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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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1S78 einen Krieg zwischen England und Rußland erwartet habe, so ist damit
officiell eingestanden, daß letzteres daran gedacht hat, den Kampf um den Bos¬
porus und die Dardanellen auch in Indien zu führen, so daß Beaevnsfield klug
handelte, als er die Hand auf Afghanistan legte. Das Eingeständniß Lvbanvffs
hat aber nicht bloß ein historisches Interesse, es zeigt nicht bloß, daß die Politik
des frühern englischen Cabinets ans richtigem Wege wandelte, sondern es be¬
stätigt auch die Besorgniß, mit welcher zahlreiche englische Politiker und keines¬
wegs nur die Opposition der bevorstehenden Preisgebung Kandahars entgegen¬
sehen. Herrn Gladstone freilich flößt diese keine Furcht ein. Er grübelt nicht
lange darüber, ob die Besetzung Mervs durch die Russen einen MA8 dslli be¬
deuten würde; er giebt sich zufrieden mit dem Versprechen eines hinterher leicht
zu desavouirenden Petersburger Diplomaten, daß man für jetzt Merv nicht zu
besetzen gedenke, er verhandelt nicht eingehend mit Lobanvff über die Abgrenzung
der Interessensphären der beiden Mächte in Mittelasien, sondern giebt die mit
großen Opfern in Afghanistan erworbne Stellung Englands einfach auf und
untergräbt obendrein im Interesse Rußlands die türkische Herrschaft in Europa.
Kein Wunder daher, wenn die Partei der frühern Regierung sich anschickt, einer
solchen Quäkcrpolitik mit allen Mitteln im Parlament und in der Presse Wider¬
stand zu leisten.




Die gelehrte Dichtung Italiens
im Zeitalter der Hochrenaissance.
von Paul Schönfeld.

le vielseitigen, befruchtenden Anregungen, welche das geistige Leben
Italiens von der großen humanistischen Bewegung empfing, bilden
naturgemäß auch in der Entwicklung der schönen Literatur einen
bedeutungsvolle" Factor. Der von Petrarca entzündeten Begei¬
sterung für das elastische Alterthum, die in dem gleichen Grade
zunahm, in welchem das Studium desselben sich erweiterte und vertiefte, sehen
wir bald die Versuche folge", die Antike in eignen Werken zu reproduciren und
in Form und Inhalt an die Träger einer Culturepoche anzuknüpfen, als deren


1S78 einen Krieg zwischen England und Rußland erwartet habe, so ist damit
officiell eingestanden, daß letzteres daran gedacht hat, den Kampf um den Bos¬
porus und die Dardanellen auch in Indien zu führen, so daß Beaevnsfield klug
handelte, als er die Hand auf Afghanistan legte. Das Eingeständniß Lvbanvffs
hat aber nicht bloß ein historisches Interesse, es zeigt nicht bloß, daß die Politik
des frühern englischen Cabinets ans richtigem Wege wandelte, sondern es be¬
stätigt auch die Besorgniß, mit welcher zahlreiche englische Politiker und keines¬
wegs nur die Opposition der bevorstehenden Preisgebung Kandahars entgegen¬
sehen. Herrn Gladstone freilich flößt diese keine Furcht ein. Er grübelt nicht
lange darüber, ob die Besetzung Mervs durch die Russen einen MA8 dslli be¬
deuten würde; er giebt sich zufrieden mit dem Versprechen eines hinterher leicht
zu desavouirenden Petersburger Diplomaten, daß man für jetzt Merv nicht zu
besetzen gedenke, er verhandelt nicht eingehend mit Lobanvff über die Abgrenzung
der Interessensphären der beiden Mächte in Mittelasien, sondern giebt die mit
großen Opfern in Afghanistan erworbne Stellung Englands einfach auf und
untergräbt obendrein im Interesse Rußlands die türkische Herrschaft in Europa.
Kein Wunder daher, wenn die Partei der frühern Regierung sich anschickt, einer
solchen Quäkcrpolitik mit allen Mitteln im Parlament und in der Presse Wider¬
stand zu leisten.




Die gelehrte Dichtung Italiens
im Zeitalter der Hochrenaissance.
von Paul Schönfeld.

le vielseitigen, befruchtenden Anregungen, welche das geistige Leben
Italiens von der großen humanistischen Bewegung empfing, bilden
naturgemäß auch in der Entwicklung der schönen Literatur einen
bedeutungsvolle» Factor. Der von Petrarca entzündeten Begei¬
sterung für das elastische Alterthum, die in dem gleichen Grade
zunahm, in welchem das Studium desselben sich erweiterte und vertiefte, sehen
wir bald die Versuche folge», die Antike in eignen Werken zu reproduciren und
in Form und Inhalt an die Träger einer Culturepoche anzuknüpfen, als deren


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[0424] 1S78 einen Krieg zwischen England und Rußland erwartet habe, so ist damit officiell eingestanden, daß letzteres daran gedacht hat, den Kampf um den Bos¬ porus und die Dardanellen auch in Indien zu führen, so daß Beaevnsfield klug handelte, als er die Hand auf Afghanistan legte. Das Eingeständniß Lvbanvffs hat aber nicht bloß ein historisches Interesse, es zeigt nicht bloß, daß die Politik des frühern englischen Cabinets ans richtigem Wege wandelte, sondern es be¬ stätigt auch die Besorgniß, mit welcher zahlreiche englische Politiker und keines¬ wegs nur die Opposition der bevorstehenden Preisgebung Kandahars entgegen¬ sehen. Herrn Gladstone freilich flößt diese keine Furcht ein. Er grübelt nicht lange darüber, ob die Besetzung Mervs durch die Russen einen MA8 dslli be¬ deuten würde; er giebt sich zufrieden mit dem Versprechen eines hinterher leicht zu desavouirenden Petersburger Diplomaten, daß man für jetzt Merv nicht zu besetzen gedenke, er verhandelt nicht eingehend mit Lobanvff über die Abgrenzung der Interessensphären der beiden Mächte in Mittelasien, sondern giebt die mit großen Opfern in Afghanistan erworbne Stellung Englands einfach auf und untergräbt obendrein im Interesse Rußlands die türkische Herrschaft in Europa. Kein Wunder daher, wenn die Partei der frühern Regierung sich anschickt, einer solchen Quäkcrpolitik mit allen Mitteln im Parlament und in der Presse Wider¬ stand zu leisten. Die gelehrte Dichtung Italiens im Zeitalter der Hochrenaissance. von Paul Schönfeld. le vielseitigen, befruchtenden Anregungen, welche das geistige Leben Italiens von der großen humanistischen Bewegung empfing, bilden naturgemäß auch in der Entwicklung der schönen Literatur einen bedeutungsvolle» Factor. Der von Petrarca entzündeten Begei¬ sterung für das elastische Alterthum, die in dem gleichen Grade zunahm, in welchem das Studium desselben sich erweiterte und vertiefte, sehen wir bald die Versuche folge», die Antike in eignen Werken zu reproduciren und in Form und Inhalt an die Träger einer Culturepoche anzuknüpfen, als deren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/424>, abgerufen am 28.04.2024.