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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Der Parlamentarismus in England.

Erklärungen spricht, nicht durch allgemeine Versicherungen, Liebesbotschaften
sind bisher nie ins Parlament gelangt. Laßt uns eine Petition unsrer Rechte
aufsetzen."

In dem Comitv, das zu diesem Zwecke ernannt wurde, wollten zwei Mit¬
glieder eine Klausel zur Wahrung der "souveränen Gewalt" eingeschoben wissen,
die übrigen aber antworteten: "Der König hat keine souveräne Gewalt oder
Prärogative seinen Unterthanen das Geburtsrecht und Erbtheil zu nehmen oder
zu bestreiten, das sie an ihren Freiheiten haben kraft des gemeinen Rechts und
den nur deelaratorischen Statuten.,.. Die souveräne Gewalt, die dem Könige
anvertraut ist, ist nur zum Schlitze, zur Sicherheit und zur Wohlfahrt seines
Volkes da, nämlich zur Bewahrung dieses ihm innewohnenden Geburtsrechts,
des Erbtheils von Freiheiten und Freiheit und der Gesetze und Statuten, in deuen
dieselben verbrieft und ausgesprochen sind." Und als sich auch im Unterhause
Stimmen wie die der beiden Lords äußerten, nahm Coke noch einmal das Wort
und sprach: "Souveräne Gewalt ist kein parlamentarischer Ausdruck. Er ver¬
stößt gegen die Magna Charta und alle unsere Statuten. Fügen wir ihn jetzt
hinzu, so zerstören wir die Grundlage alles Rechts, und das Gebäude muß zu¬
sammenstürzen. Magna Charta ist ein Gesell, der keine souveräne Gewalt über
sich leidet." Die Klausel blieb weg, und Karl erkannte an, daß die ?le,it,ion
ok RiAlrK das Recht des Landes enthielt.

In diesem Bilde der englischen UrVerfassung ist, wie Bücher versichert,
nichts verschönert. Nur entsprach die Ausführung nicht immer der Theorie.
Aber gegen die spätere Zeit "findet der wichtige Unterschied statt, daß in einem
Staate organisirt wie der sächsische eine Rechtsverletzung von allen, die sie be¬
rührt, als das empfunden wird, was sie ist, also vom ganzen Volle, wenn sie
an der höchsten Stelle begangen ist, und daß uur Physische Gewalt die Werk¬
zeuge vor der Verantwortlichkeit schützen kann."

Drei Feinde, das normannische, das kanonische, das römische Recht, stürmten
im Laufe der Zeit gegen das gemeine Recht, den deutschen Staat in England,
an. Sie richteten nichts aus. Ein vierter, in seinem Busen aufgewachsen, das
Statuts das geschriebene, nicht unmittelbar vom Volke, sondern von dessen
Vertretern geschaffene Recht, hat es allmählich zerfressen und überwachsen.

Die Geschichte des Le^mes ist die des Parlaments. Nach dem Obigen
ist diese Körperschaft wie alle ähnlichen in England ein Institut des gemeinen
Rechtes; ihre Gewalt stammt vom Volke, ihre Mitglieder sind Mandatare,
und das gemeine Recht sollte bei einem Conflicte mit dem geschriebenen den
Vorrang haben. Wenn jenes ein Organ schuf, welches das Recht finden und
Gesetze geben sollte, so versteht es sich von selbst, daß diese Function nur zur


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Der Parlamentarismus in England.

Erklärungen spricht, nicht durch allgemeine Versicherungen, Liebesbotschaften
sind bisher nie ins Parlament gelangt. Laßt uns eine Petition unsrer Rechte
aufsetzen."

In dem Comitv, das zu diesem Zwecke ernannt wurde, wollten zwei Mit¬
glieder eine Klausel zur Wahrung der „souveränen Gewalt" eingeschoben wissen,
die übrigen aber antworteten: „Der König hat keine souveräne Gewalt oder
Prärogative seinen Unterthanen das Geburtsrecht und Erbtheil zu nehmen oder
zu bestreiten, das sie an ihren Freiheiten haben kraft des gemeinen Rechts und
den nur deelaratorischen Statuten.,.. Die souveräne Gewalt, die dem Könige
anvertraut ist, ist nur zum Schlitze, zur Sicherheit und zur Wohlfahrt seines
Volkes da, nämlich zur Bewahrung dieses ihm innewohnenden Geburtsrechts,
des Erbtheils von Freiheiten und Freiheit und der Gesetze und Statuten, in deuen
dieselben verbrieft und ausgesprochen sind." Und als sich auch im Unterhause
Stimmen wie die der beiden Lords äußerten, nahm Coke noch einmal das Wort
und sprach: „Souveräne Gewalt ist kein parlamentarischer Ausdruck. Er ver¬
stößt gegen die Magna Charta und alle unsere Statuten. Fügen wir ihn jetzt
hinzu, so zerstören wir die Grundlage alles Rechts, und das Gebäude muß zu¬
sammenstürzen. Magna Charta ist ein Gesell, der keine souveräne Gewalt über
sich leidet." Die Klausel blieb weg, und Karl erkannte an, daß die ?le,it,ion
ok RiAlrK das Recht des Landes enthielt.

In diesem Bilde der englischen UrVerfassung ist, wie Bücher versichert,
nichts verschönert. Nur entsprach die Ausführung nicht immer der Theorie.
Aber gegen die spätere Zeit „findet der wichtige Unterschied statt, daß in einem
Staate organisirt wie der sächsische eine Rechtsverletzung von allen, die sie be¬
rührt, als das empfunden wird, was sie ist, also vom ganzen Volle, wenn sie
an der höchsten Stelle begangen ist, und daß uur Physische Gewalt die Werk¬
zeuge vor der Verantwortlichkeit schützen kann."

Drei Feinde, das normannische, das kanonische, das römische Recht, stürmten
im Laufe der Zeit gegen das gemeine Recht, den deutschen Staat in England,
an. Sie richteten nichts aus. Ein vierter, in seinem Busen aufgewachsen, das
Statuts das geschriebene, nicht unmittelbar vom Volke, sondern von dessen
Vertretern geschaffene Recht, hat es allmählich zerfressen und überwachsen.

Die Geschichte des Le^mes ist die des Parlaments. Nach dem Obigen
ist diese Körperschaft wie alle ähnlichen in England ein Institut des gemeinen
Rechtes; ihre Gewalt stammt vom Volke, ihre Mitglieder sind Mandatare,
und das gemeine Recht sollte bei einem Conflicte mit dem geschriebenen den
Vorrang haben. Wenn jenes ein Organ schuf, welches das Recht finden und
Gesetze geben sollte, so versteht es sich von selbst, daß diese Function nur zur


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[0198] Der Parlamentarismus in England. Erklärungen spricht, nicht durch allgemeine Versicherungen, Liebesbotschaften sind bisher nie ins Parlament gelangt. Laßt uns eine Petition unsrer Rechte aufsetzen." In dem Comitv, das zu diesem Zwecke ernannt wurde, wollten zwei Mit¬ glieder eine Klausel zur Wahrung der „souveränen Gewalt" eingeschoben wissen, die übrigen aber antworteten: „Der König hat keine souveräne Gewalt oder Prärogative seinen Unterthanen das Geburtsrecht und Erbtheil zu nehmen oder zu bestreiten, das sie an ihren Freiheiten haben kraft des gemeinen Rechts und den nur deelaratorischen Statuten.,.. Die souveräne Gewalt, die dem Könige anvertraut ist, ist nur zum Schlitze, zur Sicherheit und zur Wohlfahrt seines Volkes da, nämlich zur Bewahrung dieses ihm innewohnenden Geburtsrechts, des Erbtheils von Freiheiten und Freiheit und der Gesetze und Statuten, in deuen dieselben verbrieft und ausgesprochen sind." Und als sich auch im Unterhause Stimmen wie die der beiden Lords äußerten, nahm Coke noch einmal das Wort und sprach: „Souveräne Gewalt ist kein parlamentarischer Ausdruck. Er ver¬ stößt gegen die Magna Charta und alle unsere Statuten. Fügen wir ihn jetzt hinzu, so zerstören wir die Grundlage alles Rechts, und das Gebäude muß zu¬ sammenstürzen. Magna Charta ist ein Gesell, der keine souveräne Gewalt über sich leidet." Die Klausel blieb weg, und Karl erkannte an, daß die ?le,it,ion ok RiAlrK das Recht des Landes enthielt. In diesem Bilde der englischen UrVerfassung ist, wie Bücher versichert, nichts verschönert. Nur entsprach die Ausführung nicht immer der Theorie. Aber gegen die spätere Zeit „findet der wichtige Unterschied statt, daß in einem Staate organisirt wie der sächsische eine Rechtsverletzung von allen, die sie be¬ rührt, als das empfunden wird, was sie ist, also vom ganzen Volle, wenn sie an der höchsten Stelle begangen ist, und daß uur Physische Gewalt die Werk¬ zeuge vor der Verantwortlichkeit schützen kann." Drei Feinde, das normannische, das kanonische, das römische Recht, stürmten im Laufe der Zeit gegen das gemeine Recht, den deutschen Staat in England, an. Sie richteten nichts aus. Ein vierter, in seinem Busen aufgewachsen, das Statuts das geschriebene, nicht unmittelbar vom Volke, sondern von dessen Vertretern geschaffene Recht, hat es allmählich zerfressen und überwachsen. Die Geschichte des Le^mes ist die des Parlaments. Nach dem Obigen ist diese Körperschaft wie alle ähnlichen in England ein Institut des gemeinen Rechtes; ihre Gewalt stammt vom Volke, ihre Mitglieder sind Mandatare, und das gemeine Recht sollte bei einem Conflicte mit dem geschriebenen den Vorrang haben. Wenn jenes ein Organ schuf, welches das Recht finden und Gesetze geben sollte, so versteht es sich von selbst, daß diese Function nur zur W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/198>, abgerufen am 29.04.2024.