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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Die Heilige Allianz.
von Theodor Flathe.

er die Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts mit der des neun¬
zehnten vergleicht, dein wird die eigentümliche Wahrnehmung nicht
entgehen, daß im achtzehnten jede zwischen zwei Staaten sich er¬
hebende Feindseligkeit alsbald die Tendenz zu einer allgemeinen
kriegerischen Verwicklung annimmt, im neunzehnten die Kriege auf
einen engen Raum und auf eine geringe Zahl von Teilnehmern beschränkt bleiben.
Während sich von dem nordischen und dem Spanischen Erbfolgekrieg an bis zu
den Feldzügen der legitimen Kabinette gegen die französische Revolution eine
ganze Reihe von blutigen Kämpfen erhebt, welche die meisten und bedeutendsten
Staaten in Mitleidenschaft ziehen, hat seit dem Sturze Napoleons unser Erd¬
teil keinen allgemeinen Krieg wieder gesehen -- ein Fortschritt, welchen derselbe
zunächst dem ermattenden Rückschläge nach dem furchtbaren während dreinnd-
zwanzigjähriger Kriegsdrangsale erlittenen Umsturze zu verdanken gehabt hat.
Indem die Verbündeten Monarchen im sechsten Artikel des zweiten Pariser Frie¬
dens übereinkämen, "um die Ausführung dieses Friedens zu sichern und die
zwischen ihnen bestehenden innigen Beziehungen zum Heile der Welt zu befestigen,
in bestimmten Zwischenräumen Zusammenkünfte zu veranstalten behufs Erwägung
der großen gemeinsamen Interessen und der für die Ruhe, die Wohlfahrt und
den Frieden Europas heilsamen Maßregeln," entsagte jeder von ihnen dein
Rechte, etwaige Streitigkeiten bloß nach eigenem Ermessen mit dem Schwerte
zum Austrage zu bringen, begründeten sie die Ära der Kongresse, welche wäh¬
rend der folgenden acht Jahre von so maßgebenden Einfluß auf die internatio-
nalen Verhältnisse Europas werden sollten.


Grenzboten III. 1882. 25


Die Heilige Allianz.
von Theodor Flathe.

er die Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts mit der des neun¬
zehnten vergleicht, dein wird die eigentümliche Wahrnehmung nicht
entgehen, daß im achtzehnten jede zwischen zwei Staaten sich er¬
hebende Feindseligkeit alsbald die Tendenz zu einer allgemeinen
kriegerischen Verwicklung annimmt, im neunzehnten die Kriege auf
einen engen Raum und auf eine geringe Zahl von Teilnehmern beschränkt bleiben.
Während sich von dem nordischen und dem Spanischen Erbfolgekrieg an bis zu
den Feldzügen der legitimen Kabinette gegen die französische Revolution eine
ganze Reihe von blutigen Kämpfen erhebt, welche die meisten und bedeutendsten
Staaten in Mitleidenschaft ziehen, hat seit dem Sturze Napoleons unser Erd¬
teil keinen allgemeinen Krieg wieder gesehen — ein Fortschritt, welchen derselbe
zunächst dem ermattenden Rückschläge nach dem furchtbaren während dreinnd-
zwanzigjähriger Kriegsdrangsale erlittenen Umsturze zu verdanken gehabt hat.
Indem die Verbündeten Monarchen im sechsten Artikel des zweiten Pariser Frie¬
dens übereinkämen, „um die Ausführung dieses Friedens zu sichern und die
zwischen ihnen bestehenden innigen Beziehungen zum Heile der Welt zu befestigen,
in bestimmten Zwischenräumen Zusammenkünfte zu veranstalten behufs Erwägung
der großen gemeinsamen Interessen und der für die Ruhe, die Wohlfahrt und
den Frieden Europas heilsamen Maßregeln," entsagte jeder von ihnen dein
Rechte, etwaige Streitigkeiten bloß nach eigenem Ermessen mit dem Schwerte
zum Austrage zu bringen, begründeten sie die Ära der Kongresse, welche wäh¬
rend der folgenden acht Jahre von so maßgebenden Einfluß auf die internatio-
nalen Verhältnisse Europas werden sollten.


Grenzboten III. 1882. 25
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[0201] [Abbildung] Die Heilige Allianz. von Theodor Flathe. er die Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts mit der des neun¬ zehnten vergleicht, dein wird die eigentümliche Wahrnehmung nicht entgehen, daß im achtzehnten jede zwischen zwei Staaten sich er¬ hebende Feindseligkeit alsbald die Tendenz zu einer allgemeinen kriegerischen Verwicklung annimmt, im neunzehnten die Kriege auf einen engen Raum und auf eine geringe Zahl von Teilnehmern beschränkt bleiben. Während sich von dem nordischen und dem Spanischen Erbfolgekrieg an bis zu den Feldzügen der legitimen Kabinette gegen die französische Revolution eine ganze Reihe von blutigen Kämpfen erhebt, welche die meisten und bedeutendsten Staaten in Mitleidenschaft ziehen, hat seit dem Sturze Napoleons unser Erd¬ teil keinen allgemeinen Krieg wieder gesehen — ein Fortschritt, welchen derselbe zunächst dem ermattenden Rückschläge nach dem furchtbaren während dreinnd- zwanzigjähriger Kriegsdrangsale erlittenen Umsturze zu verdanken gehabt hat. Indem die Verbündeten Monarchen im sechsten Artikel des zweiten Pariser Frie¬ dens übereinkämen, „um die Ausführung dieses Friedens zu sichern und die zwischen ihnen bestehenden innigen Beziehungen zum Heile der Welt zu befestigen, in bestimmten Zwischenräumen Zusammenkünfte zu veranstalten behufs Erwägung der großen gemeinsamen Interessen und der für die Ruhe, die Wohlfahrt und den Frieden Europas heilsamen Maßregeln," entsagte jeder von ihnen dein Rechte, etwaige Streitigkeiten bloß nach eigenem Ermessen mit dem Schwerte zum Austrage zu bringen, begründeten sie die Ära der Kongresse, welche wäh¬ rend der folgenden acht Jahre von so maßgebenden Einfluß auf die internatio- nalen Verhältnisse Europas werden sollten. Grenzboten III. 1882. 25

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/201>, abgerufen am 04.05.2024.