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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Ursprung und Entwicklung der ägyptischen 'Krisis.


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Außerdem war ein Teil der Anleihen in kurzen Fristen g.1 r>mi, als" mit einer
Nisikoprämic, zurückzuzahlen. Kurz, es our eine Wucherei ohne gleiche".*)

Bis Ende des Jahres 1875 wurden die entliehenen Millionen pünktlich
verzinst und amortisirt. Dann aber sah sich der Chedive außer stände, seiue
Gläubiger zu befriedigen, nud jetzt mischte sich die britische Regierung zu Gunsten
der letzteren ein, indem sie zunächst den Mr. Cave mit der Untersuchung der
ägyptischen Finanzen beauftragte. Derselbe berichtete, daß Anleihen zu zwölf
und dreizehn Prozent abgeschlossen und zu fünfundzwanzig Prozent prolongirt
wurden, und daß eine Konsolidirung erforderlich sei. Die beiden Westmüchte
schickten sich zu einer solchen an, statt aber dabei die schon gezahlte Risikvpräinie
von dem noch ausstehenden Kapitale abzuziehen und die nun nnter ihre Kon-
trole gestellte, also gesicherte Schuld um deren Betrag zu vermindern, auch die
Verzinsung der Nestschuld auf den Zinsfuß der englischen Konsols, d. h. auf
drei Prozent, herabzusetzen, erkannten sie die gesammten wucherischer Forde¬
rungen an.

Um dieselbe Zeit hatten die europäischen Mächte den Ägyptern einen Ge¬
richtshof aufgenötigt, dem fränkische Mitglieder beigegeben waren, und der
über die Klagen von Ausländern und gegen solche entscheide" sollte. Dieser
verurteilte im Mai 1876 den Chedive Ismail zur Zahlung. Frankreich schickte
Joubert, den Direktor der Pariser Bank, England den jüdischen Finanzmann
Goschen zu nochmaliger Prüfung der ägyptischen Finanzen ab, und diese schlugen
die Übergabe des Finanzministerinms an zwei Franken vor. Gegen diesen
Eingriff in die Unabhängigkeit Ägyptens und die Regiernngsrechte des Chedive
rief Ismail sein Volk in die Schränken, indem er eine Art Parlament ans
Delegirten desselben schuf, das im November 1876 zusammentrat und aus
dem sich die in der letzten Zeit oftgenannte Notabelnversammlnng und die Ra¬
tio n a ip a r t e i entwickelten.

Während des russisch-türkischen Krieges blieb Ismail ziemlich unbehelligt,
uur zwangen ihm die Westmächte im Februar 1877 eine Kommission zur Be¬
aufsichtigung seiner Finanzverwaltung auf, die, als der Chedive im Januar 1378
erklärte, nur eine Abschlagszahlung ans den Knpvn macheu zu können, in Ge¬
meinschaft mit dem englischen Gläubigerkomitee am 8. März jede Einschränkung
der wucherischer Ansprüche ihrer Auftraggeber ablehnte und eine Steuerreform
vorschlug, nach welcher die Güter des Chedive, sowie die Besitzungen der ägyp¬
tischen Beis und Paschas zu den Abgaben herangezogen werden sollten. Mitte
Mai nötigte man Ismail, den Engländer Wilson zum obersten Leiter der
Finanzen und den Armenier Nubar Pascha, der früher die unsinnige Ver¬
schwendung des Hofes unterstützt und das Land im Interesse der ägyptischen
Bankiers furchtbar ausgesogen hatte, und der jetzt als Oberagent der habsüch-



Ausführlicheres in einem Aufsätze des "Vaterland," dem wir hier folgen.

Ursprung und Entwicklung der ägyptischen 'Krisis.


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Außerdem war ein Teil der Anleihen in kurzen Fristen g.1 r>mi, als» mit einer
Nisikoprämic, zurückzuzahlen. Kurz, es our eine Wucherei ohne gleiche».*)

Bis Ende des Jahres 1875 wurden die entliehenen Millionen pünktlich
verzinst und amortisirt. Dann aber sah sich der Chedive außer stände, seiue
Gläubiger zu befriedigen, nud jetzt mischte sich die britische Regierung zu Gunsten
der letzteren ein, indem sie zunächst den Mr. Cave mit der Untersuchung der
ägyptischen Finanzen beauftragte. Derselbe berichtete, daß Anleihen zu zwölf
und dreizehn Prozent abgeschlossen und zu fünfundzwanzig Prozent prolongirt
wurden, und daß eine Konsolidirung erforderlich sei. Die beiden Westmüchte
schickten sich zu einer solchen an, statt aber dabei die schon gezahlte Risikvpräinie
von dem noch ausstehenden Kapitale abzuziehen und die nun nnter ihre Kon-
trole gestellte, also gesicherte Schuld um deren Betrag zu vermindern, auch die
Verzinsung der Nestschuld auf den Zinsfuß der englischen Konsols, d. h. auf
drei Prozent, herabzusetzen, erkannten sie die gesammten wucherischer Forde¬
rungen an.

Um dieselbe Zeit hatten die europäischen Mächte den Ägyptern einen Ge¬
richtshof aufgenötigt, dem fränkische Mitglieder beigegeben waren, und der
über die Klagen von Ausländern und gegen solche entscheide» sollte. Dieser
verurteilte im Mai 1876 den Chedive Ismail zur Zahlung. Frankreich schickte
Joubert, den Direktor der Pariser Bank, England den jüdischen Finanzmann
Goschen zu nochmaliger Prüfung der ägyptischen Finanzen ab, und diese schlugen
die Übergabe des Finanzministerinms an zwei Franken vor. Gegen diesen
Eingriff in die Unabhängigkeit Ägyptens und die Regiernngsrechte des Chedive
rief Ismail sein Volk in die Schränken, indem er eine Art Parlament ans
Delegirten desselben schuf, das im November 1876 zusammentrat und aus
dem sich die in der letzten Zeit oftgenannte Notabelnversammlnng und die Ra¬
tio n a ip a r t e i entwickelten.

Während des russisch-türkischen Krieges blieb Ismail ziemlich unbehelligt,
uur zwangen ihm die Westmächte im Februar 1877 eine Kommission zur Be¬
aufsichtigung seiner Finanzverwaltung auf, die, als der Chedive im Januar 1378
erklärte, nur eine Abschlagszahlung ans den Knpvn macheu zu können, in Ge¬
meinschaft mit dem englischen Gläubigerkomitee am 8. März jede Einschränkung
der wucherischer Ansprüche ihrer Auftraggeber ablehnte und eine Steuerreform
vorschlug, nach welcher die Güter des Chedive, sowie die Besitzungen der ägyp¬
tischen Beis und Paschas zu den Abgaben herangezogen werden sollten. Mitte
Mai nötigte man Ismail, den Engländer Wilson zum obersten Leiter der
Finanzen und den Armenier Nubar Pascha, der früher die unsinnige Ver¬
schwendung des Hofes unterstützt und das Land im Interesse der ägyptischen
Bankiers furchtbar ausgesogen hatte, und der jetzt als Oberagent der habsüch-



Ausführlicheres in einem Aufsätze des „Vaterland," dem wir hier folgen.
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[0373] Ursprung und Entwicklung der ägyptischen 'Krisis. 365 Außerdem war ein Teil der Anleihen in kurzen Fristen g.1 r>mi, als» mit einer Nisikoprämic, zurückzuzahlen. Kurz, es our eine Wucherei ohne gleiche».*) Bis Ende des Jahres 1875 wurden die entliehenen Millionen pünktlich verzinst und amortisirt. Dann aber sah sich der Chedive außer stände, seiue Gläubiger zu befriedigen, nud jetzt mischte sich die britische Regierung zu Gunsten der letzteren ein, indem sie zunächst den Mr. Cave mit der Untersuchung der ägyptischen Finanzen beauftragte. Derselbe berichtete, daß Anleihen zu zwölf und dreizehn Prozent abgeschlossen und zu fünfundzwanzig Prozent prolongirt wurden, und daß eine Konsolidirung erforderlich sei. Die beiden Westmüchte schickten sich zu einer solchen an, statt aber dabei die schon gezahlte Risikvpräinie von dem noch ausstehenden Kapitale abzuziehen und die nun nnter ihre Kon- trole gestellte, also gesicherte Schuld um deren Betrag zu vermindern, auch die Verzinsung der Nestschuld auf den Zinsfuß der englischen Konsols, d. h. auf drei Prozent, herabzusetzen, erkannten sie die gesammten wucherischer Forde¬ rungen an. Um dieselbe Zeit hatten die europäischen Mächte den Ägyptern einen Ge¬ richtshof aufgenötigt, dem fränkische Mitglieder beigegeben waren, und der über die Klagen von Ausländern und gegen solche entscheide» sollte. Dieser verurteilte im Mai 1876 den Chedive Ismail zur Zahlung. Frankreich schickte Joubert, den Direktor der Pariser Bank, England den jüdischen Finanzmann Goschen zu nochmaliger Prüfung der ägyptischen Finanzen ab, und diese schlugen die Übergabe des Finanzministerinms an zwei Franken vor. Gegen diesen Eingriff in die Unabhängigkeit Ägyptens und die Regiernngsrechte des Chedive rief Ismail sein Volk in die Schränken, indem er eine Art Parlament ans Delegirten desselben schuf, das im November 1876 zusammentrat und aus dem sich die in der letzten Zeit oftgenannte Notabelnversammlnng und die Ra¬ tio n a ip a r t e i entwickelten. Während des russisch-türkischen Krieges blieb Ismail ziemlich unbehelligt, uur zwangen ihm die Westmächte im Februar 1877 eine Kommission zur Be¬ aufsichtigung seiner Finanzverwaltung auf, die, als der Chedive im Januar 1378 erklärte, nur eine Abschlagszahlung ans den Knpvn macheu zu können, in Ge¬ meinschaft mit dem englischen Gläubigerkomitee am 8. März jede Einschränkung der wucherischer Ansprüche ihrer Auftraggeber ablehnte und eine Steuerreform vorschlug, nach welcher die Güter des Chedive, sowie die Besitzungen der ägyp¬ tischen Beis und Paschas zu den Abgaben herangezogen werden sollten. Mitte Mai nötigte man Ismail, den Engländer Wilson zum obersten Leiter der Finanzen und den Armenier Nubar Pascha, der früher die unsinnige Ver¬ schwendung des Hofes unterstützt und das Land im Interesse der ägyptischen Bankiers furchtbar ausgesogen hatte, und der jetzt als Oberagent der habsüch- Ausführlicheres in einem Aufsätze des „Vaterland," dem wir hier folgen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/373>, abgerufen am 04.05.2024.