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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Die Entstehung des belgischen Staates.

Binnen Kurzem werden unsere getreuen Nachbarn, die Belgier, die Erinne¬
rung an die Tage feierlich begehen, wo vor fünfzig Jahren der Grund zu ihrer
selbständigen Existenz als Mitglied der europäischen Völkerfamilie gelegt wurde.
Daß wir die gehobene Stimung, die sie im Hinblick auf diese Tage und die
ihnen gefolgte segensreiche Entwicklung ihres Staates beseelt, begreifen, haben
wir bereits vor einigen Wochen dargethan und daran aufrichtig gemeinte Wünsche
geknüpft, daß jene Selbständigkeit ihnen erhalten bleiben, und daß ihre Zukunft
auch fernerhin eine gedeihliche sein möge. Heute rollen wir vor den Lesern
ein Bild der Tage auf, denen das Jubiläum gilt, welches sich jetzt in den alten
brabcintischen und flandrischen Städten vorbereitet. Veranlassung dazu giebt uns
das zweibändige Werk Theodore In se es, das, wie eine Festschrift zu
literarischer Erhöhung der Feier soeben erschienen, uns den Nationalcongreß
schildert, der die Schöpfung des belgischen Staates durch Berathung und Sanctio-
nirung einer Verfassung für denselben vollendete*).

Der Gedanke, der zur Errichtung eines Königreichs der Niederlande führte,
entsprang in England. 1805 von Pitt ausgegangen, vom Cabinet von Se.
Petersburg gut geheißen, durch den Sieg der Franzosen bei Austerlitz zur Un¬
möglichkeit geworden, wurde diese Combination der alten holländischen Republik
mit den ehemals österreichischen Niederlanden 1814 von den Alliirten wieder
ins Auge gesaßt und vom Wiener Congreß im Juni 1815 als eine der Grund¬
bedingungen der Freiheit Europas gegenüber französischen Bestrebungen uach



*) Ils V0N5!>!8 Rational as Lslxinns 1330--1331, xrölMü -Is yllslgues con"Mr"ti<in8
für ig, vonstitntion lielxe xar Dans de I^vele^s. Lruxellss, librairis euroi>seul>e, v. An-
cirmrt. Das Buch ergänzt die Werke Nothombs und Huyttcus' wesentlich, da es dem Ver¬
fasser gestattet war, alle in den Staatsarchiven aufbewahrten, ans den Gegenstand seiner
Arbeit bezüglichen Documente zu benutzen, und da ihm allerlei wichtige Aufzeichnungen von
Gründern des belgischen Staates, z. B. die hinterlassenen Papiere de Potters, A. Gendcbiens,
Sylvain Van den Wcycrs nud Felix de Me'rotes, die alle vier der Provisorischen Regierung
angehörten, zur Verfügung gestellt waren. Die Darstellung ist klar und erschöpfend.
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Grenzboten III. 1380. 12
Die Entstehung des belgischen Staates.

Binnen Kurzem werden unsere getreuen Nachbarn, die Belgier, die Erinne¬
rung an die Tage feierlich begehen, wo vor fünfzig Jahren der Grund zu ihrer
selbständigen Existenz als Mitglied der europäischen Völkerfamilie gelegt wurde.
Daß wir die gehobene Stimung, die sie im Hinblick auf diese Tage und die
ihnen gefolgte segensreiche Entwicklung ihres Staates beseelt, begreifen, haben
wir bereits vor einigen Wochen dargethan und daran aufrichtig gemeinte Wünsche
geknüpft, daß jene Selbständigkeit ihnen erhalten bleiben, und daß ihre Zukunft
auch fernerhin eine gedeihliche sein möge. Heute rollen wir vor den Lesern
ein Bild der Tage auf, denen das Jubiläum gilt, welches sich jetzt in den alten
brabcintischen und flandrischen Städten vorbereitet. Veranlassung dazu giebt uns
das zweibändige Werk Theodore In se es, das, wie eine Festschrift zu
literarischer Erhöhung der Feier soeben erschienen, uns den Nationalcongreß
schildert, der die Schöpfung des belgischen Staates durch Berathung und Sanctio-
nirung einer Verfassung für denselben vollendete*).

Der Gedanke, der zur Errichtung eines Königreichs der Niederlande führte,
entsprang in England. 1805 von Pitt ausgegangen, vom Cabinet von Se.
Petersburg gut geheißen, durch den Sieg der Franzosen bei Austerlitz zur Un¬
möglichkeit geworden, wurde diese Combination der alten holländischen Republik
mit den ehemals österreichischen Niederlanden 1814 von den Alliirten wieder
ins Auge gesaßt und vom Wiener Congreß im Juni 1815 als eine der Grund¬
bedingungen der Freiheit Europas gegenüber französischen Bestrebungen uach



*) Ils V0N5!>!8 Rational as Lslxinns 1330—1331, xrölMü -Is yllslgues con»Mr»ti<in8
für ig, vonstitntion lielxe xar Dans de I^vele^s. Lruxellss, librairis euroi>seul>e, v. An-
cirmrt. Das Buch ergänzt die Werke Nothombs und Huyttcus' wesentlich, da es dem Ver¬
fasser gestattet war, alle in den Staatsarchiven aufbewahrten, ans den Gegenstand seiner
Arbeit bezüglichen Documente zu benutzen, und da ihm allerlei wichtige Aufzeichnungen von
Gründern des belgischen Staates, z. B. die hinterlassenen Papiere de Potters, A. Gendcbiens,
Sylvain Van den Wcycrs nud Felix de Me'rotes, die alle vier der Provisorischen Regierung
angehörten, zur Verfügung gestellt waren. Die Darstellung ist klar und erschöpfend.
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[0097] Die Entstehung des belgischen Staates. Binnen Kurzem werden unsere getreuen Nachbarn, die Belgier, die Erinne¬ rung an die Tage feierlich begehen, wo vor fünfzig Jahren der Grund zu ihrer selbständigen Existenz als Mitglied der europäischen Völkerfamilie gelegt wurde. Daß wir die gehobene Stimung, die sie im Hinblick auf diese Tage und die ihnen gefolgte segensreiche Entwicklung ihres Staates beseelt, begreifen, haben wir bereits vor einigen Wochen dargethan und daran aufrichtig gemeinte Wünsche geknüpft, daß jene Selbständigkeit ihnen erhalten bleiben, und daß ihre Zukunft auch fernerhin eine gedeihliche sein möge. Heute rollen wir vor den Lesern ein Bild der Tage auf, denen das Jubiläum gilt, welches sich jetzt in den alten brabcintischen und flandrischen Städten vorbereitet. Veranlassung dazu giebt uns das zweibändige Werk Theodore In se es, das, wie eine Festschrift zu literarischer Erhöhung der Feier soeben erschienen, uns den Nationalcongreß schildert, der die Schöpfung des belgischen Staates durch Berathung und Sanctio- nirung einer Verfassung für denselben vollendete*). Der Gedanke, der zur Errichtung eines Königreichs der Niederlande führte, entsprang in England. 1805 von Pitt ausgegangen, vom Cabinet von Se. Petersburg gut geheißen, durch den Sieg der Franzosen bei Austerlitz zur Un¬ möglichkeit geworden, wurde diese Combination der alten holländischen Republik mit den ehemals österreichischen Niederlanden 1814 von den Alliirten wieder ins Auge gesaßt und vom Wiener Congreß im Juni 1815 als eine der Grund¬ bedingungen der Freiheit Europas gegenüber französischen Bestrebungen uach *) Ils V0N5!>!8 Rational as Lslxinns 1330—1331, xrölMü -Is yllslgues con»Mr»ti<in8 für ig, vonstitntion lielxe xar Dans de I^vele^s. Lruxellss, librairis euroi>seul>e, v. An- cirmrt. Das Buch ergänzt die Werke Nothombs und Huyttcus' wesentlich, da es dem Ver¬ fasser gestattet war, alle in den Staatsarchiven aufbewahrten, ans den Gegenstand seiner Arbeit bezüglichen Documente zu benutzen, und da ihm allerlei wichtige Aufzeichnungen von Gründern des belgischen Staates, z. B. die hinterlassenen Papiere de Potters, A. Gendcbiens, Sylvain Van den Wcycrs nud Felix de Me'rotes, die alle vier der Provisorischen Regierung angehörten, zur Verfügung gestellt waren. Die Darstellung ist klar und erschöpfend. ' Grenzboten III. 1380. 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/97>, abgerufen am 30.04.2024.