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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Die Enthüllungen über die russische Politik in Asien.
2.

ir kommen zum zweiten Punkte der Enthüllungen, die hier besprochen
werden sollen. Bei Gelegenheit der Veröffentlichung der in Kabul
gefundnen geheimen Papiere wurde zugleich die Erinnerung an ge¬
wisse Unterredungen wieder aufgefrischt, die Graf Schuwaloff im
Jahre 1876 nicht bloß mit dein damals zum Vicekönig von Indien
ernannten Lord Lytton, sondern auch mit dem Minister für Indien, Lord Salis-
bury, und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Lord Derby, in Betreff
Centralasiens gepflogen.

Der allgemeine Inhalt dieser Besprechungen war kein Geheimniß. Man
wußte, daß Schuwaloff den genannten Engländern den Vorschlag gemacht hatte,
in Asien eine bestimmte Grenzlinie zu ziehen, über die hinaus keine der beiden
Mächte ihren directen oder indirecten Einfluß ausdehnen solle. Nur die Einzel¬
heiten dieses Vorschlags waren dem Publicum unbekannt. Nach Mittheilungen
englischer Blätter, die in der Form verschieden waren, inhaltlich aber überein¬
stimmten und anscheinend derselben Quelle entstammen, der wir die erste Ver¬
öffentlichung der im vorigen Abschnitt unsrer Betrachtung mitgetheilten Akten¬
stücke verdanken, bestand der Vorschlag des russischen Botschafters in folgendem.
England sollte Afghanistan bis zum Hindukusch seinem indischen Reiche einver¬
leiben, also von den Provinzen Kabul, Kohistcm, Ghazni, Kandahar und Ferrah
Besitz ergreifen, wogegen Rußland den Oxus überschreiten und Balkh besetzen,
also sich vom Norden her bis zu dem genannten hohen Bergzuge ausbreiten sollte.
Der letztere hätte dann die Grenze der nun unmittelbar an einander stoßenden


Gnnzbotm I. 1881. 60


Die Enthüllungen über die russische Politik in Asien.
2.

ir kommen zum zweiten Punkte der Enthüllungen, die hier besprochen
werden sollen. Bei Gelegenheit der Veröffentlichung der in Kabul
gefundnen geheimen Papiere wurde zugleich die Erinnerung an ge¬
wisse Unterredungen wieder aufgefrischt, die Graf Schuwaloff im
Jahre 1876 nicht bloß mit dein damals zum Vicekönig von Indien
ernannten Lord Lytton, sondern auch mit dem Minister für Indien, Lord Salis-
bury, und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Lord Derby, in Betreff
Centralasiens gepflogen.

Der allgemeine Inhalt dieser Besprechungen war kein Geheimniß. Man
wußte, daß Schuwaloff den genannten Engländern den Vorschlag gemacht hatte,
in Asien eine bestimmte Grenzlinie zu ziehen, über die hinaus keine der beiden
Mächte ihren directen oder indirecten Einfluß ausdehnen solle. Nur die Einzel¬
heiten dieses Vorschlags waren dem Publicum unbekannt. Nach Mittheilungen
englischer Blätter, die in der Form verschieden waren, inhaltlich aber überein¬
stimmten und anscheinend derselben Quelle entstammen, der wir die erste Ver¬
öffentlichung der im vorigen Abschnitt unsrer Betrachtung mitgetheilten Akten¬
stücke verdanken, bestand der Vorschlag des russischen Botschafters in folgendem.
England sollte Afghanistan bis zum Hindukusch seinem indischen Reiche einver¬
leiben, also von den Provinzen Kabul, Kohistcm, Ghazni, Kandahar und Ferrah
Besitz ergreifen, wogegen Rußland den Oxus überschreiten und Balkh besetzen,
also sich vom Norden her bis zu dem genannten hohen Bergzuge ausbreiten sollte.
Der letztere hätte dann die Grenze der nun unmittelbar an einander stoßenden


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[0461] [Abbildung] Die Enthüllungen über die russische Politik in Asien. 2. ir kommen zum zweiten Punkte der Enthüllungen, die hier besprochen werden sollen. Bei Gelegenheit der Veröffentlichung der in Kabul gefundnen geheimen Papiere wurde zugleich die Erinnerung an ge¬ wisse Unterredungen wieder aufgefrischt, die Graf Schuwaloff im Jahre 1876 nicht bloß mit dein damals zum Vicekönig von Indien ernannten Lord Lytton, sondern auch mit dem Minister für Indien, Lord Salis- bury, und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Lord Derby, in Betreff Centralasiens gepflogen. Der allgemeine Inhalt dieser Besprechungen war kein Geheimniß. Man wußte, daß Schuwaloff den genannten Engländern den Vorschlag gemacht hatte, in Asien eine bestimmte Grenzlinie zu ziehen, über die hinaus keine der beiden Mächte ihren directen oder indirecten Einfluß ausdehnen solle. Nur die Einzel¬ heiten dieses Vorschlags waren dem Publicum unbekannt. Nach Mittheilungen englischer Blätter, die in der Form verschieden waren, inhaltlich aber überein¬ stimmten und anscheinend derselben Quelle entstammen, der wir die erste Ver¬ öffentlichung der im vorigen Abschnitt unsrer Betrachtung mitgetheilten Akten¬ stücke verdanken, bestand der Vorschlag des russischen Botschafters in folgendem. England sollte Afghanistan bis zum Hindukusch seinem indischen Reiche einver¬ leiben, also von den Provinzen Kabul, Kohistcm, Ghazni, Kandahar und Ferrah Besitz ergreifen, wogegen Rußland den Oxus überschreiten und Balkh besetzen, also sich vom Norden her bis zu dem genannten hohen Bergzuge ausbreiten sollte. Der letztere hätte dann die Grenze der nun unmittelbar an einander stoßenden Gnnzbotm I. 1881. 60

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/461>, abgerufen am 28.04.2024.