindigkeit des niederfließenden Wassers.


2. Die Natur zwingt das Wasser, dem Menschen mechanische
Arbeit zu leisten.

Wir leben an der Grenze zweier Meere, sagt Dove, am Boden des Luft-
meeres und über dem tropfbar flüssigen; die äußere Grenze des ersteren können
wir nicht erreichen, denn die höchsten Gebirge sind nur Untiefen desselben, welche
von ihm weit überströmt werden; von dem zweiten ist uns nur die Oberfläche
bekannt, die Geheimnisse der Tiefe sind uns verschlossen und auf diese Weise
der größte Theil der Erdoberfläche unseren Blicken entzogen. Allerdings ragen
mächtige Landmassen über das Meer hervor, so daß die feste Grundfläche des
Luftkreises zur flüssigen sich wie 51:146 verhält, aber man ist längst von der
Vorstellung zurückgekommen, daß das über den Meeresspiegel Erhobene aus¬
reichen würde, die Lücke auszufüllen, welche wir in dem jetzigen Contour der


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[0044] Bruche und Seen, d. h. die Natur zwingt das zu Thale fließende Wasser zu möglichst geringer Geschwindigkeit, und dadurch zur Aufnahme von möglichst viel Nährstoffen, also zu möglichst hoher und intensiver Culturarbeit. Die Thäler und Niederungen endlich bekleidet die Natur mit Wiesen und furcht in diese die Stromrinnen ein, damit auf und in ihnen die von den Gewässern bei Hochwasser uiedergeführten Sinkstoffe sich separiren. Dadurch werden in stetig wachsendem Verhältniß immer größere Theile der Erdoberfläche für die Vege¬ tation nutzbar gemacht und durch diese wieder für die Thierwelt. Denn gleich¬ viel ob die Thiere im Wasser oder ans dem Lande leben, nur durch die Pflanzen wird ihre Existenz möglich. Dabei aber „wirft die Natur mit unverwüstlichem, trunkenem Uebermuthe in allen Höhen und Tiefen mit unzähligen, vollen Händen neue Lebenskeime millionenweise aus den Leibern aller Land- und Wasserthiere hervor und läßt sie mit demselben Uebermuthe unerschöpflichen Lebens- und Feuerbewußtseins der Wiedergebnrtskraft ebenso massenhaft wieder verderben und verschlingen." Der hydrotechnische Zweck der Natur auf dieser Stufe der Culturarbeit des Wassers ist also kurz gefaßt folgender: „Das Wasser soll die Producte der Verwitterung, d. h. die Producte seiner chemischen, physikalischen und mecha¬ nischen Thätigkeit in ewiger Bewegung von dem Festlande in das Meer führen, dabei soll es mit den schwereren Geschieben die tiefsten Einsenkungen der Erd¬ oberfläche ausfüllen, mit den leichter beweglichen die Thalsohlen und Niede¬ rungen aufhöben und mit den schwimmenden, d. h. mit denjenigen, welche die Nährstoffe für die Pflanzenwelt enthalten, fruchtbare Marschen, Auen und Wiesen bilden." Diese» ihren Zweck erreicht die Natur wie immer und überall, so auch hier durch das einfachste Mittel: Sie verzögert durch Stauung die Geschwindigkeit des niederfließenden Wassers. 2. Die Natur zwingt das Wasser, dem Menschen mechanische Arbeit zu leisten. Wir leben an der Grenze zweier Meere, sagt Dove, am Boden des Luft- meeres und über dem tropfbar flüssigen; die äußere Grenze des ersteren können wir nicht erreichen, denn die höchsten Gebirge sind nur Untiefen desselben, welche von ihm weit überströmt werden; von dem zweiten ist uns nur die Oberfläche bekannt, die Geheimnisse der Tiefe sind uns verschlossen und auf diese Weise der größte Theil der Erdoberfläche unseren Blicken entzogen. Allerdings ragen mächtige Landmassen über das Meer hervor, so daß die feste Grundfläche des Luftkreises zur flüssigen sich wie 51:146 verhält, aber man ist längst von der Vorstellung zurückgekommen, daß das über den Meeresspiegel Erhobene aus¬ reichen würde, die Lücke auszufüllen, welche wir in dem jetzigen Contour der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/44>, abgerufen am 30.04.2024.