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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Der pariser Salon.
von Adolf Rosenberg. 1.

it
i ungleich größerem Rechte als von der akademischen Ausstellung
n Berlin darf man von dem Pariser "Salon" sagen, daß er ein
treues Spiegelbild von dem jeweiligen Stande der Kunst des Landes
ist. Es müssen schon sehr gewichtige Gründe sein, die einen fran¬
zösischen Künstler von der Beschickung des "Salon" abhalten
können, und vom "Salon" ausgeschlossen zu werden ist für die französischen
Künstler ein viel härterer Schlag als für die deutscheu die Zurückweisung eines
Gemäldes oder eines Bildwerkes durch die Jury der Berliner Ausstellung. Der
Deutsche kann an das Publicum in München, Dresden, Stuttgart oder sonstwo
appelliren, während für den Franzosen der "Salon" die oberste Instanz ist.
Für die bildende Kunst wie für die Bühnenproductivu in Frankreich gilt in
gleichem Maße das Wort: Paris ist die Welt. Die Geschichte der Kunst weiß
nur von wenigen Künstlern zu erzählen, welche sich mit Erfolg gegen die Tyrannei
des "Salons" empört haben. Courbet, dessen Bilder jetzt, wo Zola und die
Realistenschule florirt, ungeheuer an Ansetzn gewonnen haben, hat dem Bann
des "Salons" mehrere Male mit Erfolg die Stirn geboten. In diesem Jahre
ist es der über alles Maß gefeierte Munkacsy gewesen, der, nachdem sein großes
Bild "Christus vor Pilatus," weil es zu spät fertig geworden, keine Aufnahme
mehr in den "Salon" gefunden hatte, diesem seine Privatausstellung gegenüber¬
setzte und, wie nicht anders zu erwarten war, da jetzt Munlaesy in der Mode
ist wie Zola mit seiner liebenswürdigen "Nana," großen Zulauf fand. Die
Physiognomie des "Salons" wäre durch dieses Gemälde nicht wesentlich verändert
worden. Die Kraft Munkacsys ist denn doch nicht groß genug, um solche Sprünge,
wie von dem idyllischen "Milton" bis zu dieser pathetisch-dramatischen Seene
wagen zu können. Coloristische Reize, die für verwöhnte und überreizte Zungen
zurecht gemacht worden sind, müssen für die Mängel der Komposition und für
verschiedne andre Schwächen entschädigen.

Der "Salon" selber war in diesem Jahre insofern von besondrer Bedeutung,
als zum erstenmale an Stelle des Staates die Künstler die Leitung und das
Arrangement der Ausstellung übernommen hatten. Der Staat will fortan den
Künstlern freie Hand lassen und nur nach wie vor seine Preise und Medaillen
vertheilen und seine Ankäufe für die öffentlichen Sammlungen machen. Die
Künstler sind noch rcpublicauischer verfahren als früher die Aufsichtsorgane des


Der pariser Salon.
von Adolf Rosenberg. 1.

it
i ungleich größerem Rechte als von der akademischen Ausstellung
n Berlin darf man von dem Pariser „Salon" sagen, daß er ein
treues Spiegelbild von dem jeweiligen Stande der Kunst des Landes
ist. Es müssen schon sehr gewichtige Gründe sein, die einen fran¬
zösischen Künstler von der Beschickung des „Salon" abhalten
können, und vom „Salon" ausgeschlossen zu werden ist für die französischen
Künstler ein viel härterer Schlag als für die deutscheu die Zurückweisung eines
Gemäldes oder eines Bildwerkes durch die Jury der Berliner Ausstellung. Der
Deutsche kann an das Publicum in München, Dresden, Stuttgart oder sonstwo
appelliren, während für den Franzosen der „Salon" die oberste Instanz ist.
Für die bildende Kunst wie für die Bühnenproductivu in Frankreich gilt in
gleichem Maße das Wort: Paris ist die Welt. Die Geschichte der Kunst weiß
nur von wenigen Künstlern zu erzählen, welche sich mit Erfolg gegen die Tyrannei
des „Salons" empört haben. Courbet, dessen Bilder jetzt, wo Zola und die
Realistenschule florirt, ungeheuer an Ansetzn gewonnen haben, hat dem Bann
des „Salons" mehrere Male mit Erfolg die Stirn geboten. In diesem Jahre
ist es der über alles Maß gefeierte Munkacsy gewesen, der, nachdem sein großes
Bild „Christus vor Pilatus," weil es zu spät fertig geworden, keine Aufnahme
mehr in den „Salon" gefunden hatte, diesem seine Privatausstellung gegenüber¬
setzte und, wie nicht anders zu erwarten war, da jetzt Munlaesy in der Mode
ist wie Zola mit seiner liebenswürdigen „Nana," großen Zulauf fand. Die
Physiognomie des „Salons" wäre durch dieses Gemälde nicht wesentlich verändert
worden. Die Kraft Munkacsys ist denn doch nicht groß genug, um solche Sprünge,
wie von dem idyllischen „Milton" bis zu dieser pathetisch-dramatischen Seene
wagen zu können. Coloristische Reize, die für verwöhnte und überreizte Zungen
zurecht gemacht worden sind, müssen für die Mängel der Komposition und für
verschiedne andre Schwächen entschädigen.

Der „Salon" selber war in diesem Jahre insofern von besondrer Bedeutung,
als zum erstenmale an Stelle des Staates die Künstler die Leitung und das
Arrangement der Ausstellung übernommen hatten. Der Staat will fortan den
Künstlern freie Hand lassen und nur nach wie vor seine Preise und Medaillen
vertheilen und seine Ankäufe für die öffentlichen Sammlungen machen. Die
Künstler sind noch rcpublicauischer verfahren als früher die Aufsichtsorgane des


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[0080] Der pariser Salon. von Adolf Rosenberg. 1. it i ungleich größerem Rechte als von der akademischen Ausstellung n Berlin darf man von dem Pariser „Salon" sagen, daß er ein treues Spiegelbild von dem jeweiligen Stande der Kunst des Landes ist. Es müssen schon sehr gewichtige Gründe sein, die einen fran¬ zösischen Künstler von der Beschickung des „Salon" abhalten können, und vom „Salon" ausgeschlossen zu werden ist für die französischen Künstler ein viel härterer Schlag als für die deutscheu die Zurückweisung eines Gemäldes oder eines Bildwerkes durch die Jury der Berliner Ausstellung. Der Deutsche kann an das Publicum in München, Dresden, Stuttgart oder sonstwo appelliren, während für den Franzosen der „Salon" die oberste Instanz ist. Für die bildende Kunst wie für die Bühnenproductivu in Frankreich gilt in gleichem Maße das Wort: Paris ist die Welt. Die Geschichte der Kunst weiß nur von wenigen Künstlern zu erzählen, welche sich mit Erfolg gegen die Tyrannei des „Salons" empört haben. Courbet, dessen Bilder jetzt, wo Zola und die Realistenschule florirt, ungeheuer an Ansetzn gewonnen haben, hat dem Bann des „Salons" mehrere Male mit Erfolg die Stirn geboten. In diesem Jahre ist es der über alles Maß gefeierte Munkacsy gewesen, der, nachdem sein großes Bild „Christus vor Pilatus," weil es zu spät fertig geworden, keine Aufnahme mehr in den „Salon" gefunden hatte, diesem seine Privatausstellung gegenüber¬ setzte und, wie nicht anders zu erwarten war, da jetzt Munlaesy in der Mode ist wie Zola mit seiner liebenswürdigen „Nana," großen Zulauf fand. Die Physiognomie des „Salons" wäre durch dieses Gemälde nicht wesentlich verändert worden. Die Kraft Munkacsys ist denn doch nicht groß genug, um solche Sprünge, wie von dem idyllischen „Milton" bis zu dieser pathetisch-dramatischen Seene wagen zu können. Coloristische Reize, die für verwöhnte und überreizte Zungen zurecht gemacht worden sind, müssen für die Mängel der Komposition und für verschiedne andre Schwächen entschädigen. Der „Salon" selber war in diesem Jahre insofern von besondrer Bedeutung, als zum erstenmale an Stelle des Staates die Künstler die Leitung und das Arrangement der Ausstellung übernommen hatten. Der Staat will fortan den Künstlern freie Hand lassen und nur nach wie vor seine Preise und Medaillen vertheilen und seine Ankäufe für die öffentlichen Sammlungen machen. Die Künstler sind noch rcpublicauischer verfahren als früher die Aufsichtsorgane des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/80>, abgerufen am 10.06.2024.