Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Der Ausfall der Wahlen in Frankreich.

onntag den 21. August ging die französische Nation an die Wahl¬
urne, um neue Vertreter zu wählen, und zwei Tage nachher war
bis auf die Abstimmung in einigen sehr entfernten Kolonien das
Ergebniß bekannt. Frankreich hatte sein Verbiet über die republi¬
kanische Regierungsform abgegeben, unter der es seit zehn Jahren
berwaltet worden ist, und dieses Verdict drückte die Zufriedenheit der großen
Mehrheit des Volkes mit der Republik in einer Weise aus, die jeden Zweifel
ausschließt.

Von den 577 Abgeordneten, die zu wählen waren, sind nach den letzten
Nachrichten 483 gewählt, und in 65 Wahlkreisen werden Stichwahl stattfinden
"uisscu. Von den neuen Volksvertretern gehörten 364 schon der bisherigen
Kammer an; 61 derselben saßen ans der Rechten und 303 auf der Linken. Jetzt
giebt es 398 republikanische und 85 realistische und bonapartistische Deputirte
M französischen Abgeordnetenhause. Die Republikaner zerfallen in 41 Mit¬
glieder des linken Centrums, 159 der reinen Linken, 170 der Union Mpnblieaine
und 28 Angehörige der äußersten Linken. Es gilt für sehr wahrscheinlich, daß
die Stichwahl größtentheils zu Gunsten der gemäßigten Republikaner ausfallen,
u"d daß infolgedessen weit über vierhundert Anhänger der Republik in der neuen
Kammer sitzen werden.

Was die antirepublikanischen Parteien betrifft, so zählten sie in dem bis¬
herigen Abgeordnetenhaus" 140 Vertreter; bis jetzt haben sie, wie wir sahen,
deren 8S, und wenn auch einige der bevorstehenden Stichwahl ihre Zahl ver¬
mehren werden, so haben sie doch wenig Aussicht, in der zukünftigen Kammer
mit mehr als hundert Stimmen zu figuriren. Am meisten haben die Bona¬
partisten bei den Wahlen gelitten; von derjenigen Species, die man als Jeromisten


Grenzboten III. 1881. 50


Der Ausfall der Wahlen in Frankreich.

onntag den 21. August ging die französische Nation an die Wahl¬
urne, um neue Vertreter zu wählen, und zwei Tage nachher war
bis auf die Abstimmung in einigen sehr entfernten Kolonien das
Ergebniß bekannt. Frankreich hatte sein Verbiet über die republi¬
kanische Regierungsform abgegeben, unter der es seit zehn Jahren
berwaltet worden ist, und dieses Verdict drückte die Zufriedenheit der großen
Mehrheit des Volkes mit der Republik in einer Weise aus, die jeden Zweifel
ausschließt.

Von den 577 Abgeordneten, die zu wählen waren, sind nach den letzten
Nachrichten 483 gewählt, und in 65 Wahlkreisen werden Stichwahl stattfinden
»uisscu. Von den neuen Volksvertretern gehörten 364 schon der bisherigen
Kammer an; 61 derselben saßen ans der Rechten und 303 auf der Linken. Jetzt
giebt es 398 republikanische und 85 realistische und bonapartistische Deputirte
M französischen Abgeordnetenhause. Die Republikaner zerfallen in 41 Mit¬
glieder des linken Centrums, 159 der reinen Linken, 170 der Union Mpnblieaine
und 28 Angehörige der äußersten Linken. Es gilt für sehr wahrscheinlich, daß
die Stichwahl größtentheils zu Gunsten der gemäßigten Republikaner ausfallen,
u»d daß infolgedessen weit über vierhundert Anhänger der Republik in der neuen
Kammer sitzen werden.

Was die antirepublikanischen Parteien betrifft, so zählten sie in dem bis¬
herigen Abgeordnetenhaus« 140 Vertreter; bis jetzt haben sie, wie wir sahen,
deren 8S, und wenn auch einige der bevorstehenden Stichwahl ihre Zahl ver¬
mehren werden, so haben sie doch wenig Aussicht, in der zukünftigen Kammer
mit mehr als hundert Stimmen zu figuriren. Am meisten haben die Bona¬
partisten bei den Wahlen gelitten; von derjenigen Species, die man als Jeromisten


Grenzboten III. 1881. 50
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0401" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150551"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341833_157968/figures/grenzboten_341833_157968_150551_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der Ausfall der Wahlen in Frankreich.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1284"> onntag den 21. August ging die französische Nation an die Wahl¬<lb/>
urne, um neue Vertreter zu wählen, und zwei Tage nachher war<lb/>
bis auf die Abstimmung in einigen sehr entfernten Kolonien das<lb/>
Ergebniß bekannt. Frankreich hatte sein Verbiet über die republi¬<lb/>
kanische Regierungsform abgegeben, unter der es seit zehn Jahren<lb/>
berwaltet worden ist, und dieses Verdict drückte die Zufriedenheit der großen<lb/>
Mehrheit des Volkes mit der Republik in einer Weise aus, die jeden Zweifel<lb/>
ausschließt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1285"> Von den 577 Abgeordneten, die zu wählen waren, sind nach den letzten<lb/>
Nachrichten 483 gewählt, und in 65 Wahlkreisen werden Stichwahl stattfinden<lb/>
»uisscu. Von den neuen Volksvertretern gehörten 364 schon der bisherigen<lb/>
Kammer an; 61 derselben saßen ans der Rechten und 303 auf der Linken. Jetzt<lb/>
giebt es 398 republikanische und 85 realistische und bonapartistische Deputirte<lb/>
M französischen Abgeordnetenhause. Die Republikaner zerfallen in 41 Mit¬<lb/>
glieder des linken Centrums, 159 der reinen Linken, 170 der Union Mpnblieaine<lb/>
und 28 Angehörige der äußersten Linken. Es gilt für sehr wahrscheinlich, daß<lb/>
die Stichwahl größtentheils zu Gunsten der gemäßigten Republikaner ausfallen,<lb/>
u»d daß infolgedessen weit über vierhundert Anhänger der Republik in der neuen<lb/>
Kammer sitzen werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1286" next="#ID_1287"> Was die antirepublikanischen Parteien betrifft, so zählten sie in dem bis¬<lb/>
herigen Abgeordnetenhaus« 140 Vertreter; bis jetzt haben sie, wie wir sahen,<lb/>
deren 8S, und wenn auch einige der bevorstehenden Stichwahl ihre Zahl ver¬<lb/>
mehren werden, so haben sie doch wenig Aussicht, in der zukünftigen Kammer<lb/>
mit mehr als hundert Stimmen zu figuriren. Am meisten haben die Bona¬<lb/>
partisten bei den Wahlen gelitten; von derjenigen Species, die man als Jeromisten</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1881. 50</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0401] [Abbildung] Der Ausfall der Wahlen in Frankreich. onntag den 21. August ging die französische Nation an die Wahl¬ urne, um neue Vertreter zu wählen, und zwei Tage nachher war bis auf die Abstimmung in einigen sehr entfernten Kolonien das Ergebniß bekannt. Frankreich hatte sein Verbiet über die republi¬ kanische Regierungsform abgegeben, unter der es seit zehn Jahren berwaltet worden ist, und dieses Verdict drückte die Zufriedenheit der großen Mehrheit des Volkes mit der Republik in einer Weise aus, die jeden Zweifel ausschließt. Von den 577 Abgeordneten, die zu wählen waren, sind nach den letzten Nachrichten 483 gewählt, und in 65 Wahlkreisen werden Stichwahl stattfinden »uisscu. Von den neuen Volksvertretern gehörten 364 schon der bisherigen Kammer an; 61 derselben saßen ans der Rechten und 303 auf der Linken. Jetzt giebt es 398 republikanische und 85 realistische und bonapartistische Deputirte M französischen Abgeordnetenhause. Die Republikaner zerfallen in 41 Mit¬ glieder des linken Centrums, 159 der reinen Linken, 170 der Union Mpnblieaine und 28 Angehörige der äußersten Linken. Es gilt für sehr wahrscheinlich, daß die Stichwahl größtentheils zu Gunsten der gemäßigten Republikaner ausfallen, u»d daß infolgedessen weit über vierhundert Anhänger der Republik in der neuen Kammer sitzen werden. Was die antirepublikanischen Parteien betrifft, so zählten sie in dem bis¬ herigen Abgeordnetenhaus« 140 Vertreter; bis jetzt haben sie, wie wir sahen, deren 8S, und wenn auch einige der bevorstehenden Stichwahl ihre Zahl ver¬ mehren werden, so haben sie doch wenig Aussicht, in der zukünftigen Kammer mit mehr als hundert Stimmen zu figuriren. Am meisten haben die Bona¬ partisten bei den Wahlen gelitten; von derjenigen Species, die man als Jeromisten Grenzboten III. 1881. 50

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/401
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/401>, abgerufen am 09.06.2024.