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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Spielmannslieder.

Das letzte Kamraden. WieSibylle.
2.
[Beginn Spaltensatz] Gieb mir, trautes Aermchen,
Einen Abschicdskusz
Und das letzte Kamraden,
Weil ich scheiden muß. [Spaltenumbruch] An die Thür der Kammer
Schreibe meine Schuld,
Harre sonder Jammer
Meiner in Geduld. [Ende Spaltensatz]
Wird auf grüner Haide
Draußen mir ein Grab,
Wische sanft die Kreide
Mit der Schürze ab.



3.


[Beginn Spaltensatz]
Zum Taunwald schritt ein Mädel hin
Mit Zittern und mit Zagen,
Frau Anne, die Zigeunerin,
Um klugen Rath zu fragen.
Frau Anne saß auf einem Stein.
"Was bringt das blanke Töchterlein?
Was regt sich in dem Tüchlein
Und gluckset wie ein Küchlein?"
,,Ach, gute Mutter, nimm mit Gunst
Das Hühnlein und die Eier
Und steh mir bei mit deiner Kunst.
Es heischen mich zwei Freier.
Der eine führt das Ellenmah,
Der andre lebt vom Tintenfaß.
Rum sag mir, Mutter Anne,
Wen nehm' ich wohl zum Manne?"
[Spaltenumbruch]
Die Alte hob zu murmeln an
Und raunte einen Segen
Und that auf grünem Wiesenplan
Der Magd die Karten legen.
"Das Weibsbild da, mein Kind, bist du;
Ein Herz und noch ein Herz dazu,
Zwei Buben sind geschlagen.
Nun laß dir Kunde sagen:
Der Pikbub muß ein Schneider sein,
Die Piken thuen stechen;
Der Herzbub ist ein Schreibcrlein,
Der wird dein Herz nicht brechen.
Was will der Treffbub? sah' ich recht,
Ein junger, schmucker Jägerknecht!
Er trägt ein Wams von Leder
Und eine Hahnenfeder.
[Ende Spaltensatz]
Gewächsen ist er tanncnschlank,
Sein Arm ist sest wie Eisen,
Zur Laute singt er licbeskrank
Gar süße Tageweisen.
El sprich, du Schelmenangesicht,
Was frugst du nach dem Dritten nicht?"
Da schwieg die Dirne stille,
Es lachte die Sibylle.



ZurBeruhigung.
4.
[Beginn Spaltensatz] Der Eremit im harren Kleid
In seiner dürren Wüsten
Kann leicht sich mit Enthaltsamkeit
Und treuer Liebe brüsten.
Wer aber schwimmt im Strom der
Und doch dem Lieb die Treue hält,
Verdiente wohl zum Lohne
Von Rosen eine Krone.Welt [Spaltenumbruch] Es steht mein Sinn nach dir allein,
Nach dir und keiner andern;
Ich dein denke bei Sonnenschein
Und wenn die Sterne wandern.
Und so ich hin und wieder schau'
In andre Augen braun und blau,
So mußt du dich nicht grämen
Und mir's nicht übelnehmen. [Ende Spaltensatz] Und Schwert' ich Dirnen schlank und leicht
Zu lust'gen Fiedeltönen,
So denk' ich: Keine cinz'ge reicht
Das Wasser meiner Schönen.
Und küß' ich einen rothen Mund,
So hat das weiter keinen Grund,
Als daß ich in der Ferne
Das Küssen nicht verlerne.

Spielmannslieder.

Das letzte Kamraden. WieSibylle.
2.
[Beginn Spaltensatz] Gieb mir, trautes Aermchen,
Einen Abschicdskusz
Und das letzte Kamraden,
Weil ich scheiden muß. [Spaltenumbruch] An die Thür der Kammer
Schreibe meine Schuld,
Harre sonder Jammer
Meiner in Geduld. [Ende Spaltensatz]
Wird auf grüner Haide
Draußen mir ein Grab,
Wische sanft die Kreide
Mit der Schürze ab.



3.


[Beginn Spaltensatz]
Zum Taunwald schritt ein Mädel hin
Mit Zittern und mit Zagen,
Frau Anne, die Zigeunerin,
Um klugen Rath zu fragen.
Frau Anne saß auf einem Stein.
„Was bringt das blanke Töchterlein?
Was regt sich in dem Tüchlein
Und gluckset wie ein Küchlein?"
,,Ach, gute Mutter, nimm mit Gunst
Das Hühnlein und die Eier
Und steh mir bei mit deiner Kunst.
Es heischen mich zwei Freier.
Der eine führt das Ellenmah,
Der andre lebt vom Tintenfaß.
Rum sag mir, Mutter Anne,
Wen nehm' ich wohl zum Manne?"
[Spaltenumbruch]
Die Alte hob zu murmeln an
Und raunte einen Segen
Und that auf grünem Wiesenplan
Der Magd die Karten legen.
„Das Weibsbild da, mein Kind, bist du;
Ein Herz und noch ein Herz dazu,
Zwei Buben sind geschlagen.
Nun laß dir Kunde sagen:
Der Pikbub muß ein Schneider sein,
Die Piken thuen stechen;
Der Herzbub ist ein Schreibcrlein,
Der wird dein Herz nicht brechen.
Was will der Treffbub? sah' ich recht,
Ein junger, schmucker Jägerknecht!
Er trägt ein Wams von Leder
Und eine Hahnenfeder.
[Ende Spaltensatz]
Gewächsen ist er tanncnschlank,
Sein Arm ist sest wie Eisen,
Zur Laute singt er licbeskrank
Gar süße Tageweisen.
El sprich, du Schelmenangesicht,
Was frugst du nach dem Dritten nicht?"
Da schwieg die Dirne stille,
Es lachte die Sibylle.



ZurBeruhigung.
4.
[Beginn Spaltensatz] Der Eremit im harren Kleid
In seiner dürren Wüsten
Kann leicht sich mit Enthaltsamkeit
Und treuer Liebe brüsten.
Wer aber schwimmt im Strom der
Und doch dem Lieb die Treue hält,
Verdiente wohl zum Lohne
Von Rosen eine Krone.Welt [Spaltenumbruch] Es steht mein Sinn nach dir allein,
Nach dir und keiner andern;
Ich dein denke bei Sonnenschein
Und wenn die Sterne wandern.
Und so ich hin und wieder schau'
In andre Augen braun und blau,
So mußt du dich nicht grämen
Und mir's nicht übelnehmen. [Ende Spaltensatz] Und Schwert' ich Dirnen schlank und leicht
Zu lust'gen Fiedeltönen,
So denk' ich: Keine cinz'ge reicht
Das Wasser meiner Schönen.
Und küß' ich einen rothen Mund,
So hat das weiter keinen Grund,
Als daß ich in der Ferne
Das Küssen nicht verlerne.

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[0214] Spielmannslieder. Das letzte Kamraden. WieSibylle. 2. Gieb mir, trautes Aermchen, Einen Abschicdskusz Und das letzte Kamraden, Weil ich scheiden muß. An die Thür der Kammer Schreibe meine Schuld, Harre sonder Jammer Meiner in Geduld. Wird auf grüner Haide Draußen mir ein Grab, Wische sanft die Kreide Mit der Schürze ab. 3. Zum Taunwald schritt ein Mädel hin Mit Zittern und mit Zagen, Frau Anne, die Zigeunerin, Um klugen Rath zu fragen. Frau Anne saß auf einem Stein. „Was bringt das blanke Töchterlein? Was regt sich in dem Tüchlein Und gluckset wie ein Küchlein?" ,,Ach, gute Mutter, nimm mit Gunst Das Hühnlein und die Eier Und steh mir bei mit deiner Kunst. Es heischen mich zwei Freier. Der eine führt das Ellenmah, Der andre lebt vom Tintenfaß. Rum sag mir, Mutter Anne, Wen nehm' ich wohl zum Manne?" Die Alte hob zu murmeln an Und raunte einen Segen Und that auf grünem Wiesenplan Der Magd die Karten legen. „Das Weibsbild da, mein Kind, bist du; Ein Herz und noch ein Herz dazu, Zwei Buben sind geschlagen. Nun laß dir Kunde sagen: Der Pikbub muß ein Schneider sein, Die Piken thuen stechen; Der Herzbub ist ein Schreibcrlein, Der wird dein Herz nicht brechen. Was will der Treffbub? sah' ich recht, Ein junger, schmucker Jägerknecht! Er trägt ein Wams von Leder Und eine Hahnenfeder. Gewächsen ist er tanncnschlank, Sein Arm ist sest wie Eisen, Zur Laute singt er licbeskrank Gar süße Tageweisen. El sprich, du Schelmenangesicht, Was frugst du nach dem Dritten nicht?" Da schwieg die Dirne stille, Es lachte die Sibylle. ZurBeruhigung. 4. Der Eremit im harren Kleid In seiner dürren Wüsten Kann leicht sich mit Enthaltsamkeit Und treuer Liebe brüsten. Wer aber schwimmt im Strom der Und doch dem Lieb die Treue hält, Verdiente wohl zum Lohne Von Rosen eine Krone.Welt Es steht mein Sinn nach dir allein, Nach dir und keiner andern; Ich dein denke bei Sonnenschein Und wenn die Sterne wandern. Und so ich hin und wieder schau' In andre Augen braun und blau, So mußt du dich nicht grämen Und mir's nicht übelnehmen. Und Schwert' ich Dirnen schlank und leicht Zu lust'gen Fiedeltönen, So denk' ich: Keine cinz'ge reicht Das Wasser meiner Schönen. Und küß' ich einen rothen Mund, So hat das weiter keinen Grund, Als daß ich in der Ferne Das Küssen nicht verlerne.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/214>, abgerufen am 29.04.2024.