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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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rend. Nicht zu vergessen endlich der weißröckige Galeriediener, der sich furcht¬
bar gähnend die Wand entlang drückt. Jede Figur ist von Kopf bis zu den
Füßen Leben, Wahrheit und Bewegung. Ju allen Köpfen spiegelt sich eine
mehr oder minder rege Geistesthätigkeit, aus der sich erkennen läßt, in wie un¬
endlich verschiedener Weise die Kunst genossen wird, wie sie dem einen das
höchste Entzücken, dem anderen vollkommen gleichgiltig, dem dritten gar Pein
und Qual ist.

Die Plastik erfordert leider uur wenige Worte. Zwei Statuen für die
Nischen des Sitzungssaales der Reichsbank, der "Sieg" von Siemering, ein
römischer Krieger, der ziemlich affectirt einen Lorbeerkranz emporhält, und der
"Friede" von Albert Wolff, eine weibliche Figur mit nichtssagenden Gesichts¬
ausdruck, können sich, was Originalität der Erfindung und Frische der Ausfüh¬
rung anbelangt, mit Reinhold Begas' "Reichthum" für denselben Saal nicht
messen. Eine weibliche Jdealgestalt in Bronce, welche die Stadt Hannover
personificiren soll und für das Kriegerdenkmal in dieser Stadt bestimmt ist, von
Hermann Volz in Karlsruhe, ist eine Arbeit von echt monumentaler Würde.
Das Gefühl der Trauer ist in der Neigung des edlen Hauptes vortrefflich zum
Ausdruck gekommen. Ein Entwurf für ein Denkmal Wilhelm von Humboldts
in Berlin von M. P. Otto zeichnet sich dnrch geistvolle Charakteristik des
Kopfes aus. In dem Arrangement der Gewandung waltet jener malerische
Stil vor, welchem alle jüngeren Vertreter der Berliner Plastik huldigen. Wenn
mit dieser originellen realistischen Ausdrucksweise auch nnr eine ebenbürtige Er¬
findungskraft Hand in Hand ginge! Aber immer und ewig: Amor und Psyche,
Orpheus und Eurydice, Faust und Satyr. Es ist eine wahre Erfrischung in
diesem mythologischen Einerlei, daß Fr. Reusch auf die barocke Idee gekommen
ist, eine -- Dampfkesselexplosion plastisch zu versinnlichen. Und die Art der
Ausführung ist obenein gar nicht fo übel. Auf brausendem Gischt, der die Kessel-
trümmer emporhebt, steigt ein jugendlicher Dämon mit Fledermausflttgelu empor,
der in jeder der weit von sich gestreckten Hände das Stück einer zerrissenen
Kette hält, die vorher die Kraft seiner Arme fesselte.


A. R.


Productiv-Genossenschaften mit Großbetrieb.

Wenn in dem socialdemokratischen Aufruf der Herren Körner und Finn
gesagt wird, daß die Wirtschaftspolitik der Reichs- und Staatsregierung der
letzten Jahre an sich identisch sei mit Bestrebungen, die für den Arbeiter wirt-


rend. Nicht zu vergessen endlich der weißröckige Galeriediener, der sich furcht¬
bar gähnend die Wand entlang drückt. Jede Figur ist von Kopf bis zu den
Füßen Leben, Wahrheit und Bewegung. Ju allen Köpfen spiegelt sich eine
mehr oder minder rege Geistesthätigkeit, aus der sich erkennen läßt, in wie un¬
endlich verschiedener Weise die Kunst genossen wird, wie sie dem einen das
höchste Entzücken, dem anderen vollkommen gleichgiltig, dem dritten gar Pein
und Qual ist.

Die Plastik erfordert leider uur wenige Worte. Zwei Statuen für die
Nischen des Sitzungssaales der Reichsbank, der „Sieg" von Siemering, ein
römischer Krieger, der ziemlich affectirt einen Lorbeerkranz emporhält, und der
„Friede" von Albert Wolff, eine weibliche Figur mit nichtssagenden Gesichts¬
ausdruck, können sich, was Originalität der Erfindung und Frische der Ausfüh¬
rung anbelangt, mit Reinhold Begas' „Reichthum" für denselben Saal nicht
messen. Eine weibliche Jdealgestalt in Bronce, welche die Stadt Hannover
personificiren soll und für das Kriegerdenkmal in dieser Stadt bestimmt ist, von
Hermann Volz in Karlsruhe, ist eine Arbeit von echt monumentaler Würde.
Das Gefühl der Trauer ist in der Neigung des edlen Hauptes vortrefflich zum
Ausdruck gekommen. Ein Entwurf für ein Denkmal Wilhelm von Humboldts
in Berlin von M. P. Otto zeichnet sich dnrch geistvolle Charakteristik des
Kopfes aus. In dem Arrangement der Gewandung waltet jener malerische
Stil vor, welchem alle jüngeren Vertreter der Berliner Plastik huldigen. Wenn
mit dieser originellen realistischen Ausdrucksweise auch nnr eine ebenbürtige Er¬
findungskraft Hand in Hand ginge! Aber immer und ewig: Amor und Psyche,
Orpheus und Eurydice, Faust und Satyr. Es ist eine wahre Erfrischung in
diesem mythologischen Einerlei, daß Fr. Reusch auf die barocke Idee gekommen
ist, eine — Dampfkesselexplosion plastisch zu versinnlichen. Und die Art der
Ausführung ist obenein gar nicht fo übel. Auf brausendem Gischt, der die Kessel-
trümmer emporhebt, steigt ein jugendlicher Dämon mit Fledermausflttgelu empor,
der in jeder der weit von sich gestreckten Hände das Stück einer zerrissenen
Kette hält, die vorher die Kraft seiner Arme fesselte.


A. R.


Productiv-Genossenschaften mit Großbetrieb.

Wenn in dem socialdemokratischen Aufruf der Herren Körner und Finn
gesagt wird, daß die Wirtschaftspolitik der Reichs- und Staatsregierung der
letzten Jahre an sich identisch sei mit Bestrebungen, die für den Arbeiter wirt-


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[0547] rend. Nicht zu vergessen endlich der weißröckige Galeriediener, der sich furcht¬ bar gähnend die Wand entlang drückt. Jede Figur ist von Kopf bis zu den Füßen Leben, Wahrheit und Bewegung. Ju allen Köpfen spiegelt sich eine mehr oder minder rege Geistesthätigkeit, aus der sich erkennen läßt, in wie un¬ endlich verschiedener Weise die Kunst genossen wird, wie sie dem einen das höchste Entzücken, dem anderen vollkommen gleichgiltig, dem dritten gar Pein und Qual ist. Die Plastik erfordert leider uur wenige Worte. Zwei Statuen für die Nischen des Sitzungssaales der Reichsbank, der „Sieg" von Siemering, ein römischer Krieger, der ziemlich affectirt einen Lorbeerkranz emporhält, und der „Friede" von Albert Wolff, eine weibliche Figur mit nichtssagenden Gesichts¬ ausdruck, können sich, was Originalität der Erfindung und Frische der Ausfüh¬ rung anbelangt, mit Reinhold Begas' „Reichthum" für denselben Saal nicht messen. Eine weibliche Jdealgestalt in Bronce, welche die Stadt Hannover personificiren soll und für das Kriegerdenkmal in dieser Stadt bestimmt ist, von Hermann Volz in Karlsruhe, ist eine Arbeit von echt monumentaler Würde. Das Gefühl der Trauer ist in der Neigung des edlen Hauptes vortrefflich zum Ausdruck gekommen. Ein Entwurf für ein Denkmal Wilhelm von Humboldts in Berlin von M. P. Otto zeichnet sich dnrch geistvolle Charakteristik des Kopfes aus. In dem Arrangement der Gewandung waltet jener malerische Stil vor, welchem alle jüngeren Vertreter der Berliner Plastik huldigen. Wenn mit dieser originellen realistischen Ausdrucksweise auch nnr eine ebenbürtige Er¬ findungskraft Hand in Hand ginge! Aber immer und ewig: Amor und Psyche, Orpheus und Eurydice, Faust und Satyr. Es ist eine wahre Erfrischung in diesem mythologischen Einerlei, daß Fr. Reusch auf die barocke Idee gekommen ist, eine — Dampfkesselexplosion plastisch zu versinnlichen. Und die Art der Ausführung ist obenein gar nicht fo übel. Auf brausendem Gischt, der die Kessel- trümmer emporhebt, steigt ein jugendlicher Dämon mit Fledermausflttgelu empor, der in jeder der weit von sich gestreckten Hände das Stück einer zerrissenen Kette hält, die vorher die Kraft seiner Arme fesselte. A. R. Productiv-Genossenschaften mit Großbetrieb. Wenn in dem socialdemokratischen Aufruf der Herren Körner und Finn gesagt wird, daß die Wirtschaftspolitik der Reichs- und Staatsregierung der letzten Jahre an sich identisch sei mit Bestrebungen, die für den Arbeiter wirt-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/547>, abgerufen am 30.04.2024.