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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Briefe Schillers an G. I. Göschen.

sich darstellt oder construirt und begriffen werden kann. Wir aber haben uns
ein zum Theil falsches Ideal vom Menschen und vom Staate gemacht, und unsre
theoretische Bildung und Anschauung steht vielfach noch außerhalb der wahren und
echten Wirklichkeit des praktischen Lebens. Jede Bildnnnsfrnge ist für uns zu¬
gleich eine Machtfrage; wir sind aber weder in unsrer geistigen Bildung, noch
in unsrer nationalen Machtvollkommenheit auf unsrer wahren und eigentlichen
Höhe angelangt. Dort sind das Ueberwuchern des Wissens und der Phrase
Mangelhaftigkeiten und Schäden unsrer Bildung. Hier aber ist das Kaiserthum
der Leitstern und das Centrum des Lebens der Nation, und wir nennen die
kaiserliche Partei diejenige, welche der activen, energischen und schöpferischen Po¬
litik des Kaisers und seiner Regierung mit Einsicht und Vertrauen zu folgen
und sie nach Kräften zu unterstützen versucht.




Briefe Schillers an G. I. Göschen.
Mi Ferdinand lveibert. tgetheilt von

le nachfolgenden Briefe, neun von Schiller und einer von seiner
Frau, ergänzen zum Theil die in Ur. 23 der Grenzboten vom
Jahre 1870 abgedruckten 27 Briefe Schillers all Göschen, und
beide Serien vervollständige" wiederum die von K. Gvedekc heraus-
gegebnen "Geschäftsbriefe Schillers" (Leipzig, 1875), bei deren
Znsanlmenstellung die 1870 veröffentlichte,: nicht berücksichtigt worden sind.

Der erste der nachfolgenden Briefe reiht sich zwischen Nummer 7 und 8
der 1870 abgedruckten ein. Er ist der einzige aus dem Jahre 1789. Schiller
hatte seinem Verleger längst Manuscript für das achte Heft der Thalia ver¬
sprochen, und entschuldigt sich, daß er noch keins senden könne.

1.

Jena d. 29. May 39

Pardon! Pardon liebster Göschen, daß ich Sie dießmal habe stecken lassen.
Die Veränderung die während der letzten Wochen mit mir vorgieng war zu zerstreuend
für mich, als daß ich meiner Arbeit die einen gesammelten Geist erfodert, hätte
gewachsen seyn können. Vorbereitungen auf 0alle>8ionlosou, Mgodvno und empfangene
Besuche von Professoren und Studenten, die beym Eintritt in mein neues Amt
unvermeidlich waren, nahmen alle meine Zeit und Stimmung dahin -- und über-
huicn wollte ich doch um alles in der Welt den Geisterseher nicht. Jetzt gehe ich
wieder daran, und will meine besten Stunden darauf vertuenden. Aber sehr schnell
verspreche ich Ihnen nichts. Wenn Sie aber wollen, so will ich im Intelligenzblatt


Briefe Schillers an G. I. Göschen.

sich darstellt oder construirt und begriffen werden kann. Wir aber haben uns
ein zum Theil falsches Ideal vom Menschen und vom Staate gemacht, und unsre
theoretische Bildung und Anschauung steht vielfach noch außerhalb der wahren und
echten Wirklichkeit des praktischen Lebens. Jede Bildnnnsfrnge ist für uns zu¬
gleich eine Machtfrage; wir sind aber weder in unsrer geistigen Bildung, noch
in unsrer nationalen Machtvollkommenheit auf unsrer wahren und eigentlichen
Höhe angelangt. Dort sind das Ueberwuchern des Wissens und der Phrase
Mangelhaftigkeiten und Schäden unsrer Bildung. Hier aber ist das Kaiserthum
der Leitstern und das Centrum des Lebens der Nation, und wir nennen die
kaiserliche Partei diejenige, welche der activen, energischen und schöpferischen Po¬
litik des Kaisers und seiner Regierung mit Einsicht und Vertrauen zu folgen
und sie nach Kräften zu unterstützen versucht.




Briefe Schillers an G. I. Göschen.
Mi Ferdinand lveibert. tgetheilt von

le nachfolgenden Briefe, neun von Schiller und einer von seiner
Frau, ergänzen zum Theil die in Ur. 23 der Grenzboten vom
Jahre 1870 abgedruckten 27 Briefe Schillers all Göschen, und
beide Serien vervollständige» wiederum die von K. Gvedekc heraus-
gegebnen „Geschäftsbriefe Schillers" (Leipzig, 1875), bei deren
Znsanlmenstellung die 1870 veröffentlichte,: nicht berücksichtigt worden sind.

Der erste der nachfolgenden Briefe reiht sich zwischen Nummer 7 und 8
der 1870 abgedruckten ein. Er ist der einzige aus dem Jahre 1789. Schiller
hatte seinem Verleger längst Manuscript für das achte Heft der Thalia ver¬
sprochen, und entschuldigt sich, daß er noch keins senden könne.

1.

Jena d. 29. May 39

Pardon! Pardon liebster Göschen, daß ich Sie dießmal habe stecken lassen.
Die Veränderung die während der letzten Wochen mit mir vorgieng war zu zerstreuend
für mich, als daß ich meiner Arbeit die einen gesammelten Geist erfodert, hätte
gewachsen seyn können. Vorbereitungen auf 0alle>8ionlosou, Mgodvno und empfangene
Besuche von Professoren und Studenten, die beym Eintritt in mein neues Amt
unvermeidlich waren, nahmen alle meine Zeit und Stimmung dahin — und über-
huicn wollte ich doch um alles in der Welt den Geisterseher nicht. Jetzt gehe ich
wieder daran, und will meine besten Stunden darauf vertuenden. Aber sehr schnell
verspreche ich Ihnen nichts. Wenn Sie aber wollen, so will ich im Intelligenzblatt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/27>, abgerufen am 10.06.2024.