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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Konkurrenzen
in der Erklärung der deutschen Familiennamen.
von A. G. Alldresen.

er irgend eiinual über Bedeutung und Beziehung unsrer dentschen
Geschlechts- oder Familiennamen nachgedacht hat, dem tritt als¬
bald die Überzeugung entgegen, daß ein großer Teil derselben sich
einer Erklärung oder wenigstens einer befriedigenden Erklärung
hartnäckig weigert, ein andrer zwar, oberflächlich betrachtet, einen
Sinn bietet, aber die Vermutung hinterläßt, daß das wahre Verhältnis im
Grunde ein ganz anderes sei, und daß man sich dnrch den äußern Schein habe
bestimmen und verführen lassen. Dieser Schein trügt sogar, was sich ohne hand¬
greifliche Beweise kaum denken läßt, uicht einmal immer den Charakter einer
gewissen objektiven Berechtigung, sondern geht zuweilen ans der Gedankenlosig¬
keit oder dem Eigensinne des Erklärers hervor, in einzelnen Fällen selbst ans
seiner tadelnswerten Neigung, auf Kosten der ihm uicht unbekannten Wahrheit
oder Wahrscheinlichkeit unerfahrene, für Scherz empfängliche Leser eine Weile
zu belustigen.

Ein Vergleich jener ältern falschen Deutungen, welche, früh begonnen und
herkömmlich fortgesetzt, noch zum großen Teil in das jetzige Jahrhundert herein¬
reichen, mit denjenigen nicht minder verfehlten, denen wir in einer viel jüngern
Zeit bei einzelnen Schriftstellern begegnen, läßt auf der einen Seite das Gefühl
eines gewissen mit aller Achtung verträglichen Wohlbehagens, aus der audern
das des gerechten Unmuts zurück. Daß die ältere Zeit für etymologische Unter¬
suchungen nicht oder uicht hinreichend gerüstet war, das weiß man von vorn¬
herein, wundert sich daher nicht allzusehr über die Erscheinungen; von der neuern
aber darf mit Recht erwartet werden, daß sie die Ergebnisse der auf neue
Gründe erbnuten Sprachwissenschaft sich und audern zu Nutze mache.

Längst abgethan find und nnr noch ein vorübergehendes historisches Interesse
haben Erklärungen wie ^mola nud Mcckrlrolä als Ehrensold und Noßlieb
<UIuli>>>>u><), s-o,I<'I>!U'l (Gotthard) als gute Art, (Za-nA-oll' als gehende
Hilfe, sovne die Übersetzung von (üniläkriczd, Roclkrioli, Jouni<>'un<I>> durch die
adjektivischen Ausdrücke kinderreich, ratreich, dem Könige günstig. Werden
diese Deutungen genauer angesehen, so zeigt sich, daß sie teils auf Unkenntnis
des Altdeutschen beruhen, teils von der nicht unnatürlichen, beinahe selbstver¬
ständlichen Neigung, das in der bekannten Sprache zunächst liegende zu ergreifen,
veranlaßt worden find. Die Entstellung und Umänderung von -c>I<I (zu ^v-Mon)


Konkurrenzen
in der Erklärung der deutschen Familiennamen.
von A. G. Alldresen.

er irgend eiinual über Bedeutung und Beziehung unsrer dentschen
Geschlechts- oder Familiennamen nachgedacht hat, dem tritt als¬
bald die Überzeugung entgegen, daß ein großer Teil derselben sich
einer Erklärung oder wenigstens einer befriedigenden Erklärung
hartnäckig weigert, ein andrer zwar, oberflächlich betrachtet, einen
Sinn bietet, aber die Vermutung hinterläßt, daß das wahre Verhältnis im
Grunde ein ganz anderes sei, und daß man sich dnrch den äußern Schein habe
bestimmen und verführen lassen. Dieser Schein trügt sogar, was sich ohne hand¬
greifliche Beweise kaum denken läßt, uicht einmal immer den Charakter einer
gewissen objektiven Berechtigung, sondern geht zuweilen ans der Gedankenlosig¬
keit oder dem Eigensinne des Erklärers hervor, in einzelnen Fällen selbst ans
seiner tadelnswerten Neigung, auf Kosten der ihm uicht unbekannten Wahrheit
oder Wahrscheinlichkeit unerfahrene, für Scherz empfängliche Leser eine Weile
zu belustigen.

Ein Vergleich jener ältern falschen Deutungen, welche, früh begonnen und
herkömmlich fortgesetzt, noch zum großen Teil in das jetzige Jahrhundert herein¬
reichen, mit denjenigen nicht minder verfehlten, denen wir in einer viel jüngern
Zeit bei einzelnen Schriftstellern begegnen, läßt auf der einen Seite das Gefühl
eines gewissen mit aller Achtung verträglichen Wohlbehagens, aus der audern
das des gerechten Unmuts zurück. Daß die ältere Zeit für etymologische Unter¬
suchungen nicht oder uicht hinreichend gerüstet war, das weiß man von vorn¬
herein, wundert sich daher nicht allzusehr über die Erscheinungen; von der neuern
aber darf mit Recht erwartet werden, daß sie die Ergebnisse der auf neue
Gründe erbnuten Sprachwissenschaft sich und audern zu Nutze mache.

Längst abgethan find und nnr noch ein vorübergehendes historisches Interesse
haben Erklärungen wie ^mola nud Mcckrlrolä als Ehrensold und Noßlieb
<UIuli>>>>u><), s-o,I<'I>!U'l (Gotthard) als gute Art, (Za-nA-oll' als gehende
Hilfe, sovne die Übersetzung von (üniläkriczd, Roclkrioli, Jouni<>'un<I>> durch die
adjektivischen Ausdrücke kinderreich, ratreich, dem Könige günstig. Werden
diese Deutungen genauer angesehen, so zeigt sich, daß sie teils auf Unkenntnis
des Altdeutschen beruhen, teils von der nicht unnatürlichen, beinahe selbstver¬
ständlichen Neigung, das in der bekannten Sprache zunächst liegende zu ergreifen,
veranlaßt worden find. Die Entstellung und Umänderung von -c>I<I (zu ^v-Mon)


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[0116] Konkurrenzen in der Erklärung der deutschen Familiennamen. von A. G. Alldresen. er irgend eiinual über Bedeutung und Beziehung unsrer dentschen Geschlechts- oder Familiennamen nachgedacht hat, dem tritt als¬ bald die Überzeugung entgegen, daß ein großer Teil derselben sich einer Erklärung oder wenigstens einer befriedigenden Erklärung hartnäckig weigert, ein andrer zwar, oberflächlich betrachtet, einen Sinn bietet, aber die Vermutung hinterläßt, daß das wahre Verhältnis im Grunde ein ganz anderes sei, und daß man sich dnrch den äußern Schein habe bestimmen und verführen lassen. Dieser Schein trügt sogar, was sich ohne hand¬ greifliche Beweise kaum denken läßt, uicht einmal immer den Charakter einer gewissen objektiven Berechtigung, sondern geht zuweilen ans der Gedankenlosig¬ keit oder dem Eigensinne des Erklärers hervor, in einzelnen Fällen selbst ans seiner tadelnswerten Neigung, auf Kosten der ihm uicht unbekannten Wahrheit oder Wahrscheinlichkeit unerfahrene, für Scherz empfängliche Leser eine Weile zu belustigen. Ein Vergleich jener ältern falschen Deutungen, welche, früh begonnen und herkömmlich fortgesetzt, noch zum großen Teil in das jetzige Jahrhundert herein¬ reichen, mit denjenigen nicht minder verfehlten, denen wir in einer viel jüngern Zeit bei einzelnen Schriftstellern begegnen, läßt auf der einen Seite das Gefühl eines gewissen mit aller Achtung verträglichen Wohlbehagens, aus der audern das des gerechten Unmuts zurück. Daß die ältere Zeit für etymologische Unter¬ suchungen nicht oder uicht hinreichend gerüstet war, das weiß man von vorn¬ herein, wundert sich daher nicht allzusehr über die Erscheinungen; von der neuern aber darf mit Recht erwartet werden, daß sie die Ergebnisse der auf neue Gründe erbnuten Sprachwissenschaft sich und audern zu Nutze mache. Längst abgethan find und nnr noch ein vorübergehendes historisches Interesse haben Erklärungen wie ^mola nud Mcckrlrolä als Ehrensold und Noßlieb <UIuli>>>>u><), s-o,I<'I>!U'l (Gotthard) als gute Art, (Za-nA-oll' als gehende Hilfe, sovne die Übersetzung von (üniläkriczd, Roclkrioli, Jouni<>'un<I>> durch die adjektivischen Ausdrücke kinderreich, ratreich, dem Könige günstig. Werden diese Deutungen genauer angesehen, so zeigt sich, daß sie teils auf Unkenntnis des Altdeutschen beruhen, teils von der nicht unnatürlichen, beinahe selbstver¬ ständlichen Neigung, das in der bekannten Sprache zunächst liegende zu ergreifen, veranlaßt worden find. Die Entstellung und Umänderung von -c>I<I (zu ^v-Mon)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/116>, abgerufen am 05.05.2024.