Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Lalderon.

die Stein-Hardenbcrgsche Gesetzgebung Herkommen, und die Russen haben den Ge¬
brauch wahrscheinlich wie manches andre "Europäische" durch die germanischen Fürsten
erhalte", die unter dem mythischen Rurik in ihrer Urgeschichte figuriren.




(Lalderon.
Line literarhistorische Studie zu seiner Gedächtnißfeier,
von Paul Schonfeld. (Schluß.)

le Palme gebührt unter den Stücken, die Calderon aus dem Alter¬
thum schöpfte, unstreitig der "Tochter der Luft" (I^r bi,M äst Ars*),
einer aus zwei Theilen bestehenden Tragödie, die in Bezug auf
kunstvolle Architektonik und übersichtliche Gliederung eines über¬
reichen Stoffes das Meisterwerk des Dichters genannt werden darf.
Schon dnrch Cristoval de Viruvs hatte die Geschichte der Semiramis, wie wir
sahen, eine dramatische Bearbeitung erfahren, die Calderon zum Theil benutzte,
freilich in einer Weise, wie es Shakespeare mit seinen Vorgängern that, den
Stoff unendlich vertiefend und an Stelle lose aneinandergereihter Ereignisse einen
strengen Organismus von Scenen setzend. Nur in den Hauptzügen wollen wir
den Gang der bewegten Handlung verfolgen.

Semiramis, infolge einer Weissagung, daß durch sie unerhörte Greuel ge¬
schehen würden, von ihrer Geburt an in einer Höhle bei Askalon verborgen ge¬
halten, wird von Menon, dem Feldherrn des Ninus, den dieser zum Herrn der
Gegend eingesetzt, in ihrer Einsamkeit gefunden und berichtet ihm ihre wunder¬
bare Herkunft: Tochter einer Nymphe Dianas, ward sie von letztrer verfolgt,
von Venus aber beschützt und durch Vögel gespeist, weshalb sie sich Tochter der
Luft nennt. Von ihren Reizen bezaubert nimmt Menon sie mit sich und führt
sie auf einen Landsitz. Dem Könige schildert er in überschwüuglicher Weise ihre
Schönheit und erweckt dessen Begier sie zu sehen. Die anwesende Irene, die
Schwester des Königs, giebt unzweideutig ihren Unmuth über Menvns Begeisterung
zu erkennen. Ninus wird auf der Jagd mit Semiramis zusammengeführt und
von ihrer Schönheit völlig bestrickt; doch sie entreißt sich ihm, der König befiehlt



Ehb. im 4. Bnndi',
Lalderon.

die Stein-Hardenbcrgsche Gesetzgebung Herkommen, und die Russen haben den Ge¬
brauch wahrscheinlich wie manches andre „Europäische" durch die germanischen Fürsten
erhalte», die unter dem mythischen Rurik in ihrer Urgeschichte figuriren.




(Lalderon.
Line literarhistorische Studie zu seiner Gedächtnißfeier,
von Paul Schonfeld. (Schluß.)

le Palme gebührt unter den Stücken, die Calderon aus dem Alter¬
thum schöpfte, unstreitig der „Tochter der Luft" (I^r bi,M äst Ars*),
einer aus zwei Theilen bestehenden Tragödie, die in Bezug auf
kunstvolle Architektonik und übersichtliche Gliederung eines über¬
reichen Stoffes das Meisterwerk des Dichters genannt werden darf.
Schon dnrch Cristoval de Viruvs hatte die Geschichte der Semiramis, wie wir
sahen, eine dramatische Bearbeitung erfahren, die Calderon zum Theil benutzte,
freilich in einer Weise, wie es Shakespeare mit seinen Vorgängern that, den
Stoff unendlich vertiefend und an Stelle lose aneinandergereihter Ereignisse einen
strengen Organismus von Scenen setzend. Nur in den Hauptzügen wollen wir
den Gang der bewegten Handlung verfolgen.

Semiramis, infolge einer Weissagung, daß durch sie unerhörte Greuel ge¬
schehen würden, von ihrer Geburt an in einer Höhle bei Askalon verborgen ge¬
halten, wird von Menon, dem Feldherrn des Ninus, den dieser zum Herrn der
Gegend eingesetzt, in ihrer Einsamkeit gefunden und berichtet ihm ihre wunder¬
bare Herkunft: Tochter einer Nymphe Dianas, ward sie von letztrer verfolgt,
von Venus aber beschützt und durch Vögel gespeist, weshalb sie sich Tochter der
Luft nennt. Von ihren Reizen bezaubert nimmt Menon sie mit sich und führt
sie auf einen Landsitz. Dem Könige schildert er in überschwüuglicher Weise ihre
Schönheit und erweckt dessen Begier sie zu sehen. Die anwesende Irene, die
Schwester des Königs, giebt unzweideutig ihren Unmuth über Menvns Begeisterung
zu erkennen. Ninus wird auf der Jagd mit Semiramis zusammengeführt und
von ihrer Schönheit völlig bestrickt; doch sie entreißt sich ihm, der König befiehlt



Ehb. im 4. Bnndi',
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0316" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149888"/>
          <fw type="header" place="top"> Lalderon.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1060" prev="#ID_1059"> die Stein-Hardenbcrgsche Gesetzgebung Herkommen, und die Russen haben den Ge¬<lb/>
brauch wahrscheinlich wie manches andre &#x201E;Europäische" durch die germanischen Fürsten<lb/>
erhalte», die unter dem mythischen Rurik in ihrer Urgeschichte figuriren.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> (Lalderon.<lb/>
Line literarhistorische Studie zu seiner Gedächtnißfeier,<lb/><note type="byline"> von Paul Schonfeld.</note> (Schluß.) </head><lb/>
          <p xml:id="ID_1061"> le Palme gebührt unter den Stücken, die Calderon aus dem Alter¬<lb/>
thum schöpfte, unstreitig der &#x201E;Tochter der Luft" (I^r bi,M äst Ars*),<lb/>
einer aus zwei Theilen bestehenden Tragödie, die in Bezug auf<lb/>
kunstvolle Architektonik und übersichtliche Gliederung eines über¬<lb/>
reichen Stoffes das Meisterwerk des Dichters genannt werden darf.<lb/>
Schon dnrch Cristoval de Viruvs hatte die Geschichte der Semiramis, wie wir<lb/>
sahen, eine dramatische Bearbeitung erfahren, die Calderon zum Theil benutzte,<lb/>
freilich in einer Weise, wie es Shakespeare mit seinen Vorgängern that, den<lb/>
Stoff unendlich vertiefend und an Stelle lose aneinandergereihter Ereignisse einen<lb/>
strengen Organismus von Scenen setzend. Nur in den Hauptzügen wollen wir<lb/>
den Gang der bewegten Handlung verfolgen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1062" next="#ID_1063"> Semiramis, infolge einer Weissagung, daß durch sie unerhörte Greuel ge¬<lb/>
schehen würden, von ihrer Geburt an in einer Höhle bei Askalon verborgen ge¬<lb/>
halten, wird von Menon, dem Feldherrn des Ninus, den dieser zum Herrn der<lb/>
Gegend eingesetzt, in ihrer Einsamkeit gefunden und berichtet ihm ihre wunder¬<lb/>
bare Herkunft: Tochter einer Nymphe Dianas, ward sie von letztrer verfolgt,<lb/>
von Venus aber beschützt und durch Vögel gespeist, weshalb sie sich Tochter der<lb/>
Luft nennt. Von ihren Reizen bezaubert nimmt Menon sie mit sich und führt<lb/>
sie auf einen Landsitz. Dem Könige schildert er in überschwüuglicher Weise ihre<lb/>
Schönheit und erweckt dessen Begier sie zu sehen. Die anwesende Irene, die<lb/>
Schwester des Königs, giebt unzweideutig ihren Unmuth über Menvns Begeisterung<lb/>
zu erkennen. Ninus wird auf der Jagd mit Semiramis zusammengeführt und<lb/>
von ihrer Schönheit völlig bestrickt; doch sie entreißt sich ihm, der König befiehlt</p><lb/>
          <note xml:id="FID_76" place="foot"> Ehb. im 4. Bnndi',</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0316] Lalderon. die Stein-Hardenbcrgsche Gesetzgebung Herkommen, und die Russen haben den Ge¬ brauch wahrscheinlich wie manches andre „Europäische" durch die germanischen Fürsten erhalte», die unter dem mythischen Rurik in ihrer Urgeschichte figuriren. (Lalderon. Line literarhistorische Studie zu seiner Gedächtnißfeier, von Paul Schonfeld. (Schluß.) le Palme gebührt unter den Stücken, die Calderon aus dem Alter¬ thum schöpfte, unstreitig der „Tochter der Luft" (I^r bi,M äst Ars*), einer aus zwei Theilen bestehenden Tragödie, die in Bezug auf kunstvolle Architektonik und übersichtliche Gliederung eines über¬ reichen Stoffes das Meisterwerk des Dichters genannt werden darf. Schon dnrch Cristoval de Viruvs hatte die Geschichte der Semiramis, wie wir sahen, eine dramatische Bearbeitung erfahren, die Calderon zum Theil benutzte, freilich in einer Weise, wie es Shakespeare mit seinen Vorgängern that, den Stoff unendlich vertiefend und an Stelle lose aneinandergereihter Ereignisse einen strengen Organismus von Scenen setzend. Nur in den Hauptzügen wollen wir den Gang der bewegten Handlung verfolgen. Semiramis, infolge einer Weissagung, daß durch sie unerhörte Greuel ge¬ schehen würden, von ihrer Geburt an in einer Höhle bei Askalon verborgen ge¬ halten, wird von Menon, dem Feldherrn des Ninus, den dieser zum Herrn der Gegend eingesetzt, in ihrer Einsamkeit gefunden und berichtet ihm ihre wunder¬ bare Herkunft: Tochter einer Nymphe Dianas, ward sie von letztrer verfolgt, von Venus aber beschützt und durch Vögel gespeist, weshalb sie sich Tochter der Luft nennt. Von ihren Reizen bezaubert nimmt Menon sie mit sich und führt sie auf einen Landsitz. Dem Könige schildert er in überschwüuglicher Weise ihre Schönheit und erweckt dessen Begier sie zu sehen. Die anwesende Irene, die Schwester des Königs, giebt unzweideutig ihren Unmuth über Menvns Begeisterung zu erkennen. Ninus wird auf der Jagd mit Semiramis zusammengeführt und von ihrer Schönheit völlig bestrickt; doch sie entreißt sich ihm, der König befiehlt Ehb. im 4. Bnndi',

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/316
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/316>, abgerufen am 06.05.2024.