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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Der Parlamentarismus in England.

lauten Jubel seiner Mitbürger der erste deutsche Kaiser von seiner Hauptstadt
aus dem seinen 80. Geburtstag feiernden ein herzliches Glückwunschtelegramm
mit ehrenvoller Anerkennung seiner hohen Verdienste um das Vaterland über¬
sandte. Florenz ehrte in ihm wenn auch nicht, wie Reumont sagt, seinen letzten
großen Bürger, so doch den edelsten Repräsentanten seines alten Patrieierthmns
"und zugleich den vornehmsten Träger von Ideen, welche den politischen Fort¬
schritt im Bunde mit Glauben und Sitte anstrebten. Das Bewußtsein der
Mängel seiner Zeit war in ihm lebendiger gewesen als das Erkennen ihrer
Vorzüge; aber das Gute und Edle derselben und der mit ihm Heimgegangene"
Generation war in ihm gleichsam verkörpert erschienen: ein Edelmann wie
wenige in Person und Haltung, in Gesinnung und Ausdruck, Gott und dem
Vaterlande treu, mit warmem Herzen, offner Hand, freier Stirn, furchtlosen
Worte."




Der Parlamentarismus in England.
2.

sig soll ursprünglich," -- so beginnt Bücher sein Capitel über die
englischen Parteien -- "einen zum Aufruhr geneigten Cvnvcntikler
in Schottland, Tory einen zum Papismus geneigte" Pferdedieb
in England bedeutet haben." Später bezeichneten die Namen zwei
Parteien, in deren Gegensatz nur das Eine feststeht, daß sie darüber
einig sind, die Gewalt müsse successive unter sie getheilt sein. Abgesehen von
der Frage, die gerade an der Tagesordnung ist, und von den Farben, welche
beide Parteien bei Wahlaufzügen zeigen (die Tories tragen dann gelbe, die Whigs
blaue Abzeichen), ist der Unterschied zwischen ihnen schwer zu bestimmen. In der
ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sagte man: die Tories glauben an das gött¬
liche Recht der Fürsten, die Whigs an das göttliche Recht der Edelleute. Später
war der Wahlspruch der Whigs: Non, not moasurss. Seit fünfzig Jahren ist
oft bemerkt worden, die Whigs würden liberal, nur die Verlorne Gewalt wieder¬
zuerlangen, die Tories, um die erlangte Gewalt zu behaupten. Gegenwärtig
kann man ungefähr sagen, daß ein Whig von Carl Granvilles oder Carl North-
brooks Urgroßmutter abstammt, und daß ein Tory hinter Lord Becicvnöfield sitzt.


Der Parlamentarismus in England.

lauten Jubel seiner Mitbürger der erste deutsche Kaiser von seiner Hauptstadt
aus dem seinen 80. Geburtstag feiernden ein herzliches Glückwunschtelegramm
mit ehrenvoller Anerkennung seiner hohen Verdienste um das Vaterland über¬
sandte. Florenz ehrte in ihm wenn auch nicht, wie Reumont sagt, seinen letzten
großen Bürger, so doch den edelsten Repräsentanten seines alten Patrieierthmns
„und zugleich den vornehmsten Träger von Ideen, welche den politischen Fort¬
schritt im Bunde mit Glauben und Sitte anstrebten. Das Bewußtsein der
Mängel seiner Zeit war in ihm lebendiger gewesen als das Erkennen ihrer
Vorzüge; aber das Gute und Edle derselben und der mit ihm Heimgegangene»
Generation war in ihm gleichsam verkörpert erschienen: ein Edelmann wie
wenige in Person und Haltung, in Gesinnung und Ausdruck, Gott und dem
Vaterlande treu, mit warmem Herzen, offner Hand, freier Stirn, furchtlosen
Worte."




Der Parlamentarismus in England.
2.

sig soll ursprünglich," — so beginnt Bücher sein Capitel über die
englischen Parteien — „einen zum Aufruhr geneigten Cvnvcntikler
in Schottland, Tory einen zum Papismus geneigte» Pferdedieb
in England bedeutet haben." Später bezeichneten die Namen zwei
Parteien, in deren Gegensatz nur das Eine feststeht, daß sie darüber
einig sind, die Gewalt müsse successive unter sie getheilt sein. Abgesehen von
der Frage, die gerade an der Tagesordnung ist, und von den Farben, welche
beide Parteien bei Wahlaufzügen zeigen (die Tories tragen dann gelbe, die Whigs
blaue Abzeichen), ist der Unterschied zwischen ihnen schwer zu bestimmen. In der
ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sagte man: die Tories glauben an das gött¬
liche Recht der Fürsten, die Whigs an das göttliche Recht der Edelleute. Später
war der Wahlspruch der Whigs: Non, not moasurss. Seit fünfzig Jahren ist
oft bemerkt worden, die Whigs würden liberal, nur die Verlorne Gewalt wieder¬
zuerlangen, die Tories, um die erlangte Gewalt zu behaupten. Gegenwärtig
kann man ungefähr sagen, daß ein Whig von Carl Granvilles oder Carl North-
brooks Urgroßmutter abstammt, und daß ein Tory hinter Lord Becicvnöfield sitzt.


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[0269] Der Parlamentarismus in England. lauten Jubel seiner Mitbürger der erste deutsche Kaiser von seiner Hauptstadt aus dem seinen 80. Geburtstag feiernden ein herzliches Glückwunschtelegramm mit ehrenvoller Anerkennung seiner hohen Verdienste um das Vaterland über¬ sandte. Florenz ehrte in ihm wenn auch nicht, wie Reumont sagt, seinen letzten großen Bürger, so doch den edelsten Repräsentanten seines alten Patrieierthmns „und zugleich den vornehmsten Träger von Ideen, welche den politischen Fort¬ schritt im Bunde mit Glauben und Sitte anstrebten. Das Bewußtsein der Mängel seiner Zeit war in ihm lebendiger gewesen als das Erkennen ihrer Vorzüge; aber das Gute und Edle derselben und der mit ihm Heimgegangene» Generation war in ihm gleichsam verkörpert erschienen: ein Edelmann wie wenige in Person und Haltung, in Gesinnung und Ausdruck, Gott und dem Vaterlande treu, mit warmem Herzen, offner Hand, freier Stirn, furchtlosen Worte." Der Parlamentarismus in England. 2. sig soll ursprünglich," — so beginnt Bücher sein Capitel über die englischen Parteien — „einen zum Aufruhr geneigten Cvnvcntikler in Schottland, Tory einen zum Papismus geneigte» Pferdedieb in England bedeutet haben." Später bezeichneten die Namen zwei Parteien, in deren Gegensatz nur das Eine feststeht, daß sie darüber einig sind, die Gewalt müsse successive unter sie getheilt sein. Abgesehen von der Frage, die gerade an der Tagesordnung ist, und von den Farben, welche beide Parteien bei Wahlaufzügen zeigen (die Tories tragen dann gelbe, die Whigs blaue Abzeichen), ist der Unterschied zwischen ihnen schwer zu bestimmen. In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sagte man: die Tories glauben an das gött¬ liche Recht der Fürsten, die Whigs an das göttliche Recht der Edelleute. Später war der Wahlspruch der Whigs: Non, not moasurss. Seit fünfzig Jahren ist oft bemerkt worden, die Whigs würden liberal, nur die Verlorne Gewalt wieder¬ zuerlangen, die Tories, um die erlangte Gewalt zu behaupten. Gegenwärtig kann man ungefähr sagen, daß ein Whig von Carl Granvilles oder Carl North- brooks Urgroßmutter abstammt, und daß ein Tory hinter Lord Becicvnöfield sitzt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/269>, abgerufen am 29.04.2024.