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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die akademische Kunstausstellung in Berlin.
von Adolf Rose" borg. 1.

i
t der rapiden Entwicklung Berlins und dem mächtigen Aufschwünge,
den das Centrum des wichtigsten politischen Organismus im Herzen
Europas seit einem Jahrzehnt genommen hat, ist die Entwicklung
seiner Knnstzustände keineswegs Hand in Hand gegangen. Wohl
haben sich aller Orten monumentale Prachtbauten erhoben, welche
Berlin zu einer der schönsten Städte der Welt gemacht haben, obgleich ihm die
Natur so gut wie alles versagt hat, wohl sind prächtige Straßen und mit
würdigen Denkmälern geschmückte Plätze entstanden, welche einen anscheinend
hoffnungslos verwirrten Stadtplnn in überraschender Weise geklärt und regulirt
haben. Aber das Kunstleben im engern Sinne, soweit es sich in Ausstellungen,
in Versteigerungen und im Kunsthandel offenbart, ist noch sehr von jenem großen
Stile entfernt, den es in Paris schon vor dreißig Jahren erreicht hat. Die
einzige permanente Kmistansstellung Berlins, welche vom Künstlerverein in ge¬
mietheten Räumen unterhalten wird, führt ein klägliches Dasei". Wenn der
Director der Nationalgalerie eine Gesammtausstellung von Werken eines eben
verstorbenen Künstlers zuwege bringt, wird im Künstlerverein ein solches Unter¬
nehmen als "Concurrenz" empfunden. Und wenn sich gar die jährliche Aus-
stellung der Akademie aufthut, liegen die Räume des Künstlervereins in schreck¬
licher Verödung da. Einige Kunsthändler, welche glaubten, daß die Wurzel des
Uebels uicht in: Publieum, sondern in den unpraktischen Maßnahmen der Künstler
zu suchen sei, haben in günstigerer Stadtgegend, im Herzen des Verkehrs, kleine
Ausstellungen arrangirt; aber sie mußten bald zu ihrem Schaden erfahren, daß
ihre größere Geschäftsroutine ebensowenig gegen die Indolenz des Publicums
anzukämpfen vermag.

Bis zum Jahre 1876 ging es im AusstellungSloeale des Künstlcrvercinü
"och etwas lebhafter zu. Die großen Ausstellungen der Akademie fanden aller
Mei Jahre statt, und in der Zwischenzeit brachten einheimische und auswärtige
Kürsner manches interessante Werk zu Markte, welches nicht zwei Jahre lang
im Atelier verborgen bleiben sollte. Seit 1876 ist dem Institute durch die jähr¬
liche Wiederkehr der akademischen Ausstellungen die Lebensader ganz unterbunden
worden. Als jener Beschluß gefaßt wurde, hat sich in Knnstlerkreiscn keine
Stimme des Protestes erhöbe". Der neue Akademiedireetvr, auf dessen Initia¬
tive die Neuerung in erster Linie zurückzuführen ist, erfreute sich damals der


Die akademische Kunstausstellung in Berlin.
von Adolf Rose» borg. 1.

i
t der rapiden Entwicklung Berlins und dem mächtigen Aufschwünge,
den das Centrum des wichtigsten politischen Organismus im Herzen
Europas seit einem Jahrzehnt genommen hat, ist die Entwicklung
seiner Knnstzustände keineswegs Hand in Hand gegangen. Wohl
haben sich aller Orten monumentale Prachtbauten erhoben, welche
Berlin zu einer der schönsten Städte der Welt gemacht haben, obgleich ihm die
Natur so gut wie alles versagt hat, wohl sind prächtige Straßen und mit
würdigen Denkmälern geschmückte Plätze entstanden, welche einen anscheinend
hoffnungslos verwirrten Stadtplnn in überraschender Weise geklärt und regulirt
haben. Aber das Kunstleben im engern Sinne, soweit es sich in Ausstellungen,
in Versteigerungen und im Kunsthandel offenbart, ist noch sehr von jenem großen
Stile entfernt, den es in Paris schon vor dreißig Jahren erreicht hat. Die
einzige permanente Kmistansstellung Berlins, welche vom Künstlerverein in ge¬
mietheten Räumen unterhalten wird, führt ein klägliches Dasei». Wenn der
Director der Nationalgalerie eine Gesammtausstellung von Werken eines eben
verstorbenen Künstlers zuwege bringt, wird im Künstlerverein ein solches Unter¬
nehmen als „Concurrenz" empfunden. Und wenn sich gar die jährliche Aus-
stellung der Akademie aufthut, liegen die Räume des Künstlervereins in schreck¬
licher Verödung da. Einige Kunsthändler, welche glaubten, daß die Wurzel des
Uebels uicht in: Publieum, sondern in den unpraktischen Maßnahmen der Künstler
zu suchen sei, haben in günstigerer Stadtgegend, im Herzen des Verkehrs, kleine
Ausstellungen arrangirt; aber sie mußten bald zu ihrem Schaden erfahren, daß
ihre größere Geschäftsroutine ebensowenig gegen die Indolenz des Publicums
anzukämpfen vermag.

Bis zum Jahre 1876 ging es im AusstellungSloeale des Künstlcrvercinü
»och etwas lebhafter zu. Die großen Ausstellungen der Akademie fanden aller
Mei Jahre statt, und in der Zwischenzeit brachten einheimische und auswärtige
Kürsner manches interessante Werk zu Markte, welches nicht zwei Jahre lang
im Atelier verborgen bleiben sollte. Seit 1876 ist dem Institute durch die jähr¬
liche Wiederkehr der akademischen Ausstellungen die Lebensader ganz unterbunden
worden. Als jener Beschluß gefaßt wurde, hat sich in Knnstlerkreiscn keine
Stimme des Protestes erhöbe». Der neue Akademiedireetvr, auf dessen Initia¬
tive die Neuerung in erster Linie zurückzuführen ist, erfreute sich damals der


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[0517] Die akademische Kunstausstellung in Berlin. von Adolf Rose» borg. 1. i t der rapiden Entwicklung Berlins und dem mächtigen Aufschwünge, den das Centrum des wichtigsten politischen Organismus im Herzen Europas seit einem Jahrzehnt genommen hat, ist die Entwicklung seiner Knnstzustände keineswegs Hand in Hand gegangen. Wohl haben sich aller Orten monumentale Prachtbauten erhoben, welche Berlin zu einer der schönsten Städte der Welt gemacht haben, obgleich ihm die Natur so gut wie alles versagt hat, wohl sind prächtige Straßen und mit würdigen Denkmälern geschmückte Plätze entstanden, welche einen anscheinend hoffnungslos verwirrten Stadtplnn in überraschender Weise geklärt und regulirt haben. Aber das Kunstleben im engern Sinne, soweit es sich in Ausstellungen, in Versteigerungen und im Kunsthandel offenbart, ist noch sehr von jenem großen Stile entfernt, den es in Paris schon vor dreißig Jahren erreicht hat. Die einzige permanente Kmistansstellung Berlins, welche vom Künstlerverein in ge¬ mietheten Räumen unterhalten wird, führt ein klägliches Dasei». Wenn der Director der Nationalgalerie eine Gesammtausstellung von Werken eines eben verstorbenen Künstlers zuwege bringt, wird im Künstlerverein ein solches Unter¬ nehmen als „Concurrenz" empfunden. Und wenn sich gar die jährliche Aus- stellung der Akademie aufthut, liegen die Räume des Künstlervereins in schreck¬ licher Verödung da. Einige Kunsthändler, welche glaubten, daß die Wurzel des Uebels uicht in: Publieum, sondern in den unpraktischen Maßnahmen der Künstler zu suchen sei, haben in günstigerer Stadtgegend, im Herzen des Verkehrs, kleine Ausstellungen arrangirt; aber sie mußten bald zu ihrem Schaden erfahren, daß ihre größere Geschäftsroutine ebensowenig gegen die Indolenz des Publicums anzukämpfen vermag. Bis zum Jahre 1876 ging es im AusstellungSloeale des Künstlcrvercinü »och etwas lebhafter zu. Die großen Ausstellungen der Akademie fanden aller Mei Jahre statt, und in der Zwischenzeit brachten einheimische und auswärtige Kürsner manches interessante Werk zu Markte, welches nicht zwei Jahre lang im Atelier verborgen bleiben sollte. Seit 1876 ist dem Institute durch die jähr¬ liche Wiederkehr der akademischen Ausstellungen die Lebensader ganz unterbunden worden. Als jener Beschluß gefaßt wurde, hat sich in Knnstlerkreiscn keine Stimme des Protestes erhöbe». Der neue Akademiedireetvr, auf dessen Initia¬ tive die Neuerung in erster Linie zurückzuführen ist, erfreute sich damals der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/517>, abgerufen am 09.06.2024.