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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Die Theorie der sphärischen Rraterbecken,

als bisher einließen, so glaube ich doch, daß es unserm Einflüsse auf den Ver¬
lauf der Dinge nur förderlich sein würde, wenn man im Westen unsern An¬
schluß an Rußland, und wenn man in Wien unsre engere und über den 2. De¬
zember hinnnsgeheude Verbindung mit dein Westen nicht gänzlich in das Reich
der Unmöglichkeiten zählen dürfte. Nur soweit, als man uns fürchtet, nimmt
man Rücksicht auf uns, und wenn man in London überzeugt ist, daß wir es
keinesfalls wagen, mit Rußland zu gehen, und andrerseits in Wien, daß wir es
niemals über das Herz bringen würden, unsre Beziehungen zu Österreich einem
intimen Verhältnis zum Westen mit derselben Entschlossenheit zu opfern, die
man in Wien in diesem Punkte zu besitzen scheint, so wird man anch stets geneigt
sein, den Willen Preußens nur in zweiter Linie zu berücksichtigen."




Die Theorie der sphärischen Kraterbecken.

in Gegensatze zu der Anschauung eines Cuvier, Leopold von Buch,
Humboldt und andrer großer Naturforscher, welche es für wahr¬
scheinlich, ja für erwiesen hielten, daß in der Entwicklung der Erde
große und plötzliche Revolutionen stattgefunden hätten, haben sich
die neueren Gelehrten der Meinung zugewandt, daß die jetzt in
Kraft bestehenden Naturgesetze von Anfang an in derselben langsamen, allmählichen
Weise zur Bildung der heutigen Gestalt der Erde thätig gewesen seien. Man
ist ziemlich allgemein dahin gekommen, die Theorien jener berühmten Anhänger
der Erdrevolutionen für veraltet zu halten, obwohl noch eben keine lange Reihe
von Jahren dahingerollt ist, seitdem sie beherrschend in der Wissenschaft dastanden,
und allgemein ist jetzt bei Gelehrten und Nichtgelehrten das Ansehen eines Lyell
und Darwin.

Die Grundlage der modernsten Naturphilosophie, gelegt durch diese beiden
ausgezeichneten englischen Forscher, läßt sich in der Kürze in folgenden Sätzen
zusammenfassen. Die Naturgesetze, welche bei Bildung der Erdrinde thätig waren,
haben immer genau in derselben allmählichen Weise gewirkt, in der wir sie noch
jetzt wirken sehen; niemals fanden allgemeine Erdrevolutionen, Kataklysmen oder
sogenannte Sintfluten statt (Lyell). Aus der unorganischen Materie bildeten
sich vor unendlich langen Zeiträumen zunächst die einfachsten organischen Zellen,
welche sich im Laufe der Zeit durch den Kampf ums Dasein, natürliche Zucht¬
wahl und Anpassung an äußere Verhältnisse, wie Klimawechsel?e., bis zu dem
höchsten organischen Wesen, dem Menschen, vervollkommneten (Darwin).


Die Theorie der sphärischen Rraterbecken,

als bisher einließen, so glaube ich doch, daß es unserm Einflüsse auf den Ver¬
lauf der Dinge nur förderlich sein würde, wenn man im Westen unsern An¬
schluß an Rußland, und wenn man in Wien unsre engere und über den 2. De¬
zember hinnnsgeheude Verbindung mit dein Westen nicht gänzlich in das Reich
der Unmöglichkeiten zählen dürfte. Nur soweit, als man uns fürchtet, nimmt
man Rücksicht auf uns, und wenn man in London überzeugt ist, daß wir es
keinesfalls wagen, mit Rußland zu gehen, und andrerseits in Wien, daß wir es
niemals über das Herz bringen würden, unsre Beziehungen zu Österreich einem
intimen Verhältnis zum Westen mit derselben Entschlossenheit zu opfern, die
man in Wien in diesem Punkte zu besitzen scheint, so wird man anch stets geneigt
sein, den Willen Preußens nur in zweiter Linie zu berücksichtigen."




Die Theorie der sphärischen Kraterbecken.

in Gegensatze zu der Anschauung eines Cuvier, Leopold von Buch,
Humboldt und andrer großer Naturforscher, welche es für wahr¬
scheinlich, ja für erwiesen hielten, daß in der Entwicklung der Erde
große und plötzliche Revolutionen stattgefunden hätten, haben sich
die neueren Gelehrten der Meinung zugewandt, daß die jetzt in
Kraft bestehenden Naturgesetze von Anfang an in derselben langsamen, allmählichen
Weise zur Bildung der heutigen Gestalt der Erde thätig gewesen seien. Man
ist ziemlich allgemein dahin gekommen, die Theorien jener berühmten Anhänger
der Erdrevolutionen für veraltet zu halten, obwohl noch eben keine lange Reihe
von Jahren dahingerollt ist, seitdem sie beherrschend in der Wissenschaft dastanden,
und allgemein ist jetzt bei Gelehrten und Nichtgelehrten das Ansehen eines Lyell
und Darwin.

Die Grundlage der modernsten Naturphilosophie, gelegt durch diese beiden
ausgezeichneten englischen Forscher, läßt sich in der Kürze in folgenden Sätzen
zusammenfassen. Die Naturgesetze, welche bei Bildung der Erdrinde thätig waren,
haben immer genau in derselben allmählichen Weise gewirkt, in der wir sie noch
jetzt wirken sehen; niemals fanden allgemeine Erdrevolutionen, Kataklysmen oder
sogenannte Sintfluten statt (Lyell). Aus der unorganischen Materie bildeten
sich vor unendlich langen Zeiträumen zunächst die einfachsten organischen Zellen,
welche sich im Laufe der Zeit durch den Kampf ums Dasein, natürliche Zucht¬
wahl und Anpassung an äußere Verhältnisse, wie Klimawechsel?e., bis zu dem
höchsten organischen Wesen, dem Menschen, vervollkommneten (Darwin).


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[0354] Die Theorie der sphärischen Rraterbecken, als bisher einließen, so glaube ich doch, daß es unserm Einflüsse auf den Ver¬ lauf der Dinge nur förderlich sein würde, wenn man im Westen unsern An¬ schluß an Rußland, und wenn man in Wien unsre engere und über den 2. De¬ zember hinnnsgeheude Verbindung mit dein Westen nicht gänzlich in das Reich der Unmöglichkeiten zählen dürfte. Nur soweit, als man uns fürchtet, nimmt man Rücksicht auf uns, und wenn man in London überzeugt ist, daß wir es keinesfalls wagen, mit Rußland zu gehen, und andrerseits in Wien, daß wir es niemals über das Herz bringen würden, unsre Beziehungen zu Österreich einem intimen Verhältnis zum Westen mit derselben Entschlossenheit zu opfern, die man in Wien in diesem Punkte zu besitzen scheint, so wird man anch stets geneigt sein, den Willen Preußens nur in zweiter Linie zu berücksichtigen." Die Theorie der sphärischen Kraterbecken. in Gegensatze zu der Anschauung eines Cuvier, Leopold von Buch, Humboldt und andrer großer Naturforscher, welche es für wahr¬ scheinlich, ja für erwiesen hielten, daß in der Entwicklung der Erde große und plötzliche Revolutionen stattgefunden hätten, haben sich die neueren Gelehrten der Meinung zugewandt, daß die jetzt in Kraft bestehenden Naturgesetze von Anfang an in derselben langsamen, allmählichen Weise zur Bildung der heutigen Gestalt der Erde thätig gewesen seien. Man ist ziemlich allgemein dahin gekommen, die Theorien jener berühmten Anhänger der Erdrevolutionen für veraltet zu halten, obwohl noch eben keine lange Reihe von Jahren dahingerollt ist, seitdem sie beherrschend in der Wissenschaft dastanden, und allgemein ist jetzt bei Gelehrten und Nichtgelehrten das Ansehen eines Lyell und Darwin. Die Grundlage der modernsten Naturphilosophie, gelegt durch diese beiden ausgezeichneten englischen Forscher, läßt sich in der Kürze in folgenden Sätzen zusammenfassen. Die Naturgesetze, welche bei Bildung der Erdrinde thätig waren, haben immer genau in derselben allmählichen Weise gewirkt, in der wir sie noch jetzt wirken sehen; niemals fanden allgemeine Erdrevolutionen, Kataklysmen oder sogenannte Sintfluten statt (Lyell). Aus der unorganischen Materie bildeten sich vor unendlich langen Zeiträumen zunächst die einfachsten organischen Zellen, welche sich im Laufe der Zeit durch den Kampf ums Dasein, natürliche Zucht¬ wahl und Anpassung an äußere Verhältnisse, wie Klimawechsel?e., bis zu dem höchsten organischen Wesen, dem Menschen, vervollkommneten (Darwin).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/354>, abgerufen am 04.05.2024.