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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Jacob Gilan und das Goethedonkmal in ZZerliu.

Dichter in Weimar. Länger als bis zum Juni 1861 ertrug der gcsinnnngs-
feste Jacob Grimm nicht die zu keinem Resultate führenden Plänkeleien, bei denen
die politischen und persönlichen Parteileideuschaften der Kämpfenden das eigent¬
liche und große Objekt der Diskussion ganz in deu Hintergrund drängten. Am
24. Juni 1861 schied er aus und zog seinen Aufruf zurück.

Märker gab nach Grimms Tode das interessante Dokument in das Hand¬
schriftenarchiv des Archivrnts Kestner in Hannover mit nachstehender Beglau¬
bigung: "Dieses Autograph lege ich in der Sammlung des Archivrats Kestner
in Hannover zum dauernden Gedächtnis des mir so teuren Verfassers an der
würdigsten Stelle nieder, zugleich mit einem Abdruck der beiden Sonette, welche
ich an Jacob Grimm richtete, als er ans dem Komitee schied, und mit seiner
Erwiederung darauf. Berlin, den 22. Juni 1866. Professor Dr. F. A. Märker."

Die Abschrift dieses Originalkonzcpts von Jacob Grimm, sowie der Sonette
von Märker an Grimm und der Erwiederung des letzteren darauf habe ich im
Einverständnis mit dem jetzigen Besitzer des Archivs, Herrn Georg Kestner in
Dresden, an Ort und Stelle genommen und teile sie im nachstehenden mit.

1.
Jacob Grimms Aufruf.

Die Feier des zehnte,: Novembers hat tiefen Eindruck hinterlassen. Ul^
willkürlich keimten Wünsche und stiegen Verlangen ans, die bald nachher sich als
laute Wünsche und Verlangen knndgaben. Allen Freunden deutscher Poesie mußte
ans das Herz fallen, während Schillers Bildsäule mit lobenswertem Eifer auf¬
zurichten beschlossen wurde, Goethe, dessen Andenken in den ringenden Wirren
des Jahres neunuudvierzig nnr matt und trüb leuchtete, vorbeigegangen zu sehen.

Es wäre ungeschickt und ungerecht, da wo uns obliegt, unsre beiden größten
Dichter zu ehren, sie sich gegenüberzustellen und abzuwägen, ob und wo der
eine den andern an Armlänge oder Handbreite überrage. Im Leben haben sie
zusammengestanden, sich einander erhöhend. ergänzend, erfüllend, beide die gött¬
liche Gabe vor der Welt entfaltet, die ihnen einwohnte. Nur das ist uicht zu
verkennen, daß, wie Goethe Schillern zehn Jahre vorausging, er ihn beinahe
noch dreißig Jahre lang überlebte. Gegen Schillers auf kürzere Zeit gedrängte,
um so gewaltigere und unaufhaltsame Laufbahn erscheint Goethes Einwirkung
ruhiger, dauernder.

Eines großen, der Nachwelt geheiligten Mannes Standbild soll im An¬
gesicht der täglich vorüberwandelnden Menge, da wo sich zahllose Schritte be¬
gegnen, auf Plätzen volkreicher Städte errichtet werden. In Berlin der Kvnig-
stadt, wenn sich an ihrem weitesten Raume Schillers Denkmal erhebt, darf das
von Goethe nicht unerhvben bleiben, und die Kraft, welche jenes hervorruft,
wird auch diesem nicht fehlen. Das fühlen alle, nicht blos in Preußen, in ganz
Deutschland. Denn vor diesen Dichtern, die beide unsrer Sprache ein fern-


Jacob Gilan und das Goethedonkmal in ZZerliu.

Dichter in Weimar. Länger als bis zum Juni 1861 ertrug der gcsinnnngs-
feste Jacob Grimm nicht die zu keinem Resultate führenden Plänkeleien, bei denen
die politischen und persönlichen Parteileideuschaften der Kämpfenden das eigent¬
liche und große Objekt der Diskussion ganz in deu Hintergrund drängten. Am
24. Juni 1861 schied er aus und zog seinen Aufruf zurück.

Märker gab nach Grimms Tode das interessante Dokument in das Hand¬
schriftenarchiv des Archivrnts Kestner in Hannover mit nachstehender Beglau¬
bigung: „Dieses Autograph lege ich in der Sammlung des Archivrats Kestner
in Hannover zum dauernden Gedächtnis des mir so teuren Verfassers an der
würdigsten Stelle nieder, zugleich mit einem Abdruck der beiden Sonette, welche
ich an Jacob Grimm richtete, als er ans dem Komitee schied, und mit seiner
Erwiederung darauf. Berlin, den 22. Juni 1866. Professor Dr. F. A. Märker."

Die Abschrift dieses Originalkonzcpts von Jacob Grimm, sowie der Sonette
von Märker an Grimm und der Erwiederung des letzteren darauf habe ich im
Einverständnis mit dem jetzigen Besitzer des Archivs, Herrn Georg Kestner in
Dresden, an Ort und Stelle genommen und teile sie im nachstehenden mit.

1.
Jacob Grimms Aufruf.

Die Feier des zehnte,: Novembers hat tiefen Eindruck hinterlassen. Ul^
willkürlich keimten Wünsche und stiegen Verlangen ans, die bald nachher sich als
laute Wünsche und Verlangen knndgaben. Allen Freunden deutscher Poesie mußte
ans das Herz fallen, während Schillers Bildsäule mit lobenswertem Eifer auf¬
zurichten beschlossen wurde, Goethe, dessen Andenken in den ringenden Wirren
des Jahres neunuudvierzig nnr matt und trüb leuchtete, vorbeigegangen zu sehen.

Es wäre ungeschickt und ungerecht, da wo uns obliegt, unsre beiden größten
Dichter zu ehren, sie sich gegenüberzustellen und abzuwägen, ob und wo der
eine den andern an Armlänge oder Handbreite überrage. Im Leben haben sie
zusammengestanden, sich einander erhöhend. ergänzend, erfüllend, beide die gött¬
liche Gabe vor der Welt entfaltet, die ihnen einwohnte. Nur das ist uicht zu
verkennen, daß, wie Goethe Schillern zehn Jahre vorausging, er ihn beinahe
noch dreißig Jahre lang überlebte. Gegen Schillers auf kürzere Zeit gedrängte,
um so gewaltigere und unaufhaltsame Laufbahn erscheint Goethes Einwirkung
ruhiger, dauernder.

Eines großen, der Nachwelt geheiligten Mannes Standbild soll im An¬
gesicht der täglich vorüberwandelnden Menge, da wo sich zahllose Schritte be¬
gegnen, auf Plätzen volkreicher Städte errichtet werden. In Berlin der Kvnig-
stadt, wenn sich an ihrem weitesten Raume Schillers Denkmal erhebt, darf das
von Goethe nicht unerhvben bleiben, und die Kraft, welche jenes hervorruft,
wird auch diesem nicht fehlen. Das fühlen alle, nicht blos in Preußen, in ganz
Deutschland. Denn vor diesen Dichtern, die beide unsrer Sprache ein fern-


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[0469] Jacob Gilan und das Goethedonkmal in ZZerliu. Dichter in Weimar. Länger als bis zum Juni 1861 ertrug der gcsinnnngs- feste Jacob Grimm nicht die zu keinem Resultate führenden Plänkeleien, bei denen die politischen und persönlichen Parteileideuschaften der Kämpfenden das eigent¬ liche und große Objekt der Diskussion ganz in deu Hintergrund drängten. Am 24. Juni 1861 schied er aus und zog seinen Aufruf zurück. Märker gab nach Grimms Tode das interessante Dokument in das Hand¬ schriftenarchiv des Archivrnts Kestner in Hannover mit nachstehender Beglau¬ bigung: „Dieses Autograph lege ich in der Sammlung des Archivrats Kestner in Hannover zum dauernden Gedächtnis des mir so teuren Verfassers an der würdigsten Stelle nieder, zugleich mit einem Abdruck der beiden Sonette, welche ich an Jacob Grimm richtete, als er ans dem Komitee schied, und mit seiner Erwiederung darauf. Berlin, den 22. Juni 1866. Professor Dr. F. A. Märker." Die Abschrift dieses Originalkonzcpts von Jacob Grimm, sowie der Sonette von Märker an Grimm und der Erwiederung des letzteren darauf habe ich im Einverständnis mit dem jetzigen Besitzer des Archivs, Herrn Georg Kestner in Dresden, an Ort und Stelle genommen und teile sie im nachstehenden mit. 1. Jacob Grimms Aufruf. Die Feier des zehnte,: Novembers hat tiefen Eindruck hinterlassen. Ul^ willkürlich keimten Wünsche und stiegen Verlangen ans, die bald nachher sich als laute Wünsche und Verlangen knndgaben. Allen Freunden deutscher Poesie mußte ans das Herz fallen, während Schillers Bildsäule mit lobenswertem Eifer auf¬ zurichten beschlossen wurde, Goethe, dessen Andenken in den ringenden Wirren des Jahres neunuudvierzig nnr matt und trüb leuchtete, vorbeigegangen zu sehen. Es wäre ungeschickt und ungerecht, da wo uns obliegt, unsre beiden größten Dichter zu ehren, sie sich gegenüberzustellen und abzuwägen, ob und wo der eine den andern an Armlänge oder Handbreite überrage. Im Leben haben sie zusammengestanden, sich einander erhöhend. ergänzend, erfüllend, beide die gött¬ liche Gabe vor der Welt entfaltet, die ihnen einwohnte. Nur das ist uicht zu verkennen, daß, wie Goethe Schillern zehn Jahre vorausging, er ihn beinahe noch dreißig Jahre lang überlebte. Gegen Schillers auf kürzere Zeit gedrängte, um so gewaltigere und unaufhaltsame Laufbahn erscheint Goethes Einwirkung ruhiger, dauernder. Eines großen, der Nachwelt geheiligten Mannes Standbild soll im An¬ gesicht der täglich vorüberwandelnden Menge, da wo sich zahllose Schritte be¬ gegnen, auf Plätzen volkreicher Städte errichtet werden. In Berlin der Kvnig- stadt, wenn sich an ihrem weitesten Raume Schillers Denkmal erhebt, darf das von Goethe nicht unerhvben bleiben, und die Kraft, welche jenes hervorruft, wird auch diesem nicht fehlen. Das fühlen alle, nicht blos in Preußen, in ganz Deutschland. Denn vor diesen Dichtern, die beide unsrer Sprache ein fern-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/469>, abgerufen am 04.05.2024.