Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Sie politischen Parteien und ihr Linslnß auf Zustiz und Verwaltung,

der wahren Befähigung zur Volksbeglückung angesehen werden, wie ja das Volk
auch oft den Arzt verschmäht und dem Quacksalber nachläuft, bis -- es -in
spät ist.




Die politischen Parteien
und ihr Einfluß auf Justiz und Verwaltung.

röprosöutivtz ^ovsrnmsnts g,rs on its tris.1. Dieses Wort
des Prinz-Gemahls von England, dessen Bedeutung um so höher
anzuschlagen ist, als es einem maßvollen und ebenso verfassungs¬
treuen, wie in den schwierigsten politischen Kämpfen bewährten
Fürsten entstammt, hat bei den liberalen Parteien diesseits und
jenseits des Oceans keinen Wiederhall gefunden. In allen Kulturländern, deren
Verfassung die Theilnahme des Volkes an der Regierung durch ein Parlament
vorschreibt, glaubt man diese Probe längst überstanden zu haben, und zwar zu
Gunsten der parlamentarischen Herrschaft. Letztere gilt in den Augen der vor¬
geschrittenen liberale,? Politiker als das Universalmittel für die Lenkung des
Staatsschiffes, so daß selbst Länder von sehr geringer Culturstufe, wie sie erst
jüngst an der Donau in das europäische Völkerconcert eingetreten sind, sich ohne
jeden Uebergang in das parlamentarische Regime gestürzt haben. Eine ernste
Prüfung der Wirkungen dieses Systems wird mir in den seltensten Fällen an¬
gestellt, und von liberaler Seite wird derjenige als Reactionär verschrien, der
auch nur von wissenschaftlichem Standpunkte die parlamentarische Herrschaft zu kri-
tisiren wagt. Das Ergebniß der letzten Reichstagswnhlen liefert einen lehrreichen
Beweis für die Auffassung des repräsentativen Staates als einer parlamen¬
tarischen Herrschaft bei einem großen Theile des deutschen Bttrgerthnms. Die
vorgeschrittene liberale Partei hat sich nicht ohne Geschick als Wahlparole jenes
Wortes des Reichskanzlers vom dictatorischen Regimente bedient. Es wurde
dasselbe in absichtlich mißverstandenen Sinne so gedeutet, als ob die Verfas¬
sung selbst auf dem Spiele stehe und eine Rückkehr in die Zeiten der politischen
Reaction und des Absolutismus zu befürchten sei. Jenes Wahlmanöver hat
seine Wirkung nicht verfehlt; das constitutionelle Leben ist noch zu jung in
Deutschland, und die Regierung des mächtigsten deutschen Staates in zu kräf¬
tigen Händen gewesen, als daß der unbefangene Wähler auch seine ganze Be¬
deutung sich hätte klar macheu können. Bei der großen Macht, die das ge¬
druckte Wort gerade bei demjenigen Volke ausübt, dessen Philosophische An-


Sie politischen Parteien und ihr Linslnß auf Zustiz und Verwaltung,

der wahren Befähigung zur Volksbeglückung angesehen werden, wie ja das Volk
auch oft den Arzt verschmäht und dem Quacksalber nachläuft, bis — es -in
spät ist.




Die politischen Parteien
und ihr Einfluß auf Justiz und Verwaltung.

röprosöutivtz ^ovsrnmsnts g,rs on its tris.1. Dieses Wort
des Prinz-Gemahls von England, dessen Bedeutung um so höher
anzuschlagen ist, als es einem maßvollen und ebenso verfassungs¬
treuen, wie in den schwierigsten politischen Kämpfen bewährten
Fürsten entstammt, hat bei den liberalen Parteien diesseits und
jenseits des Oceans keinen Wiederhall gefunden. In allen Kulturländern, deren
Verfassung die Theilnahme des Volkes an der Regierung durch ein Parlament
vorschreibt, glaubt man diese Probe längst überstanden zu haben, und zwar zu
Gunsten der parlamentarischen Herrschaft. Letztere gilt in den Augen der vor¬
geschrittenen liberale,? Politiker als das Universalmittel für die Lenkung des
Staatsschiffes, so daß selbst Länder von sehr geringer Culturstufe, wie sie erst
jüngst an der Donau in das europäische Völkerconcert eingetreten sind, sich ohne
jeden Uebergang in das parlamentarische Regime gestürzt haben. Eine ernste
Prüfung der Wirkungen dieses Systems wird mir in den seltensten Fällen an¬
gestellt, und von liberaler Seite wird derjenige als Reactionär verschrien, der
auch nur von wissenschaftlichem Standpunkte die parlamentarische Herrschaft zu kri-
tisiren wagt. Das Ergebniß der letzten Reichstagswnhlen liefert einen lehrreichen
Beweis für die Auffassung des repräsentativen Staates als einer parlamen¬
tarischen Herrschaft bei einem großen Theile des deutschen Bttrgerthnms. Die
vorgeschrittene liberale Partei hat sich nicht ohne Geschick als Wahlparole jenes
Wortes des Reichskanzlers vom dictatorischen Regimente bedient. Es wurde
dasselbe in absichtlich mißverstandenen Sinne so gedeutet, als ob die Verfas¬
sung selbst auf dem Spiele stehe und eine Rückkehr in die Zeiten der politischen
Reaction und des Absolutismus zu befürchten sei. Jenes Wahlmanöver hat
seine Wirkung nicht verfehlt; das constitutionelle Leben ist noch zu jung in
Deutschland, und die Regierung des mächtigsten deutschen Staates in zu kräf¬
tigen Händen gewesen, als daß der unbefangene Wähler auch seine ganze Be¬
deutung sich hätte klar macheu können. Bei der großen Macht, die das ge¬
druckte Wort gerade bei demjenigen Volke ausübt, dessen Philosophische An-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0497" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151219"/>
          <fw type="header" place="top"> Sie politischen Parteien und ihr Linslnß auf Zustiz und Verwaltung,  </fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1631" prev="#ID_1630"> der wahren Befähigung zur Volksbeglückung angesehen werden, wie ja das Volk<lb/>
auch oft den Arzt verschmäht und dem Quacksalber nachläuft, bis &#x2014; es -in<lb/>
spät ist.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die politischen Parteien<lb/>
und ihr Einfluß auf Justiz und Verwaltung.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1632" next="#ID_1633"> röprosöutivtz ^ovsrnmsnts g,rs on its tris.1. Dieses Wort<lb/>
des Prinz-Gemahls von England, dessen Bedeutung um so höher<lb/>
anzuschlagen ist, als es einem maßvollen und ebenso verfassungs¬<lb/>
treuen, wie in den schwierigsten politischen Kämpfen bewährten<lb/>
Fürsten entstammt, hat bei den liberalen Parteien diesseits und<lb/>
jenseits des Oceans keinen Wiederhall gefunden. In allen Kulturländern, deren<lb/>
Verfassung die Theilnahme des Volkes an der Regierung durch ein Parlament<lb/>
vorschreibt, glaubt man diese Probe längst überstanden zu haben, und zwar zu<lb/>
Gunsten der parlamentarischen Herrschaft. Letztere gilt in den Augen der vor¬<lb/>
geschrittenen liberale,? Politiker als das Universalmittel für die Lenkung des<lb/>
Staatsschiffes, so daß selbst Länder von sehr geringer Culturstufe, wie sie erst<lb/>
jüngst an der Donau in das europäische Völkerconcert eingetreten sind, sich ohne<lb/>
jeden Uebergang in das parlamentarische Regime gestürzt haben. Eine ernste<lb/>
Prüfung der Wirkungen dieses Systems wird mir in den seltensten Fällen an¬<lb/>
gestellt, und von liberaler Seite wird derjenige als Reactionär verschrien, der<lb/>
auch nur von wissenschaftlichem Standpunkte die parlamentarische Herrschaft zu kri-<lb/>
tisiren wagt. Das Ergebniß der letzten Reichstagswnhlen liefert einen lehrreichen<lb/>
Beweis für die Auffassung des repräsentativen Staates als einer parlamen¬<lb/>
tarischen Herrschaft bei einem großen Theile des deutschen Bttrgerthnms. Die<lb/>
vorgeschrittene liberale Partei hat sich nicht ohne Geschick als Wahlparole jenes<lb/>
Wortes des Reichskanzlers vom dictatorischen Regimente bedient. Es wurde<lb/>
dasselbe in absichtlich mißverstandenen Sinne so gedeutet, als ob die Verfas¬<lb/>
sung selbst auf dem Spiele stehe und eine Rückkehr in die Zeiten der politischen<lb/>
Reaction und des Absolutismus zu befürchten sei. Jenes Wahlmanöver hat<lb/>
seine Wirkung nicht verfehlt; das constitutionelle Leben ist noch zu jung in<lb/>
Deutschland, und die Regierung des mächtigsten deutschen Staates in zu kräf¬<lb/>
tigen Händen gewesen, als daß der unbefangene Wähler auch seine ganze Be¬<lb/>
deutung sich hätte klar macheu können. Bei der großen Macht, die das ge¬<lb/>
druckte Wort gerade bei demjenigen Volke ausübt, dessen Philosophische An-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0497] Sie politischen Parteien und ihr Linslnß auf Zustiz und Verwaltung, der wahren Befähigung zur Volksbeglückung angesehen werden, wie ja das Volk auch oft den Arzt verschmäht und dem Quacksalber nachläuft, bis — es -in spät ist. Die politischen Parteien und ihr Einfluß auf Justiz und Verwaltung. röprosöutivtz ^ovsrnmsnts g,rs on its tris.1. Dieses Wort des Prinz-Gemahls von England, dessen Bedeutung um so höher anzuschlagen ist, als es einem maßvollen und ebenso verfassungs¬ treuen, wie in den schwierigsten politischen Kämpfen bewährten Fürsten entstammt, hat bei den liberalen Parteien diesseits und jenseits des Oceans keinen Wiederhall gefunden. In allen Kulturländern, deren Verfassung die Theilnahme des Volkes an der Regierung durch ein Parlament vorschreibt, glaubt man diese Probe längst überstanden zu haben, und zwar zu Gunsten der parlamentarischen Herrschaft. Letztere gilt in den Augen der vor¬ geschrittenen liberale,? Politiker als das Universalmittel für die Lenkung des Staatsschiffes, so daß selbst Länder von sehr geringer Culturstufe, wie sie erst jüngst an der Donau in das europäische Völkerconcert eingetreten sind, sich ohne jeden Uebergang in das parlamentarische Regime gestürzt haben. Eine ernste Prüfung der Wirkungen dieses Systems wird mir in den seltensten Fällen an¬ gestellt, und von liberaler Seite wird derjenige als Reactionär verschrien, der auch nur von wissenschaftlichem Standpunkte die parlamentarische Herrschaft zu kri- tisiren wagt. Das Ergebniß der letzten Reichstagswnhlen liefert einen lehrreichen Beweis für die Auffassung des repräsentativen Staates als einer parlamen¬ tarischen Herrschaft bei einem großen Theile des deutschen Bttrgerthnms. Die vorgeschrittene liberale Partei hat sich nicht ohne Geschick als Wahlparole jenes Wortes des Reichskanzlers vom dictatorischen Regimente bedient. Es wurde dasselbe in absichtlich mißverstandenen Sinne so gedeutet, als ob die Verfas¬ sung selbst auf dem Spiele stehe und eine Rückkehr in die Zeiten der politischen Reaction und des Absolutismus zu befürchten sei. Jenes Wahlmanöver hat seine Wirkung nicht verfehlt; das constitutionelle Leben ist noch zu jung in Deutschland, und die Regierung des mächtigsten deutschen Staates in zu kräf¬ tigen Händen gewesen, als daß der unbefangene Wähler auch seine ganze Be¬ deutung sich hätte klar macheu können. Bei der großen Macht, die das ge¬ druckte Wort gerade bei demjenigen Volke ausübt, dessen Philosophische An-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/497
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/497>, abgerufen am 28.04.2024.