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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der jüngste Tag.
von Edward Egg leston.

(Fortsetzung.)
siebentes Kapitel.
Drinnen und draußen.

cum jemand das feine Gefühl nicht angeboren ist, fo kann es ihm
nicht anerzogen werden. Ist es ihm angeboren, so läßt es sich
durch Erziehung nicht entfernen. August Weste hatte von seiner
Mutter den Instinkt echten Feingefühls geerbt. Und jetzt, Mo
Andrew wieder in schweigendes Nachdenken versank, versuchte er
nicht, ihn daraus zu erwecken, sondern bot ihm Gutenacht, warf die Strickleiter
mit eignen Händen ans dem Fenster und brach durch die Bvdensenlnng hinauf
nach Hanse auf. Die Luft war schwül und drückend, der Mond war vou den
Wolken eingeschluckt, und das erste Gewitter des Frühlings zog nach dem Zenith
herauf, während die Zweige der Bänme von nuheilverkündendem Schauer er¬
zitterten. Aber August beeilte sich nicht. Das wahre Gewitter war in seiner
Seele. Andrews Geschichte hatte Zweifel in ihm aufkeimen lassen. Als er in
die Schlucht hinabgestiegen, hatte die Liebe zu Julia Anderson sein Herz so sanft
und wohlthuend beschienen wie der Mond das Wasser drunten. Jetzt war das
holde Licht verschwunden, und die schwarze Wolke des Zweifels hatte seine
Seelenruhe verhüllt. Der Vater Juliens war ein reicher Mann. Daran hatte
er vorher nicht gedacht. Aber jetzt erinnerte er sich, wieviel Waldland er besaß,
und daß er zwei ausgedehnte Farnen hatte. Julia Anderson würde, so dachte
er, keinen armen Burschen heirate". Und nnn gar einen Dntchman! Sie meinte
es nicht aufrichtig. Sie spielte bloß mit ihm und ärgerte ihre Eltern. Oder
wenn sie jetzt aufrichtig war, so würde sie ihm nicht treu bleiben bei eiuer Wer¬
bung, die ihr zusagte. Und dann würde er auf die Klippe zutreiben, wie es mit


Grenzboten III. 1882. 41


Der jüngste Tag.
von Edward Egg leston.

(Fortsetzung.)
siebentes Kapitel.
Drinnen und draußen.

cum jemand das feine Gefühl nicht angeboren ist, fo kann es ihm
nicht anerzogen werden. Ist es ihm angeboren, so läßt es sich
durch Erziehung nicht entfernen. August Weste hatte von seiner
Mutter den Instinkt echten Feingefühls geerbt. Und jetzt, Mo
Andrew wieder in schweigendes Nachdenken versank, versuchte er
nicht, ihn daraus zu erwecken, sondern bot ihm Gutenacht, warf die Strickleiter
mit eignen Händen ans dem Fenster und brach durch die Bvdensenlnng hinauf
nach Hanse auf. Die Luft war schwül und drückend, der Mond war vou den
Wolken eingeschluckt, und das erste Gewitter des Frühlings zog nach dem Zenith
herauf, während die Zweige der Bänme von nuheilverkündendem Schauer er¬
zitterten. Aber August beeilte sich nicht. Das wahre Gewitter war in seiner
Seele. Andrews Geschichte hatte Zweifel in ihm aufkeimen lassen. Als er in
die Schlucht hinabgestiegen, hatte die Liebe zu Julia Anderson sein Herz so sanft
und wohlthuend beschienen wie der Mond das Wasser drunten. Jetzt war das
holde Licht verschwunden, und die schwarze Wolke des Zweifels hatte seine
Seelenruhe verhüllt. Der Vater Juliens war ein reicher Mann. Daran hatte
er vorher nicht gedacht. Aber jetzt erinnerte er sich, wieviel Waldland er besaß,
und daß er zwei ausgedehnte Farnen hatte. Julia Anderson würde, so dachte
er, keinen armen Burschen heirate». Und nnn gar einen Dntchman! Sie meinte
es nicht aufrichtig. Sie spielte bloß mit ihm und ärgerte ihre Eltern. Oder
wenn sie jetzt aufrichtig war, so würde sie ihm nicht treu bleiben bei eiuer Wer¬
bung, die ihr zusagte. Und dann würde er auf die Klippe zutreiben, wie es mit


Grenzboten III. 1882. 41
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[0329] [Abbildung] Der jüngste Tag. von Edward Egg leston. (Fortsetzung.) siebentes Kapitel. Drinnen und draußen. cum jemand das feine Gefühl nicht angeboren ist, fo kann es ihm nicht anerzogen werden. Ist es ihm angeboren, so läßt es sich durch Erziehung nicht entfernen. August Weste hatte von seiner Mutter den Instinkt echten Feingefühls geerbt. Und jetzt, Mo Andrew wieder in schweigendes Nachdenken versank, versuchte er nicht, ihn daraus zu erwecken, sondern bot ihm Gutenacht, warf die Strickleiter mit eignen Händen ans dem Fenster und brach durch die Bvdensenlnng hinauf nach Hanse auf. Die Luft war schwül und drückend, der Mond war vou den Wolken eingeschluckt, und das erste Gewitter des Frühlings zog nach dem Zenith herauf, während die Zweige der Bänme von nuheilverkündendem Schauer er¬ zitterten. Aber August beeilte sich nicht. Das wahre Gewitter war in seiner Seele. Andrews Geschichte hatte Zweifel in ihm aufkeimen lassen. Als er in die Schlucht hinabgestiegen, hatte die Liebe zu Julia Anderson sein Herz so sanft und wohlthuend beschienen wie der Mond das Wasser drunten. Jetzt war das holde Licht verschwunden, und die schwarze Wolke des Zweifels hatte seine Seelenruhe verhüllt. Der Vater Juliens war ein reicher Mann. Daran hatte er vorher nicht gedacht. Aber jetzt erinnerte er sich, wieviel Waldland er besaß, und daß er zwei ausgedehnte Farnen hatte. Julia Anderson würde, so dachte er, keinen armen Burschen heirate». Und nnn gar einen Dntchman! Sie meinte es nicht aufrichtig. Sie spielte bloß mit ihm und ärgerte ihre Eltern. Oder wenn sie jetzt aufrichtig war, so würde sie ihm nicht treu bleiben bei eiuer Wer¬ bung, die ihr zusagte. Und dann würde er auf die Klippe zutreiben, wie es mit Grenzboten III. 1882. 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/329>, abgerufen am 04.05.2024.