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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Literatur

er ist ein wirklicher Dichter. Das zeigen seine Naturschilderungen, die sowohl für
sich als auch in Verwebung mit den seelischen Kämpfen seiner Menschen oft packend
sind; das zeigt die plastische Kraft, mit der Gestalten wie Oedins Mutter oder der
Gröhlbaner hingestellt sind, das zeigt auch die psychologische Entwicklung Alexandras,
die durch Schicksal und Schuld, eigne wie fremde, zur Welt- und Mcnschenhasserin
geworden, sich schließlich doch über sich, ihre Schuld und ihr Schicksal erhebt, wäh¬
rend Oedin jämmerlich drin stecken bleibt. Aber bei allen Vorzügen enthält das
Buch so viel des Ueberschwänglichen und Unnatürlichen, des Gewaltsamen und Ge¬
suchten, es weht eine solche Oede und Trostlosigkeit durch das Ganze, daß man
sich oft versucht fühlt, es ganz aus der Hand zu legen. Daß dies nicht geschieht,
ist ein Beweis für die Kraft des Dichters, die auch widerwillig uns zu folgen
zwingt. Aber um so lauter erwacht nachher der Widerspruch, fast möchte man sagen,
der Unwille über ihn, und wenn wir auch uicht gerade die herbe Kritik, die die
Gestalten des Buches an sich selbst üben und die in Alexandras Worten gipfelt:
"Wir passen wenigstens in unsern Verrücktheiten zusammen" unsrerseits auf das
Buch und seinen Schöpfer anwenden wollen, so können wir doch nur der Hoffnung
Ausdruck geben, daß Alexandras Schlußprophezeiuug in anderen Sinne, als der
Dichter meint, in Erfüllung gehe. Sie sagt: "Bereits das Geschlecht, das nach
uns kommt, wird vou diesem trostlosen Geschlecht nur noch seiue verfallenden namen¬
losen Gräber übrig finden, über denen es freudig und fruchtbar aufknospet, auf¬
sprießt, aufblühe. Aus dem Boden, der unsern Tod in sich trägt, den unser Moder
düngt, entsteigt es unsrer Verwesung aufwärts, aufwärts! unaufhaltsam der Sonue
zustrebend: das Gute, das Starke, das Wahre." Was Alexandra hier von den
kommenden Geschlechtern der Menschen sagt, es gelte von den fernern Schöpfungen
des Dichters. Und fügt er dem Guten, Starken, Wahren noch das Schöne hinzu,
daun wird auch die weitere Prophezeiung sich erfüllen: "Wo jetzt Wüste und Oede
starrt, wird die Zukunft Gärten finden."





Im vorigen Hefte der "Grenzboten" soll es S. 298 in der Anzeige von Bnchholtz' Ita¬
lienischer Sprachlehre heißen: "dessen Schüler diesen Abriß von der Entwicklung der Sprache
verstehen können" (anstatt: vorstellen können). -- Ebenso bitten wir nachträglich einen
sinnstörcnden Druckfehler in dem ersten der in Heft 44 mitgetheilten Briefe Fritz Stolbergs
zu berichtigen. Auf S. 203 ist zu lesen: "Mündlich wolle" wir vom Allmanach ausroden
(anstatt: ausreden). Sie wissen, welches Recht Sie über meine Stöcke ausüben können."




Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunvw in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart i" Rendnitz-Leipzig.
Literatur

er ist ein wirklicher Dichter. Das zeigen seine Naturschilderungen, die sowohl für
sich als auch in Verwebung mit den seelischen Kämpfen seiner Menschen oft packend
sind; das zeigt die plastische Kraft, mit der Gestalten wie Oedins Mutter oder der
Gröhlbaner hingestellt sind, das zeigt auch die psychologische Entwicklung Alexandras,
die durch Schicksal und Schuld, eigne wie fremde, zur Welt- und Mcnschenhasserin
geworden, sich schließlich doch über sich, ihre Schuld und ihr Schicksal erhebt, wäh¬
rend Oedin jämmerlich drin stecken bleibt. Aber bei allen Vorzügen enthält das
Buch so viel des Ueberschwänglichen und Unnatürlichen, des Gewaltsamen und Ge¬
suchten, es weht eine solche Oede und Trostlosigkeit durch das Ganze, daß man
sich oft versucht fühlt, es ganz aus der Hand zu legen. Daß dies nicht geschieht,
ist ein Beweis für die Kraft des Dichters, die auch widerwillig uns zu folgen
zwingt. Aber um so lauter erwacht nachher der Widerspruch, fast möchte man sagen,
der Unwille über ihn, und wenn wir auch uicht gerade die herbe Kritik, die die
Gestalten des Buches an sich selbst üben und die in Alexandras Worten gipfelt:
„Wir passen wenigstens in unsern Verrücktheiten zusammen" unsrerseits auf das
Buch und seinen Schöpfer anwenden wollen, so können wir doch nur der Hoffnung
Ausdruck geben, daß Alexandras Schlußprophezeiuug in anderen Sinne, als der
Dichter meint, in Erfüllung gehe. Sie sagt: „Bereits das Geschlecht, das nach
uns kommt, wird vou diesem trostlosen Geschlecht nur noch seiue verfallenden namen¬
losen Gräber übrig finden, über denen es freudig und fruchtbar aufknospet, auf¬
sprießt, aufblühe. Aus dem Boden, der unsern Tod in sich trägt, den unser Moder
düngt, entsteigt es unsrer Verwesung aufwärts, aufwärts! unaufhaltsam der Sonue
zustrebend: das Gute, das Starke, das Wahre." Was Alexandra hier von den
kommenden Geschlechtern der Menschen sagt, es gelte von den fernern Schöpfungen
des Dichters. Und fügt er dem Guten, Starken, Wahren noch das Schöne hinzu,
daun wird auch die weitere Prophezeiung sich erfüllen: „Wo jetzt Wüste und Oede
starrt, wird die Zukunft Gärten finden."





Im vorigen Hefte der „Grenzboten" soll es S. 298 in der Anzeige von Bnchholtz' Ita¬
lienischer Sprachlehre heißen: „dessen Schüler diesen Abriß von der Entwicklung der Sprache
verstehen können" (anstatt: vorstellen können). — Ebenso bitten wir nachträglich einen
sinnstörcnden Druckfehler in dem ersten der in Heft 44 mitgetheilten Briefe Fritz Stolbergs
zu berichtigen. Auf S. 203 ist zu lesen: „Mündlich wolle» wir vom Allmanach ausroden
(anstatt: ausreden). Sie wissen, welches Recht Sie über meine Stöcke ausüben können."




Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunvw in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marquart i» Rendnitz-Leipzig.
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[0346] Literatur er ist ein wirklicher Dichter. Das zeigen seine Naturschilderungen, die sowohl für sich als auch in Verwebung mit den seelischen Kämpfen seiner Menschen oft packend sind; das zeigt die plastische Kraft, mit der Gestalten wie Oedins Mutter oder der Gröhlbaner hingestellt sind, das zeigt auch die psychologische Entwicklung Alexandras, die durch Schicksal und Schuld, eigne wie fremde, zur Welt- und Mcnschenhasserin geworden, sich schließlich doch über sich, ihre Schuld und ihr Schicksal erhebt, wäh¬ rend Oedin jämmerlich drin stecken bleibt. Aber bei allen Vorzügen enthält das Buch so viel des Ueberschwänglichen und Unnatürlichen, des Gewaltsamen und Ge¬ suchten, es weht eine solche Oede und Trostlosigkeit durch das Ganze, daß man sich oft versucht fühlt, es ganz aus der Hand zu legen. Daß dies nicht geschieht, ist ein Beweis für die Kraft des Dichters, die auch widerwillig uns zu folgen zwingt. Aber um so lauter erwacht nachher der Widerspruch, fast möchte man sagen, der Unwille über ihn, und wenn wir auch uicht gerade die herbe Kritik, die die Gestalten des Buches an sich selbst üben und die in Alexandras Worten gipfelt: „Wir passen wenigstens in unsern Verrücktheiten zusammen" unsrerseits auf das Buch und seinen Schöpfer anwenden wollen, so können wir doch nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß Alexandras Schlußprophezeiuug in anderen Sinne, als der Dichter meint, in Erfüllung gehe. Sie sagt: „Bereits das Geschlecht, das nach uns kommt, wird vou diesem trostlosen Geschlecht nur noch seiue verfallenden namen¬ losen Gräber übrig finden, über denen es freudig und fruchtbar aufknospet, auf¬ sprießt, aufblühe. Aus dem Boden, der unsern Tod in sich trägt, den unser Moder düngt, entsteigt es unsrer Verwesung aufwärts, aufwärts! unaufhaltsam der Sonue zustrebend: das Gute, das Starke, das Wahre." Was Alexandra hier von den kommenden Geschlechtern der Menschen sagt, es gelte von den fernern Schöpfungen des Dichters. Und fügt er dem Guten, Starken, Wahren noch das Schöne hinzu, daun wird auch die weitere Prophezeiung sich erfüllen: „Wo jetzt Wüste und Oede starrt, wird die Zukunft Gärten finden." Im vorigen Hefte der „Grenzboten" soll es S. 298 in der Anzeige von Bnchholtz' Ita¬ lienischer Sprachlehre heißen: „dessen Schüler diesen Abriß von der Entwicklung der Sprache verstehen können" (anstatt: vorstellen können). — Ebenso bitten wir nachträglich einen sinnstörcnden Druckfehler in dem ersten der in Heft 44 mitgetheilten Briefe Fritz Stolbergs zu berichtigen. Auf S. 203 ist zu lesen: „Mündlich wolle» wir vom Allmanach ausroden (anstatt: ausreden). Sie wissen, welches Recht Sie über meine Stöcke ausüben können." Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunvw in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marquart i» Rendnitz-Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/346>, abgerufen am 29.04.2024.