Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Herr Ldnard Lngel.

Volksschichten haben Kaufkraft. Im andern Falle würde ihr Ertrag sinken,
und selbst Renten könnten Ausfälle erleiden. Das Wirthschaftsgebiet zu er¬
weitern gebietet also dem Großcapitalisten das eigne Interesse, gebietet ihm der
Patriotismus, die Freude am Glück und der Wohlfahrt des Vaterlandes. Der
wirthschaftlich starke kann allein dahin wirken, daß die steigenden Volkskräfte
auch steigende Verwendung finden; er muß es, wenn er seine Stärke nicht selbst
einbüßen will. Er allein ist es auch, der in seiner Privatökonomic durch
mißlungene Versuche nicht gestört wird. Sein Capital ist an vielen Stellen
betheiligt; gelingts hier nicht, so gelingt es da, er kann den Ertrag Jahre lang
abwarten.

Dies könnte den Anschein erwecken, als wollten wir zu wildeu Unterneh¬
mungen rathen, zu einer Zerstörung des Nationalvermögens, statt zu einer Ver¬
mehrung. Keineswegs. Auch der große Capitalist mag Vorsicht, klare und
nüchterne Ueberlegung beobachte", deun maß- und ziellose Vermehrung vorhan¬
dener Industrien würde zur Ueberproduction führen. Man Hütte Arbeitskräfte
vergeudet, die unwiederbringlich sind. Man hätte den Grund zu einer Stockung
gelegt und seinem Volke geschadet. Aber Einblick in das wirthschaftliche Ge¬
triebe, Kühnheit und Energie sind die Grundlagen eines Unternehmungsgeistes,
wie er unserm Lande mit so starker Volksvermehrung noth ist. Großcapitalisten dieser
Art sind Wohlthäter ihres Volkes, sie erfüllen die Pflichten, die ihr Reichthum
ihnen auferlegt, und sind erst dann der bessern Lebensverhältnisse, die er ihnen
giebt, in vollem Maße würdig.

Wenn es gelingt, in den öden Niederungen des Nordwestens unsers Landes
eine große Erdölindustrie ins Leben zu rufen, die uns frei machte vom ameri¬
kanischen Petroleum, so könnten jene großen Summen, welche heute für dieses
Product hinausgehen, zur Erwerbung von Nahrungsmitteln dienen, und in Deutsch¬
land wäre für eine Menge Menschen wieder Platz geschaffen. Und vielleicht
bliebe auch uoch ein klein wenig übrig, das einigen das Leben angenehmer ge¬
^ staltete.




Herr Gduard Engel,

der Redacteur des "Magazins für die Literatur des In- und Auslandes," des
"Organs des Allgemeinen Deutschen Schriftstellerverbandes," veröffentlicht in
Nummer 44 dieses Blattes einen Angriff auf die "Grenzboten." Er wirft sich
zum Champion der Theilnehmer an dem internationalen Schriftstellercongreß
in Wien auf, jener unfreiwilligen Komödie, über welche die "Grenzboten"
(Heft 40) mit Recht sich lustig gemacht hatten.


GrenMm IV. 1881. , 55
Herr Ldnard Lngel.

Volksschichten haben Kaufkraft. Im andern Falle würde ihr Ertrag sinken,
und selbst Renten könnten Ausfälle erleiden. Das Wirthschaftsgebiet zu er¬
weitern gebietet also dem Großcapitalisten das eigne Interesse, gebietet ihm der
Patriotismus, die Freude am Glück und der Wohlfahrt des Vaterlandes. Der
wirthschaftlich starke kann allein dahin wirken, daß die steigenden Volkskräfte
auch steigende Verwendung finden; er muß es, wenn er seine Stärke nicht selbst
einbüßen will. Er allein ist es auch, der in seiner Privatökonomic durch
mißlungene Versuche nicht gestört wird. Sein Capital ist an vielen Stellen
betheiligt; gelingts hier nicht, so gelingt es da, er kann den Ertrag Jahre lang
abwarten.

Dies könnte den Anschein erwecken, als wollten wir zu wildeu Unterneh¬
mungen rathen, zu einer Zerstörung des Nationalvermögens, statt zu einer Ver¬
mehrung. Keineswegs. Auch der große Capitalist mag Vorsicht, klare und
nüchterne Ueberlegung beobachte», deun maß- und ziellose Vermehrung vorhan¬
dener Industrien würde zur Ueberproduction führen. Man Hütte Arbeitskräfte
vergeudet, die unwiederbringlich sind. Man hätte den Grund zu einer Stockung
gelegt und seinem Volke geschadet. Aber Einblick in das wirthschaftliche Ge¬
triebe, Kühnheit und Energie sind die Grundlagen eines Unternehmungsgeistes,
wie er unserm Lande mit so starker Volksvermehrung noth ist. Großcapitalisten dieser
Art sind Wohlthäter ihres Volkes, sie erfüllen die Pflichten, die ihr Reichthum
ihnen auferlegt, und sind erst dann der bessern Lebensverhältnisse, die er ihnen
giebt, in vollem Maße würdig.

Wenn es gelingt, in den öden Niederungen des Nordwestens unsers Landes
eine große Erdölindustrie ins Leben zu rufen, die uns frei machte vom ameri¬
kanischen Petroleum, so könnten jene großen Summen, welche heute für dieses
Product hinausgehen, zur Erwerbung von Nahrungsmitteln dienen, und in Deutsch¬
land wäre für eine Menge Menschen wieder Platz geschaffen. Und vielleicht
bliebe auch uoch ein klein wenig übrig, das einigen das Leben angenehmer ge¬
^ staltete.




Herr Gduard Engel,

der Redacteur des „Magazins für die Literatur des In- und Auslandes," des
„Organs des Allgemeinen Deutschen Schriftstellerverbandes," veröffentlicht in
Nummer 44 dieses Blattes einen Angriff auf die „Grenzboten." Er wirft sich
zum Champion der Theilnehmer an dem internationalen Schriftstellercongreß
in Wien auf, jener unfreiwilligen Komödie, über welche die „Grenzboten"
(Heft 40) mit Recht sich lustig gemacht hatten.


GrenMm IV. 1881. , 55
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0435" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151157"/>
          <fw type="header" place="top"> Herr Ldnard Lngel.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1433" prev="#ID_1432"> Volksschichten haben Kaufkraft. Im andern Falle würde ihr Ertrag sinken,<lb/>
und selbst Renten könnten Ausfälle erleiden. Das Wirthschaftsgebiet zu er¬<lb/>
weitern gebietet also dem Großcapitalisten das eigne Interesse, gebietet ihm der<lb/>
Patriotismus, die Freude am Glück und der Wohlfahrt des Vaterlandes. Der<lb/>
wirthschaftlich starke kann allein dahin wirken, daß die steigenden Volkskräfte<lb/>
auch steigende Verwendung finden; er muß es, wenn er seine Stärke nicht selbst<lb/>
einbüßen will. Er allein ist es auch, der in seiner Privatökonomic durch<lb/>
mißlungene Versuche nicht gestört wird. Sein Capital ist an vielen Stellen<lb/>
betheiligt; gelingts hier nicht, so gelingt es da, er kann den Ertrag Jahre lang<lb/>
abwarten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1434"> Dies könnte den Anschein erwecken, als wollten wir zu wildeu Unterneh¬<lb/>
mungen rathen, zu einer Zerstörung des Nationalvermögens, statt zu einer Ver¬<lb/>
mehrung. Keineswegs. Auch der große Capitalist mag Vorsicht, klare und<lb/>
nüchterne Ueberlegung beobachte», deun maß- und ziellose Vermehrung vorhan¬<lb/>
dener Industrien würde zur Ueberproduction führen. Man Hütte Arbeitskräfte<lb/>
vergeudet, die unwiederbringlich sind. Man hätte den Grund zu einer Stockung<lb/>
gelegt und seinem Volke geschadet. Aber Einblick in das wirthschaftliche Ge¬<lb/>
triebe, Kühnheit und Energie sind die Grundlagen eines Unternehmungsgeistes,<lb/>
wie er unserm Lande mit so starker Volksvermehrung noth ist. Großcapitalisten dieser<lb/>
Art sind Wohlthäter ihres Volkes, sie erfüllen die Pflichten, die ihr Reichthum<lb/>
ihnen auferlegt, und sind erst dann der bessern Lebensverhältnisse, die er ihnen<lb/>
giebt, in vollem Maße würdig.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1435" next="#ID_1436"> Wenn es gelingt, in den öden Niederungen des Nordwestens unsers Landes<lb/>
eine große Erdölindustrie ins Leben zu rufen, die uns frei machte vom ameri¬<lb/>
kanischen Petroleum, so könnten jene großen Summen, welche heute für dieses<lb/>
Product hinausgehen, zur Erwerbung von Nahrungsmitteln dienen, und in Deutsch¬<lb/>
land wäre für eine Menge Menschen wieder Platz geschaffen. Und vielleicht<lb/>
bliebe auch uoch ein klein wenig übrig, das einigen das Leben angenehmer ge¬<lb/><note type="byline"> ^</note> staltete. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Herr Gduard Engel,</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1436" prev="#ID_1435"> der Redacteur des &#x201E;Magazins für die Literatur des In- und Auslandes," des<lb/>
&#x201E;Organs des Allgemeinen Deutschen Schriftstellerverbandes," veröffentlicht in<lb/>
Nummer 44 dieses Blattes einen Angriff auf die &#x201E;Grenzboten." Er wirft sich<lb/>
zum Champion der Theilnehmer an dem internationalen Schriftstellercongreß<lb/>
in Wien auf, jener unfreiwilligen Komödie, über welche die &#x201E;Grenzboten"<lb/>
(Heft 40) mit Recht sich lustig gemacht hatten.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> GrenMm IV. 1881. , 55</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0435] Herr Ldnard Lngel. Volksschichten haben Kaufkraft. Im andern Falle würde ihr Ertrag sinken, und selbst Renten könnten Ausfälle erleiden. Das Wirthschaftsgebiet zu er¬ weitern gebietet also dem Großcapitalisten das eigne Interesse, gebietet ihm der Patriotismus, die Freude am Glück und der Wohlfahrt des Vaterlandes. Der wirthschaftlich starke kann allein dahin wirken, daß die steigenden Volkskräfte auch steigende Verwendung finden; er muß es, wenn er seine Stärke nicht selbst einbüßen will. Er allein ist es auch, der in seiner Privatökonomic durch mißlungene Versuche nicht gestört wird. Sein Capital ist an vielen Stellen betheiligt; gelingts hier nicht, so gelingt es da, er kann den Ertrag Jahre lang abwarten. Dies könnte den Anschein erwecken, als wollten wir zu wildeu Unterneh¬ mungen rathen, zu einer Zerstörung des Nationalvermögens, statt zu einer Ver¬ mehrung. Keineswegs. Auch der große Capitalist mag Vorsicht, klare und nüchterne Ueberlegung beobachte», deun maß- und ziellose Vermehrung vorhan¬ dener Industrien würde zur Ueberproduction führen. Man Hütte Arbeitskräfte vergeudet, die unwiederbringlich sind. Man hätte den Grund zu einer Stockung gelegt und seinem Volke geschadet. Aber Einblick in das wirthschaftliche Ge¬ triebe, Kühnheit und Energie sind die Grundlagen eines Unternehmungsgeistes, wie er unserm Lande mit so starker Volksvermehrung noth ist. Großcapitalisten dieser Art sind Wohlthäter ihres Volkes, sie erfüllen die Pflichten, die ihr Reichthum ihnen auferlegt, und sind erst dann der bessern Lebensverhältnisse, die er ihnen giebt, in vollem Maße würdig. Wenn es gelingt, in den öden Niederungen des Nordwestens unsers Landes eine große Erdölindustrie ins Leben zu rufen, die uns frei machte vom ameri¬ kanischen Petroleum, so könnten jene großen Summen, welche heute für dieses Product hinausgehen, zur Erwerbung von Nahrungsmitteln dienen, und in Deutsch¬ land wäre für eine Menge Menschen wieder Platz geschaffen. Und vielleicht bliebe auch uoch ein klein wenig übrig, das einigen das Leben angenehmer ge¬ ^ staltete. Herr Gduard Engel, der Redacteur des „Magazins für die Literatur des In- und Auslandes," des „Organs des Allgemeinen Deutschen Schriftstellerverbandes," veröffentlicht in Nummer 44 dieses Blattes einen Angriff auf die „Grenzboten." Er wirft sich zum Champion der Theilnehmer an dem internationalen Schriftstellercongreß in Wien auf, jener unfreiwilligen Komödie, über welche die „Grenzboten" (Heft 40) mit Recht sich lustig gemacht hatten. GrenMm IV. 1881. , 55

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/435
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/435>, abgerufen am 28.04.2024.